Inkassofirma muss € 4.000,00 Schmerzensgeld wegen rechtswidriger Schufa-Einmeldung zahlen! Art.82 DS-GVO

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Neuer Erfolg der Kanzlei Patrick de Backer vor dem Landgericht Magdeburg (9 O 1571/20)

Grosse Inkasso-Firma wurde verurteilt, € 4.000,00 immaterielle Entschädigung (Schmerzensgeld) nach Art. 82 Abs.I DS-GVO für eine unberechtigte Schufa-Einmeldung zu zahlen!

I. Der Sachverhalt

Mit Urteil vom 24.05.2022 konnte die Kanzlei Patrick de Backer wieder eine aufsehenerregende gerichtliche Entscheidung erwirken: Eine Inkasso Firma hatte unseren Mandanten am 20.10.2018 bei der SCHUFA mit einer bereits seit Jahren getilgten (!) titulierten Forderung eingemeldet. Von der Schufa- Einmeldung erfuhr der Mandant erst im November 2019, als eine Immobilien-Finanzierung wegen des negativen Schufa Eintrages nicht realisiert werden konnte.  

Das Inkasso-Unternehmen weigerte sich zunächst, die Einmeldung bei der Schufa zu widerrufen, mit dem Argument, dass titulierte Forderungen gemäß § 31 Abs.2 Nr.1 BDSG "immer" bei der Schufa eingemeldet werden dürften. Dies ist natürlich in dieser Allgemeinheit falsch. Die Kanzlei de Backer schrieb dann auch die SCHUFA an und verlangte auch dort die Löschung. Die Schufa löschte sodann (Anfang 2020). Allerdings war die Angelegenheit für den Mandanten damit nicht erledigt, schließlich fand er, dass seine "Kreditehre" durch den unberechtigten Schufa Eintrag verletzt worden sei, er habe sich vor seiner Hausbank blamiert.  Er beauftragte uns deshalb Anfang 2020 Klage wegen einer immateriellen Entschädigung (=Schmerzensgeld) zu erheben.   Aufgrund der bevorstehenden Pensionierung des zunächst zuständigen Richters und dann Richterwechsel zog sich der Prozess leider in die Länge.

II. Die Urteilsbegründung

Das Landgericht Magdeburg urteilte am 24.05.2022 wie folgt (in Kursivschrift wiedergegeben) und folgte dabei weitestgehend, teilweise wörtlich(!)  der Argumentation der Rechtsanwälte de Backer:

"Die Datenübermittlung war auf der Grundlage  von Art.6 Abs.1 DS-GVO , der die Rechtmäßigkeit von Datenverarbeitungen bestimmt, rechtswidrig. Die Beklagte stand hierbei in der Rolle der Verantwortlichen, Art. 4 Nr.7 DS-GVO. Insbesondere liegt die Voraussetzungen des Art.6 Abs.1 S.1 f) DS-GVO nicht vor. Rechtlich richtet sich die Befugnis, Daten von Schuldnern an Auskunfteien zu übermitteln, nach Art. 6 Abs.1 Satz f und Abs.4 DS-GVO. Erforderlich ist danach die Wahrnehmung eines berechtigten Interesses. Zusätzlich ist eine Abwägung vorzunehmen, ob die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person die Interessen des Datenverwenders im Einzelfall überwiegen. (LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020, Az.: 9 O 145/19.  (Das Urteil des  LG Lüneburg wurde ebenfalls von der Kanzlei Patrick de Backer erwirkt!). Bei einer Einmeldung einer bereits getilgten Forderung ist das Interesse des Einmelders regelmäßig auf Null reduziert. Das Versehen hatte die Beklagte auch unstreitig zu vertreten, § 276 Abs.2 BGB. Die Beklagte hätte bei der gebotenen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass die Forderung nicht mehr existent war."

"Der Kläger hat auch einen nach Art. 82 Abs.1 DS-GVO ersatzfähigen Schäden erlitten. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch für immaterielle Schäden nach Art. 82 Abs.1, 2 DS-GVO ist eine benennbare und tatsächliche Persönlichkeitsverletzung. Die in der bisherigen deutschen Rechtsprechung für Schmerzensgeld geforderte Voraussetzung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung verträgt sich hingegen nicht mit Art. 82 Abs.1, 2 DS-GVO, sie ist weder vorgesehen noch von dessen Ziel und Entstehungsgeschichte gedeckt."

"Ein immaterieller Schaden als Ausdruck der Persönlichkeitsverletzung des Klägers liegt hier des Weiteren in dem Verlust der Kontrolle über seine personenbezogenen Daten. Durch die Übermittlung der Daten an die Schufa hat die Beklagte personenbezogene Daten an einen unbeteiligten und unberechtigten Dritten weitergegeben. Dadurch wird der Kläger bloßgestellt und es droht zudem mittelbar eine potenzielle Stigmatisierung, die durch den Eintrag bei der Schufa entstehen kann (LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020, a.a.O). Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nebstdem davon auszugehen, dass die negative Ersteinmeldung der Beklagten an die Schufa Holding AG in den dort ermittelten Scorewert eingeflossen ist. Diesem Wert wird im Wirtschaftsleben offenkundig eine große Bedeutung zuteil, da "finanzieller Ruf und monetäres Ansehen" mit ihm stehen und fallen."

III. Was ist das Besondere an diesem Urteil des Landgerichts Magdeburg?

Das Besondere an dem Urteil ist die Höhe der zugesprochenen immateriellen Entschädigung und die Tatsache, dass der "bloße Verlust der Datenkontrolle" für eine Entschädigung ausgereicht hat.

Ich habe schon einige Richter erlebt, die -etwas vorwurfsvoll- zu mir sagten: 

"Herr Rechtsanwalt, wollen Sie wirklich für Ihren Mandanten einige tausend Euro Schmerzensgeld "nur" für einen Datenschutzverstoß? Ich spreche bei einem Bruch des Armes € 800,00 Schmerzensgeld zu; dann muss es "natürlich" bei einem Datenschutzverstoß deutlich weniger sein".

Ich erwidere dann darauf -regelmäßig- wie folgt: Ja, genau Herr Richter, dies ist ja des Pudels Kern und hier liegt ja auch schon das erste Problem,  nämlich dass die deutschen Gerichte bei Körperverletzungen (auch bei psychischen Schäden) viel zu geringe Entschädigungssummen/Schmerzensgeldbeträge ausurteilen. Was sind denn schon € 800,00 bei wochenlangen Schmerzen -bei einem gebrochenen Arm- und Beeinträchtigungen der allgemeinen Lebensqualität? (Bei Verlust eines Beines erhält ein Rentner etwa € 80.000,00 Schmerzensgeld).        Die Summen müssten zehn Mal so hoch sein! Und Zweitens: Beachten (lesen) Sie bitte den Erwägungsgrund 146 S. 6 der DS-GVO: Da wird ausdrücklich vom Gesetzgeber verlangt, den immateriellen Schaden "umfassend" zu ersetzen, er soll auch -so ausdrücklich- abschreckend wirken! 

Ich kann mir die bislang eher zurückhaltende Rechtsprechung (mit Ausnahme des BAG!) nur damit erklären, dass, als das BGB am 1.01.1900 in Kraft trat, der Schutz von Eigentum höher bewertet wurde als die körperliche Unversehrtheit. Psychische Schäden werden vor der Rechtsprechung auch erst seit etwa 30- 40 Jahren überhaupt als möglicher Schaden "wahrgenommen". Bei der DS-GVO kommt jetzt hinzu, dass es eigentlich ein europäisches Gesetz ist und Art. 82 DS-GVO auch eine Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion hat, somit eine Art Punitionscharakter, dies gab es schon immer im angelsächsischen Recht, dem deutschen Recht ist dies jedoch fremd. Es ist deshalb erfreulich, dass das Landgericht Magdeburg die Norm des Art. 82 DS-GVO richtig angewandt hat. Es bleibt nun abzuwarten, ob das Inkasso Unternehmen in Berufung geht. Das Inkasso Unternehmen (=deren Rechtsanwalt) hat schon gesagt, dass es sich in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sieht, wenn es bei zukünftigen Datenschutzverstössen "so hohe Entschädigungssummen" zahlen muss. Ich bin aber sehr zuversichtlich, auch in der Berufungsinstanz zu obsiegen.  

Darüber hinaus überlege ich derzeit mit dem Mandanten, auch den tatsächlichen, konkreten materiellen  Schaden noch geltend zu machen, schließlich ist der Immobilienkauf Ende 2019 alleine wegen des Schufa Eintrages nicht zustande gekommen und die Immobilienpreise sowie die Finanzierungszinsen sind seitdem gestiegen... 

Die ausgeurteilten € 4.000,00 (nebst 5 % Zinsen über dem Basis-Zinssatz) hat der Mandant "nur" für die Schädigung seiner Kreditehre bekommen; eines abstrakten Schadens.

Der unberechtigte Schufa bestand dabei ca. 4 Wochen.

(Persönlich bin ich der Meinung, dass € 1.000,00 pro Woche ein gute Faustformel für eine immaterielle Entschädigung wäre. Bei besonders schlimmen Beeinträchtigungen oder Bloßstellungen natürlich auch mehr).

IV. Was ist für die Zukunft hinsichtlich Art. 82 DS-GVO zu erwarten?

Ich gehe davon aus, dass die Rechtsprechung zu Art. 82 DS-GVO immer mehr von dem "weiten" Schadensbegriff ausgehen wird und dies begrüsse ich sehr. Ich möchte keine amerikanischen Verhältnisse,  aber ich finde, dass unsere Gesellschaft immer digitaler wird und man sich effektiv wehren können muss, wenn Daten falsch/rechtswidrig  gespeichert werden. Es muss auch angemessen hohe Entschädigungen geben, wenn man zu Unrecht an den "elektronischen Pranger" (negativer Schufa Eintrag) gestellt wird.  Sie werden nicht glauben, über welche Einzelschicksale ich berichten könnte...

Ich habe in den letzten Wochen verschiedene andere Prozesse gegen "Schufa-Einmelder" geführt, in denen ich mich auf Entschädigungssummen in ähnlichen Größenordnungen verglichen habe; ich darf aber darüber -leider- nicht detailliert berichten, weil die betroffenen Unternehmen sonst befürchten, dass es Nachahmer gibt. Es wurde dann eine sogenannte Verschwiegenheitsverpflichtung vereinbart.  

Vor dem Arbeitsgericht Ulm (hier darf ich berichten) habe ich eine Entschädigung nach Art. 82 DS-GVO in Höhe von € 8.000,00 wegen eines Datenschutzverstoßes (Einblick nur in das Deckblatt der elektronischen Krankenakte) durchsetzen können.

Lieber gleich zum Spezialisten, denn...... guter Rat zahlt sich aus!

Rechtsanwalt Patrick de Backer

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

www.anwalt-gegen-schufa.de

Kontaktaufnahme am besten per E-Mail: 

anwalt@de-backer.de 


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