Hartz IV - Entscheidung des BVerfG : Ende der Deckungslücke für privat versicherte ALG II - Bezieher
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Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst in der heutigen Entscheidung vom 09.02.2010 die SGB II - Regelsätze für verfassungswidrig erklärt . Die Verfassungswidrigkeit beruhe auf der widersprüchlichen, teilweise willkürlichen und ohne empirische Grundlage vorgenommen Handhabung eines verfassungsrechtlich durchaus zulässigen Statistikmodells. Die Höhe der Regelsätze könnte nicht als evident unvertretbar angesehen werden.
Neben dieser, von der Politik durchaus erwarteten Einschätzung, hat das Gericht jedoch für einen weiteren Personenkreis eine Entscheidung getroffen, die es hinsichtlich der Kinderregelsätze nicht für nötig hielt.
Hier liegt die eigentliche Sensation der Entscheidung. Mit der Verkündung verpflichtete das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung, den Bund, d.h. letztlich die ARGE, die Kosten für einen unabweisbaren, laufenden Bedarf, der zum Existenzminimum gehört, d.h. auch z.B. eine am Katalog der GKV orientierte Krankenversicherung, zu übernehmen.
In der Entscheidung bestätigt das BVerfG, dass die Gesundheit zum Existenzminimum gehört. Es hat damit auch die Entscheidung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen welches der Benachteiligung zahlreicher privat versicherter Hartz IV - Empfänger zumindest für das Land Niedersachsen ein vorläufiges Ende gesetzt hatte, bestätigt. Es hielt die Beitragslücke von 178,53 Euro, welche eine Bremerin aus ihrem Regelsatz von 359 Euro tragen mußte, für verfassungswidrig (Beschluss vom 3 Dez 2009, Az.: L 15 AS 1048/09 B ER) und hat einer Betroffenen unter Nichtanwendung der umstrittenen gesetzlichen Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen die Übernahme der vollen Beiträge zugesprochen.
Diese Anordnung wirkt faktisch bis zur Neuregelung wie eine ab heute in Kraft getretene SGB II - Norm. Davon betroffen sind vor allem privat versicherte Hartz IV-Bezieher, die unter der bekannten Deckungslücke leiden, für die sich niemand zuständig hält oder z.B. chronisch Kranke mit hohen, laufenden Aufwendungen. Damit erübrigen sich ab heute Konstruktionen, die über eine Analogie zu den Regelungen freiwillig gesetzlich Versicherter einen Anspruch herleiten wollen.
Hintergrund ist, daß nach dem neuen § 5 Abs. 5 a SGB V, der bereits in den Gesetzesberatungen 2007 zum Gesundheitsreformgesetz Gegenstand heftigen Streits war, dieser Personenkreis seit dem 1. Januar 2009 nicht mehr, wie die meisten Hartz IV -Leistungsempfänger, gesetzlich krankenversichert ist. Es ist gesetzlich angedacht, daß er in den neuen Basistarif gem. § 14 VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) wechselt. Dieser kostet in der Regel den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung, z.Zt. ca. 570 Euro. Nach dieser Vorschrift wird für Hartz IV - Bezieher dieser zwangsweise zu Lasten der PKV halbiert. Die Jobcenter und ARGEn tragen jedoch nur den Höchstbetrag für SGB II - Bezieher von z.Zt. 129,54 Euro. Es verbleibt eine Lücke von 155 Euro zzgl. Pflegeversicherung für die niemand zuständig ist und vom Regelsatz von derzeit 359 Euro zu zahlen ist. Hier wurde dieser Personenkreis einfach sehenden Auges ihrem Schicksal, d.h. der Zwangsvollstreckung der privaten Krankenversicherer überlassen.
Mit der heutigen Entscheidung können die Grundsicherungsträger nicht mehr argumentieren, es gebe keine gesetzliche Anspruchsgrundlage. Hier kommen erhebliche Lasten auf die Träger zu.
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