Ist der Urlaubsanspruch zum Jahresende verfallen? – Mitwirkungsobliegenheit von ArbeitgeberInnen

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Nicht nur zum Jahreswechsel stellt sich vielen die Frage, wie mit Resturlaubsansprüchen umzugehen ist bzw. ob noch vorhandene Urlaubsansprüche mit Ablauf des 31.12. gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 Bundesurlaubsgesetz („BurlG“) verfallen sind. Da der Urlaubsanspruch grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss, kann dieser nicht auf das nächste Jahr übertragen werden und verfällt mit Jahresende. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht („BAG“) klargestellt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub nur noch dann zum Jahreswechsel verfällt, wenn ArbeitgeberInnen ihren Mitwirkungsobliegenheiten ausreichend nachgekommen sind und die betroffenen ArbeitnehmerInnen den Urlaub dennoch nicht bis zum Jahresende genommen haben [vgl. BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 423/16].

„Mitwirkungsobliegenheit“ - Bedeutung für ArbeitgeberInnen in der Praxis?  

ArbeitgeberInnen müssen „konkret und in völliger Transparenz“ dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden  in der Lage sind, den Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen. ArbeitgeberInnen sollten daher ihre ArbeitnehmerInnen – idealerweise sogar förmlich – dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen. Hierbei sollte den ArbeitnehmerInnen klar und rechtzeitig mitgeteilt werden, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht genommen wird [vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]. Das BAG stellt dabei konkrete Anforderungen an die Mitwirkungspflicht von ArbeitgeberInnen:

ArbeitgeberInnen müssen ihre Mitarbeitenden – am besten zum Jahresbeginn – in Textform darüber informieren, wie viele Urlaubstage diesen in dem jeweiligen Kalenderjahr zustehen. Diese arbeitgeberseitige Initiativlast  ist nach Auffassung des Landesarbeitsgericht („LAG“) Köln nicht nur auf den Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich auch auf den Resturlaubsanspruch aus vorangegangenen Jahren [vgl. LAG Köln, Urt. v. 09.04.2019 – 4 Sa 242/18].

Ferner müssen ArbeitgeberInnen dazu auffordern, den Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann. ArbeitnehmerInnen müssen zudem darüber belehrt werden, dass der Urlaub grundsätzlich am Jahresende verfällt, wenn sie den Urlaub im Kalenderjahr hätten nehmen können, ihn aber aus freien Stücken und unter Inkaufnahme der Konsequenzen nicht genommen haben.

Nur wenn ArbeitgeberInnen diese Mitwirkungsobliegenheit erfüllt haben, kann ein Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums noch verfallen.

Gilt das auch für den (tarif-)vertraglichen Mehrurlaub? 

Hinsichtlich eines (tarif-) vertraglichen Mehrurlaubs ist grundsätzlich von einem Gleichlauf auszugehen. Damit gilt für einen etwaigen tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Mehrurlaub dieselbe arbeitgeberseitige Initiativlast wie für den gesetzlichen Urlaubsanspruch – sofern es keine anderslautende Vereinbarung gibt. 

Achtung: Nach Auffassung des BAG müssen ArbeitgeberInnen selbst während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens ihre Mitwirkungsobliegenheit erfüllen [vgl. BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 321/16].

Was gilt hinsichtlich des Zusatzurlaubs aufgrund einer Schwerbehinderung?  

Der Zusatzurlaubsanspruch für eine Schwerbehinderung teilt grundsätzlich das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs [vgl. BAG Urt. v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16]. Auf diesen Zusatzurlaub sind damit gleichermaßen die Regelungen bzgl. Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden.

Folglich verfällt der Zusatzurlaub nach § 208 Sozialgesetzbuch („SGB“) IX zum Jahresende auch nur dann, wenn ArbeitgeberInnen ihre Mitwirkungsobliegenheiten nach oben genannten Maßgaben erfüllt haben. 

Allerdings können ArbeitgeberInnen nur über die Konsequenzen bei Nichtinanspruchnahme des Zusatzurlaubs informieren, soweit über eine Schwerbehinderung positive Kenntnis besteht. Im November 2021 hat das BAG hierzu entschieden, dass ArbeitgeberInnen, die keinerlei Kenntnis von einer etwaigen Schwerbehinderung haben, nicht dazu verpflichtet sind, rein vorsorglich auf den Zusatzurlaub des § 208 SGB IX hinzuweisen. Solange ArbeitgeberInnen nicht wissen, dass der/der ArbeitnehmerIn ein Mensch mit Schwerbehinderung ist, braucht der Zusatzurlaub daher nicht angeboten werden. Eine prophylaktische Hinweispflicht ohne weitere Anhaltspunkte besteht somit nach Auffassung des Gerichts nicht [vgl. BAG, Urt. v. 30.11.2021, 9 AZR 143/21]. ArbeitgeberInnen sind dementsprechend nicht dazu verpflichtet, über alle möglichen Eventualitäten – rein vorsorglich – zu informieren. 

Ist der/die Ar­beit­ge­berIn nicht über eine Schwe­be­hin­de­rung in­for­miert worden, verfällt der An­spruch auf Zu­satz­ur­laub trotz einer feh­len­den Unterrichtung zum Jahresende. Sollten ArbeitgeberInnen aber positive Kenntnis von einer Schwerbehinderung haben, gelten freilich die gleichen Obliegenheiten wie bei dem gesetzlichen Urlaubsanspruch.

Was tun, wenn ArbeitgeberInnen noch nicht über den Verfall des Urlaubs unterrichtet haben?

Sollten ArbeitgeberInnen den Anforderungen an ihre Mitwirkungsobliegenheiten bisher noch nicht nachgekommen sein, so empfiehlt sich, die Unterrichtung so bald wie möglich nachzuholen, da das BAG grundsätzlich eine Unterrichtung zu Jahresbeginn wünscht. Hier gilt aus Arbeitgebersicht: besser spät, als nie. 

Ein kostenloses Musterschreiben zur Unterrichtung Ihrer Mitarbeitenden finden Sie auf unserer Homepage: 

https://arnold-arbeitsrecht.de/verfall-von-urlaubsanspruchen-reichweite-der-mitwirkungsobliegenheit-von-arbeitgeberinnen-inklusive-kostenloses-musterschreiben/



Foto(s): Charlotte Arnold

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