Haftung wegen Corona-Infektion – Gefährdungsbeurteilung und Hygienekonzepte
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Die Wirtschaft läuft nach dem Lockdown langsam wieder an. Möglich ist das jedoch nur bei entsprechenden Hygiene- und Sicherheitskonzepten. Die Entwicklung und Einführung dieser wichtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist in erster Linie in die Hände der Arbeitgeber gelegt. Unternehmen sollten also ein effektives Konzept erarbeiten, es in der betrieblichen Praxis auf die Probe stellen und bei Bedarf zügig anpassen. Anderenfalls drohen enorme Haftungsrisiken, die sich aus unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten ergeben können.
In diesem Rechtstipp gehen wir der sogenannten Gefährdungsbeurteilung auf den Grund und verdeutlichen ihre Bedeutung für den Arbeitgeber!
1. Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Der Arbeitgeber ist sowohl nach zivilrechtlichen wie auch öffentlich-rechtlichen Grundsätzen dazu verpflichtet, seine Beschäftigten möglichst umfassend vor Personen- und Sachschäden zu schützen. Ihn treffen also Fürsorge- und Schutzpflichten, die in der aktuellen Krisensituation insbesondere in Form des Gesundheits- und Infektionsschutzes akut werden.
Welche Maßnahmen der Arbeitgeber trifft, um seine Mitarbeiter vor dem Corona-Virus zu schützen, ist anhand einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers muss das Unternehmen sein individuelles Gefährdungs- und Ansteckungsrisiko ermitteln. Hierzu sind diejenigen Arbeitsabläufe ausfindig zu machen, bei denen eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Zu berücksichtigen sind neben dem aktuellen Stand der Technik und Hygiene auch die arbeitswissenschaftlichen Vorgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Gemeint sind
- der im April veröffentlichte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des BMAS mit allgemeinen Regelungen zum Infektionsschutz,
- die Erweiterungen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen mit branchenspezifischen Ergänzungen sowie
- die nunmehr vom BMAS freigegebenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln.
Dieses Regelwerk klingt umfangreich, ist aber Pflichtlektüre für jeden Arbeitgeber! Ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung gefunden, ist ein diesen Erkenntnissen entsprechendes Hygiene- und Arbeitsschutzkonzept zu entwickeln, einzuführen und zu überwachen.
2. Wer ist für die Einhaltung des Hygienekonzepts verantwortlich?
Die Verantwortlichkeit dafür, dass das Hygiene- und Arbeitsschutzkonzept eingehalten wird, trägt der Arbeitgeber. In der Praxis tragen Führungskräfte und Vorgesetzte für ihren Bereich Sorge, dass alle Mitarbeiter die Regeln zum Arbeits- und Gesundheitsschutz beachten. Dementsprechend regelt § 13 des Arbeitsschutzgesetzes einige für die Einhaltung der jeweiligen arbeitsschutzrechtlichen Pflichten verantwortliche Personen: Dies können beispielsweise die vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person – Vorstand oder Geschäftsführung – oder sonstige mit dem Arbeitsschutz betraute Personen sein. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung trägt der Arbeitgeber immer die Gesamtverantwortung für die Einhaltung des Arbeitsschutzes.
3. Welche Haftungsrisiken drohen im Zusammenhang mit Corona?
Auch jenseits der Corona-Pandemie gilt: Werden Vorgaben zum Arbeitsschutz missachtet, drohen erhebliche Haftungsrisiken! Das Haftungsrisiko potenziert sich jedoch, wenn Arbeitnehmer tatsächlich an Corona erkranken.
Zunächst sind in den Vorschriften des öffentlichen Rechts einige Bußgeldregelungen enthalten. Sie knüpfen - allgemein gesprochen - an die Einhaltung derjenigen Maßnahmen an, mit denen das Infektionsrisiko für Beschäftigte gesenkt und auf niedrigem Niveau gehalten werden soll. Die vom Gesetzgeber geschaffenen Ordnungswidrigkeitsvorschriften sind vielfältig und sehen Bußgelder von bis zu 25.000 Euro vor. Ihnen gemeinsam ist jedoch, dass eine Haftung für den Arbeitgeber immer dann droht, wenn er kein Arbeitsschutzkonzept entwickelt, ein solches nur mangelhaft in die Praxis umsetzt oder unzureichend überwacht!
Darüber hinaus besteht auch aus zivilrechtlichen Gesichtspunkten ein Haftungsrisiko für den Arbeitgeber. Denn erkrankt oder verstirbt ein Arbeitnehmer wegen des Corona-Virus nach einer Tätigkeit im Betrieb, kann er oder seine Hinterbliebenen das Unternehmen unter Umständen zur Verantwortung ziehen. Zu ersetzen sind dann etwa Heilbehandlungs- und Therapiekosten, Verdienstausfälle und Unterhaltsschäden der Hinterbliebenen.
Zwar haftet der Arbeitgeber im Fall von Arbeitsunfällen grundsätzlich nicht, da insoweit die Berufsunfallversicherung einspringt. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Personenschaden vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Vorsatz kann bereits dann im Raum stehen, wenn der Arbeitgeberbetrieb keinerlei Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Beschäftigten geschaffen hat.
Wichtig: Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) steht auf dem rechtlichen Standpunkt, dass es sich bei Infektionen mit Corona am Arbeitsplatz nicht um einen Arbeitsunfall handelt! Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Personenschadens, sondern auch bei fahrlässiger Verursachung der Infektion mit einer Haftung zu rechnen haben. Denn die oben erwähnte Haftungsprivilegierung greift dann nicht ein!
4. Handlungsempfehlungen zur Arbeitssicherheit
Arbeitgebern ist dringend zu empfehlen ein Arbeitsschutz- und Hygienekonzept zu entwickeln, zu implementieren und dessen Einhaltung zu kontrollieren. Oberstes Ziel der Maßnahmen muss sein, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu sichern! Um dieses Konzept rechtssicher zu gestalten, müssen die Vorgaben des BMAS und der einschlägigen Gesetze berücksichtigt und eingehalten werden.
In technischer Hinsicht sollten beispielsweise folgende Aspekte geprüft werden:
- Sind die Arbeitsplätze so gestaltet, dass ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann?
- Besteht die Möglichkeit die Räumlichkeiten regelmäßig und ausreichend zu lüften?
- Können Home-Office-Regelungen praktikabel umgesetzt werden?
In personenbezogener Hinsicht ist unter anderem an folgende Punkte zu denken:
- Können Arbeitsmittel und Werkzeuge personenbezogen verwendet werden?
- Wie können Pausenregelungen getroffen werden, bei denen der Personenkontakt gering bleibt?
- Ist ein Mund-Nasen-Schutz verpflichtend einzuführen?
- Gibt es besonders gefährdete Personengruppen, die besondere Schutzmaßnahmen bedürfen?
Bei Fragen zum Thema Gefährdungsbeurteilung, Gesundheitsschutz und Haftung des Arbeitgebers, nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!
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