Immobilienverkehr in Bosnien und Herzegowina

  • 7 Minuten Lesezeit

1. Rechtssicherheit beim Immobilienverkehr

Die Rechtssicherheit beim Immobilienverkehr in Bosnien und Herzegowina wird durch eine Reihe von Handlungen in gesetzlich vorgeschriebener Form und im Verfahren der Ausfertigung (der notariellen Beurkundung) von Urkunden seitens des Notars gewährleistet.

In erster Linie ist der Notar dazu verpflichtet, auf verlässliche Art und Weise die Identität der Parteien und ihre Bevollmächtigung festzustellen. Wenn er sie persönlich und namentlich nicht kennt, wird der Notar die Identität der Parteien durch die Vorlage des Personalausweises, des Passes oder eines anderen persönlichen Ausweises mit Lichtbild feststellen. Falls dies nicht möglich ist, muss ihre Identität durch einen anderen Notar oder von zwei Zeugen bezeugt werden. Bei juristischen Personen nimmt der Notar die Einsicht in das öffentliche Register oder in den Auszug aus diesem Register. Der Notar misst diesem sehr wichtigen Segment seine volle Aufmerksamkeit bei, indem er alle Maßnahmen ergreift und Handlungen vornimmt, um die Veräußerung von Immobilien von befugten Personen durchzuführen, die im Grundbuch als Träger von Sachenrechten registriert sind.

Neben der Identifizierung und Bevollmächtigung von Parteien erfolgt seitens des Notars auch die Identifikation der Immobilie, der darauf bestehenden Rechte und der Träger dieser Rechte, und zwar durch die Einsicht in die Grundbuchauszüge oder direkt in das Grundbuch, in welchem Immobilien, Sachenrechte, Träger dieser Rechte, Lasten und Beschränkungen eingetragen werden. Auf diese Art und Weise wird verhindert, dass nicht bevollmächtigte Personen die Veräußerung einleiten oder dass etwas veräußert wird, was nicht eingetragen ist oder unter Lasten (z.B. einer Hypothek) oder einer anderen Beschränkung steht. Gemäß dem Grundsatz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, gelten alle Einträge im Grundbuch als bestehend, so dass der gutgläubige Erwerber keinen Schaden davontragen kann.

Alle Immobilien, Sachenrechte an Immobilien und deren Träger werden unabdingbar in das Grundbuch eingetragen und werden erst mit der Eintragung gültig. Die Grundbuchgesetze in Bosnien- Herzegowina haben folgende Grundsätze aufgenommen: den Eintragungsgrundsatz bei Rechtsgeschäften mit Immobilien, das Einsichtsrecht und den öffentlichen Glauben des Grundbuchs. Aus diesem Grund überprüft der Notar keine vorherigen Eintragungen, sondern er kontrolliert, während der Vorbereitung der Urkunde über das Rechtsgeschäft, ob die Immobilie im Grundbuch eingetragen ist bzw. er führt die Identifikation der Immobilie durch und trägt diese, entsprechend den Eintragungen im Grundbuch, in die Urkunde ein.

Dann überprüft der Notar, ob die Person, die ein Geschäft mit einem der Sachenrechte an der Immobilie macht, im Grundbuch als Träger dieses Rechts eingetragen ist und ob Beschränkungen oder Lasten verzeichnet sind, er überprüft auch, ob ein Sachenrecht zum Gegenstand des ehelichen oder außerehelichen Vermögens werden kann, ob Beschränkungen öffentlich-rechtlicher Natur bestehen und er belehrt die Vertragsparteien und warnt sie diesbezüglich. Dies alles gewährleistet, dass der Erwerber der Immobilie im Grundbuch als neuer Erwerber verzeichnet wird bzw. dass er ein bestimmtes Sachenrecht an der Immobilie erwirbt. Um das Rechtsgeschäft aus der verfassten Urkunde durchführen zu können, ist der Notar bevollmächtigt, den Antrag für die Eintragung zu stellen und die Parteien beim Verfahren der Grundbucheintragung zu vertreten.

Der Notar ist eine unabhängige und fachliche Person mit öffentlichem Amt, die das Interesse beider Vertragsparteien vertreten und gewährleisten muss, dass die aus dem abgeschlossenen Vertrag übernommenen Verpflichtungen auch erfüllt werden. Damit wird Rechtssicherheit gewährleistet und eventuelle Rechtsstreitfälle vermieden.

Neben der vorhin genannten Sicherheit, die vom Notar bei Geschäften und dem Erwerb von Sachenrechten an Immobilien gewährleistet wird (sog. Sicherung des Käufers des Sachenrechts an der Immobilie), spielen die Notare in der Rechtsordnung von Bosnien und Herzegowina auch eine große Rolle bei der Erfüllung der Gegenleistung bei zweiseitigen Rechtsgeschäften, in den häufigsten Fällen bei vereinbarter Geldleistung – einem Kaufpreis (sog. Sicherung des Veräußerers – des Verkäufers des Sachenrechts an der Immobilie). Der Preis ist ein wichtiges Element des Kaufvertrags, der ein zweiseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft darstellt. Die Hauptverpflichtung des Verkäufers ist die Übereignung des Sachenrechts und die Hauptverpflichtung des Käufers ist die Zahlung des Kaufpreises.

Der Immobilienrechtsverkehr ist dem Wesen nach ein sehr komplexes Geschäft und erfordert die Beteiligung von Rechtsexperten, die mit zahlreichen, im Bereich des Immobilienrechtsverkehrs relevanten Vorschriften vertraut sind. Folglich ist es für die Ausfertigung von Urkunden über Rechtsgeschäfte beim Immobilienverkehr erforderlich, geltende Vorschriften, die angewandt werden, zu kennen, bzw. die ausführende Person (der Notar) muss eine weitreichende praktische und fachliche Erfahrung in diesem Bereich haben. Es ist häufig unmöglich, die Parteien gleichzeitig zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Vertrag zu bringen, weil vorher viele Aufgaben zu erledigen sind (Einholung von Genehmigungen, Löschung von Lasten, Finanzierung des Kaufpreises mittels eines Kredits u.Ä.), so dass die Notare in Bosnien und Herzegowina eine Reihe vom Handlungen unternehmen, um zu sichern, dass keine der Vertragsparteien benachteiligt wird beziehungsweise dass keine der Parteien ihre Leistung ganz oder teilweise ohne eine entsprechende Gegenleistung bringt.

Die Notare haben die Verpflichtung, die Interessen aller Parteien gleichberechtigt zu vertreten, um ein entsprechendes Gleichgewicht zwischen ihren Interessen zu erreichen. Diese Sicherung kann nur durch einen qualitativ gut ausgearbeiteten Vertrag seitens des Notars erreicht werden, im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren für notarielle Beurkundungen. Die Besonderheit der notariellen Beurkundung beim Immobilienverkehr besteht auch darin, dass der moderne Immobilienverkehr seinem Wesen nach sehr komplex ist und mehrere Handlungen in verschiedenen Zeiträumen erforderlich macht. Demnach muss in dem verfassten Vertrag auch die Dynamik dieser Handlungen vorgesehen werden. Zum Beispiel, für den Kauf einer Wohnung muss ein Kredit aufgenommen, die Forderungen des Kreditgebers erfüllt, eine sichere Zahlungsart gewährleistet und die Übereignung vom Verkäufer an den Käufer vollzogen werden. In einer anderen häufigen Situation verkauft der Verkäufer seine Wohnung, um eine andere kaufen zu können, so dass ein Zeitraum für den Umzug und den Kauf der anderen Wohnung eingeplant werden muss, schließlich müssen alle steuerrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kauf der Wohnung usw. geklärt werden.

Handlungen und Instrumente, die den Notaren hinsichtlich der Auszahlung und der Finanzierung des Kaufpreises zur Verfügung stehen, sind verschiedenartig und sehr effektiv. Sie ermöglichen den Notaren, im Auftrag und mit Bevollmächtigung der Parteien, die Dynamik der Pflichterfüllung zu bestimmen und zu vollziehen, unter allen entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für alle Vertragsparteien.

So schützt sich der Käufer, indem er Anwartschaftsrechtsbedingungen erhebt, wie z.B.: Eintragung von Eigentumsvormerkungen, Vermerkungen, Einholung der Löschungsbewilligung für ein Pfandrecht an der vertragsgegenständlichen Immobilie, Kaufpreisauszahlung auf das Notaranderkonto und Auszahlung an den Verkäufer, wenn die Vormerkung oder die Übereignung eingetragen ist, usw. Der Verkäufer schützt sich, indem er Bedingungen für die Eintragung des Eigentumsvorbehalts und die Kaufpreisforderung vereinbart: durch die Eintragung der clausula intabulandi in einer gesonderten Urkunde oder in derselben Urkunde bzw. im Vertrag, durch die Bevollmächtigung des Notars, von dieser erst bei Kaufpreiszahlung oder der Zusicherung der Kaufpreiszahlung Gebrauch zu machen, weiterhin indem er die Kaufsumme auf dem Notaranderkonto deponiert und bei Teilratenzahlung des Kaufpreises – indem er den Käufer der unmittelbaren Zwangsvollstreckung am gesamten Vermögen usw. unterwirft.

Die oben genannte Rolle des Notars bei der Kaufpreiszahlung, als einer Gegenleistung für die Übereignung, sichert eine schnelle und effektive moderne Geschäftsführung, vor allem in Hinsicht auf die Bankkredite. Erzielt werden Wirtschaftlichkeit, Rechtssicherheit und ein wirkungsvoller Schutz der Verbraucher beim Immobilienverkehr. Der Notar leitet die komplette Transaktion mit der Identifikation der Parteien ein, mit der Einsicht in das Grundbuch, der Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Situation und mit der Beratung der Vertragsparteien über die Rechtswirkungen der beabsichtigten Willenserklärungen. Danach verfasst der Notar, im vorgeschriebenen Verfahren, eine Urkunde, in welcher verschiedene Instrumente und Sicherheitsvorkehrungen zwecks Erfüllung der Vertragsverpflichtungen vereinbart werden, er verfolgt die Dynamik der Pflichterfüllung und realisiert zum Schluss das Rechtsgeschäft mit einer Eintragung in das Grundbuch (Übergabe des Sachenrechts) und der Erbringung der Gegenleistung (Kaupreiszahlung oder eine andere Gegenleistung).

Die vorhin genannte Sicherheit beim Immobilienverkehr wurde durch die gesetzliche Möglichkeit (Art. 90 des Notargesetzes der Föderation von Bosnien und Herzegowina) erhöht, dass alle Urkunden, die vom Notar verfasst wurden, unter bestimmten Umständen auch vollstreckbare Urkunden sein sollen, gleichgesetzt mit allen anderen Vollstreckungsbescheiden (rechtswirksame gerichtliche Beschlüsse usw.). Das bezieht sich insbesondere auf die Hypotheken, die vollstreckbar sind, wenn der Pfandschuldner der Vollstreckung unterzogen wird. Diese werden als solche in das Grundbuch eingetragen und ohne Eingreifen des Streitgerichts vollstreckt.

1 b). Entlastung der Justiz

Eine der Empfehlungen für Transformationsländer, zu welchen auch Bosnien und Herzegowina gehört, ist es, Gerichte vor allem bei außergerichtlichen unbestrittenen Fällen zu entlasten, was unter anderem auch mit der Einführung des Notariats in das Rechtssystem effektiv erreicht werden kann. Mit dem Notaramt in Bosnien und Herzegowina wurde in großem Maße das vorhin genannte Ziel erreicht und zwar indirekt durch die Vermeidung von Rechtsstreitfällen auf Grund von notariellen Beurkundungen im Bereich des Immobilienverkehrs, durch die schnelle und allumfassende Grundbucheintragung aller Immobilien und Sachrechte an Immobilien und durch die Übertragung von bestimmten Zuständigkeiten im Bereich der außergerichtlichen Gerichtsbarkeit an die Notare.

Die Übertragung von anderen außergerichtlichen Geschäften auf das Notaramt wurde schon durch gesetzliche und andere Aktivitäten eingeleitet, z.B. bei unbestrittenen Nachlassverfahren.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Azur Prnjavorac

Beiträge zum Thema