Kann ich Zinsen und Tilgung der Immobilienfinanzierung vom Unterhalt abziehen?

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Der sogenannte Wohnvorteil prägt das gesamte Unterhaltsrecht. Dieser geldwerte Vorteil erhöht das zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltspflichtigen, obwohl eine tatsächliche Einnahme gar nicht vorhanden ist. 

Daran schließt sich unweigerlich die Frage an, ob und in welchem Umfang neben den Zinsleistungen auch die Tilgungsleistungen der Immobilienfinanzierung einkommensmindernd berücksichtigt werden können. Dieser Fragestellung haben wir diesen Rechtstipp gewidmet. Anlass war ein Kurswechsel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, den ein Schuldner eines Unterhaltsanspruchs begrüßen durfte! 

1. Welches Einkommen ist für den Unterhalt relevant?

Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs spielt das Einkommen der Beteiligten eine wichtige Rolle. Für die Berechnung von Kindes- oder Ehegattenunterhalt kommt es deshalb entscheidend auf die Bemessung des sogenannten anrechenbaren Einkommens an.

Das anrechenbare Einkommen ist dabei nicht identisch mit dem steuerlichen Nettoeinkommen. Zwar werden in einem ersten Schritt sämtliche monatlichen Gesamteinnahmen zusammengerechnet, zu denen insbesondere auch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Kapital- oder Mieteinkünfte gehören. Allerdings werden auch solche Vorteile berücksichtigt, die dem Unterhaltsschuldner monatlich nicht in Geld zufließen. 

Gemeint ist damit beispielsweise das mietkostenfreie Wohnen! Dieser tatsächliche Nutzungsvorteil – der sogenannte Wohnwert – kann zu einer Anrechnung eines fiktiven Einkommens führen. 

Dies ist plausibel, denn durch das Wohnen im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung entfällt die Verpflichtung zur Mietzinszahlung. Durch diese Ersparnisse lebt der Eigentümer also günstiger als ein Mieter und kann deswegen seine Einkünfte für andere Zwecke einsetzen.

2. Wie wird der Wohnwert berechnet?

Die Frage, die sich in einem nächsten Schritt daran anschließt lautet, wie die Höhe dieses Gebrauchsvorteils im Einzelfall berechnet wird. In erster Annäherung stehen hierfür zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

Unter einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann die tatsächliche Marktmiete herangezogen werden. Diese Berechnungsmethode ist immer dann zugrunde zu legen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht selbst die Wohnvorteile genießt. Wird die Eigentumswohnung beispielsweise vermietet, sind diese Mieteinnahmen, wie oben bereits verdeutlicht, als monatliche Einkünfte zu berücksichtigen.

Setzt der Unterhaltsschuldner sein Eigentum am Markt nicht gewinnbringend ein, ist nun der Vorteil zu ermitteln, der ihm persönlich durch die Nutzung des Wohneigentums entsteht. Dies gestaltet sich insoweit als schwierig, als dass nun anhand seiner individuellen Verhältnisse die ersparte Miete herangezogen werden muss.

3. Berücksichtigung von Zins und Tilgung?

Wer sich eine Anrechnung des Wohnwertes auf das unterhaltsrechtliche Einkommen gefallen lassen muss, hat ein nachvollziehbares Interesse daran, dass die Kosten der Eigenheimfinanzierung spiegelbildlich abgezogen werden.

In der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof lediglich erlaubt, dass die durch den Eigentumserwerb entstandene Zinsbelastung von dem Wohnvorteil abgezogen werden darf. Immerhin müssen die Zinsen – wie sonst auch die Miete – aufgebracht werden, um die Wohnvorteile genießen zu können. 

Tilgungsleistungen sollten in der Vergangenheit jedoch außer Betracht bleiben, da der Unterhaltspflichtige damit in unzulässiger Weise Vermögen auf Kosten des Unterhaltsberechtigten bilde.

Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof einen Kurswechsel eingeläutet: Nach seiner neuesten Rechtsprechung sind auf einen vorhandenen Wohnvorteil sowohl die Zinsen wie auch die Tilgungsleistungen anzurechnen, bis der Wohnvorteil aufgebraucht ist. Immerhin gäbe es ohne die Zins- und Tilgungsleistungen auch den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht!

4. Zusammenfassung

Nunmehr gilt, dass Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils abgezogen werden können. Dahinter steckt die Erwägung, dass der Darlehenstilgung ein direkter Wohnvorteil gegenübersteht.

Wenden Sie sich Fragen im Zusammenspiel von Unterhaltspflicht und Immobilienfinanzierung jederzeit gerne an uns! Der Bundesgerichtshof hat bereits deutlich darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechungsänderung für sämtliche Unterhaltsverhältnisse gelten soll. Es kann also in einer Vielzahl von Fällen Sinn machen, das zu leistende Unterhaltsmaß einer aktualisierten Prüfung zu unterziehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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