Kein Unterlassungsanspruch aus GeschGehG, wenn Verletzer nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses ist.

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Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Entscheidung vom 18.08.2021, Az. 4 SaGa 1/21 geurteilt, dass eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses mangels Begehungs- oder Wiederholungsgefahr ausscheidet, wenn der Verfügungsbeklagte an Eides statt versichert, nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses zu sein.

Erstinstanzlich hatte das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 11.12.2020, Az. 2 Ga 60/20) dem Verfügungsbeklagten untersagt, eine mit E-Mail vom 03.04.2020 an die eigene private E-Mailadresse versandte Preiskalkulation der Verfügungsklägerin zu kopieren / kopieren zu lassen, zu verwerten und / oder verwerten zu lassen und / oder zu nutzen und / oder nutzen zu lassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verhängte das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise wurde Ordnungshaft angedroht. Das Arbeitsgericht sah insoweit sowohl § 241 Abs. 2 BGB als auch § 6 GeschGehG als begründete Anspruchsgrundlage. Die notwendige Verletzungs-/Wiederholungsgefahr sei bereits durch die Erstbegehung indiziert gewesen urteilte das Arbeitsgericht.

Dem erteilte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nun eine klare Absage. Es verneinte sowohl den Verfügungsanspruch als auch den Verfügungsgrund. Gemäß § 6 GeschGehG könne der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer zwar auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch nehmen, im streitgegenständlichen Fall fehle es jedenfalls aber an einer Begehungs-/Wiederholungsgefahr.

Im Rahmen des Urteils prüfte das LArbG zunächst, ob die Preiskalkulation (21-seitiges Template mit einer Auflistung exakter Berechnungsgrundlagen) überhaupt als Geschäftsgeheimnis im Sinne des GeschGehG einzuordnen sei. Es kam insoweit zu dem Ergebnis, dass es sich für die Verfügungsklägerin um ein Geschäftsgeheimnis handelt habe, da die Preiskalkulation von wirtschaftlichem Wert im Sinne von § 2 Nr. 1 a) GeschGeh für die Verfügungskläger gewesen sei. Eine Information weise auch dann einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn dem Inhaber des Geheimnisses im Falle einer Rechtsverletzung wirtschaftliche Nachteile drohen. Das sei insbesondere anzunehmen, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Positionen oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussten (Begr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 24; vgl. Erwägungsgrund 14 Richtlinie (EU) 2016/943).

Die Preiskalkulation sei zudem auch durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. b) GeschGehG geschützt gewesen. Nicht erforderlich sei insoweit ein optimaler Schutz. Unter Berücksichtigung von Wert des Geschäftsgeheimnisses, Entwicklungskosten, Natur der Information, Bedeutung für das Unternehmen, Kennzeichnung der Information, vertraglich vereinbarte Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern müsse die Angemessenheit der Maßnahmen einzelfallbezogen geprüft werden.

Vorliegend genügten dem Gericht die getroffenen Maßnahmen den Anforderungen des GeschGehG, da die Verfügungsklägerin eine IT-Richtlinie verabschiedet hatte, die vorsah, dass unternehmensinterne Datenbestände weder mittels E-Mail noch per Fax etc. außer Haus gebracht werden dürften. Zudem hätte die Verfügungsbeklagte ein „need to know“ Prinzip angewandt und ein Unternehmenscompliancesystem geschaffen, bei dem der Verfügungsbeklagte selbst Compliance Officer gewesen war. Er war insoweit auf vertraglich auf Vertraulichkeit verpflichtet worden.

Der Verfügungsbeklagte habe insoweit die Rechte der Verfügungsklägerin im Sinne des GeschGehG verletzt, ein Unterlassungsanspruch scheitere aber an der Begehungs- und Wiederholungsgefahr. Zwar werde durch einen begangenen Wettbewerbsverstoß in der Regel die tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet, dies gelte aber nicht, wenn der Verletzer jede Wahrscheinlichkeit für die Wiederholung einer ähnlichen Handlung beseitigt habe. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Tatsache des unbefugten Beschaffens eines Betriebsgeheimnisses nichts Regelhaftes über die Verwendung der Unterlagen aussage. Es bezweifelte, dass allein die unbefugte Weiterleitung von Dokumenten an den eigenen privaten E-Mailaccount eine Vermutung zur weiteren Verwendung der Dokumente mit sich bringe.

Der Verfügungsbeklagte habe zudem an Eides statt versichert, nicht mehr im Besitz der Unterlagen zu sein. Er habe insoweit glaubhaft gemacht, die Dokumente endgültig und unwiederbringlich gelöscht zu haben, ohne sie jemals Dritten verfügbar gemacht zu haben. Die Kammer vertrat daher die Auffassung, eine Begehungs- und Wiederholungsgefahr läge nicht vor. Gleiches gelte im Hinblick auf einen abgeleiteten Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB. Bestehe keine Begehungs- oder Wiederholungsgefahr, fehle es am Verfügungsgrund.

Quelle: LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.08.2021, 4 SaGa 1/21

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