Kann der Arbeitgeber trotz fristloser Kündigung noch vorsorglich Urlaub gewähren?

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Welches Gericht hat sich jüngst mit der Rechtsfrage beschäftigt?

Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 25.8.2020 – 9 AZR 612/19)


Was ist passiert? 

Der Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 30.11.2017 gekündigt. Dem Arbeitnehmer standen noch Urlaubstage zu.

In dem Kündigungsschreiben erklärte der Arbeitgeber neben der Beendigung zwei wesentliche Umstände:

  1. dass er im Falle der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung für den verbleibenden Resturlaub in Höhe von 1338,88 Euro gewährleistet  

  2. dass wenn die fristlose Kündigung unwirksam wäre und nur die fristgerechte Kündigung zum 30.11.2017 wirksam ist, sollte der Arbeitnehmer für einen vom Arbeitgeber in dem Schreiben festgelegten Zeitraum bis zum Beendigungsdatum Urlaub gewährt erhalten. Die Urlaubsabgeltung (1338,88 Euro) sei dabei als Urlaubsgeld für diesen Zeitraum zu verstehen und dem Arbeitnehmer wird ausdrücklich die vorbehaltlose Urlaubsvergütung während des Urlaubes versichert.

Der Arbeitnehmer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage und es kam zu einem Vergleich zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht. In dem Vergleich einigten sich die Parteien darauf, dass Arbeitsverhältnis nur durch die (hilfsweise erklärte) ordentliche und fristgerechte Kündigung mit Ablauf des 31.10.2017 beendet wurde. Die fristlose Kündigung war damit „vom Tisch“.


Was war nun das Problem? 

Der Arbeitnehmer war der Auffassung, dass ihm nun noch die Urlaubsabgeltung für den nicht genommenen Urlaub zusteht, da eine vorsorgliche Urlaubsgewährung für den Fall der Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung unzulässig sei.

Der Arbeitgeber war aber der Meinung, dass er mit dem Kündigungsschreiben wirksam Urlaub gewährt hat und der Resturlaubsanspruch damit aufgebraucht wurde.


Was sagt das Bundesarbeitsgericht?

Das BAG hat dem Arbeitgeber Recht gegeben. Der Arbeitgeber kann seinem Arbeitnehmer Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine der von ihm erklärten Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs gezahlt wird oder dessen Zahlung vorbehaltlos zugesagt wird.

Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung und besteht deshalb Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, steht dies nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht einer Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht entgegen. Die Realisierung des Urlaubszwecks hänge nicht davon ab, ob der Arbeitnehmer das Bestehen seiner Arbeitspflicht kennt. Maßgeblich sei, dass er durch die Urlaubserteilung die Gewissheit hat, während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen zu werden

Zwar hat der Arbeitgeber gem. § 7 I BurlG grundsätzlich die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, doch sei die zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber auch wirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers keine anderweitigen Urlaubswünsche äußert.

Auch stehe es der Urlaubsgewährung nicht entgegen, dass sich der Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend und arbeitslos melden musste und für Vermittlungsangebote habe bereithalten müssen. Das Bundesarbeitsgericht argumentiert dabei, dass der Arbeitgeber für die Einschränkungen in dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers nicht verantwortlich sei.


Unsere Empfehlung für Arbeitnehmer: 

Möchten Sie verhindern, dass der Arbeitgeber durch eine vorsorgliche Urlaubsgewährung Ihren Resturlaubsanspruch in der Zeit nach der (unwirksamen) fristlosen Kündigung „aufbrauchen“ kann, widersprechen Sie unverzüglich der Urlaubsgewährung und bitten Sie um Gewährung von Urlaub zu einem Zeitraum, der nach dem hilfsweisen Beendigungsdatum liegt. So erhalten Sie sich jedenfalls für den Fall, dass nur die ordentliche Kündigung wirksam ist, den wertvollen Urlaubsabgeltungsanspruch.


Unsere Empfehlung für Arbeitgeber: 

Grundsätzlich können Sie dem Arbeitnehmer seinen Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine der von Ihnen erklärten Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. So ersparen Sie sich eine ggf. teure Urlaubsabgeltung.

In dem Kündigungsschreiben sollte angegeben werden, dass das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubes gezahlt wird oder dessen Zahlung vorbehaltlos zugesagt wird.


Abdel-Hamid

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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