Kindesunterhalt - wichtige Entscheidungen des BGH
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Kindesunterhalt – wichtige Entscheidungen des BGH:
1. Voller Tabellenunterhalt auch bei Betreuung von einem Drittel der Zeit
Mit seinem Urteil vom 28.02.2007 (NJW 2007, 1882) hat der BGH eine Entscheidung getroffen, die für die Elternteile eine Enttäuschung darstellt, die die Kinder weit häufiger betreut haben, als es den üblichen Umgangsmodellen entspricht. In dem entschiedenen Fall haben der Vater 36% der Betreuung, die Mutter 64% übernommen. Im Ergebnis hat der BGH entschieden, dass bei einer solchen Aufteilung der volle Tabelleunterhalt zu zahlen ist! Erst ab einer 50%igen Betreuung ist nach der Entscheidung des BGH die Grenze für eine Abweichung vom Regelfall der Zweiteilung zwischen Voll- und Barunterhalt einerseits und Betreuungsunterhalt andererseits erreicht. Für Mischformen unterhalb dieser Schwelle wird eine Differenzierung abgelehnt. Diese Entscheidung schafft Klarheit, wenn auch nicht unbedingt Gerechtigkeit.
Streitigkeiten der Eltern über anteilige Kürzung der Barunterhaltspflicht werden in denjenigen Fällen vermieden, in denen der Aufenthalt des Kindes beim barunterhaltspflichtigen Elternteil den Umfang der normalen Umgangskontakte übersteigt, solange der Umgang unterhalb der 50% Grenze liegt. Andererseits wird sich der barunterhaltspflichtige Elternteil benachteiligt fühlen, wenn er das Kind in einem doch erheblichen Umfang betreut und versorgt und gleichwohl im vollen Umfang zahlen soll. Nur weil ein hälftiger Umfang nicht ganz erreicht wird. Hier wäre daran zu denken, entsprechend der Nr. 11.2.1. der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte, eine Herabsetzung um eine Tabellenstufe vorzunehmen (vgl. hierzu Dr. Winfried Born, NJW 2007, Seite 1859). Auf diese Weise kann der Barunterhaltspflichtige wenigstens eine gewisse Anerkennung seiner Betreuungsleistung erhalten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Bezahlung des vollen Tabellenunterhalts für das Kind zu einer entsprechenden Kürzung des Ehegattenunterhalts führt, da ja bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts der Kindesunterhalt (und zwar der Zahlbetrag,) stets vorab abgezogen wird.
2. Reduzierung des Kindesunterhaltes wegen erhöhter Umgangskosten
OLG Bremen 23.10.2007 (Familie, Partnerschaft und Recht 2008, Seite 177); In diesem Fall machte der unterhaltspflichtige Vater geltend, dass er nicht in der Lage ist, den vollen Kindesunterhalt zu zahlen. Dem entsprach das Gericht in seiner Entscheidung. Da er sich nicht hinreichend um Arbeit bemüht hatte, rechnete ihm das Gericht ein fiktives Bruttoeinkommen von € 1.800,00 zu, netto € 1.200,00. Nach Abzug von 5% berufsbezogenen Aufwendungen und einem Selbstbehalt von € 900,00 verbleiben für den Unterhalt € 240,00. Dieser Betrag stand aber für Unterhaltszwecke deshalb nicht zur Verfügung, weil der Vater ihn für die Umgangskosten benötigte. Es kann nicht Sinn des Unterhaltsrechts sein, dem Unterhaltspflichtigen nicht mehr die Möglichkeit einzuräumen, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern- Kindbeziehung auszuüben (vgl. BGH NJW 2005, 1493).
Infolge des Wegzugs der Mutter muss der Vater bei den monatlichen Besuchskontakten jeweils 1.280 km mit dem Pkw fahren. Eine Einschränkung der Besuchskontakte aus finanziellen Gründen ist dem Vater, angesichts der Bedeutung des unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG stehenden Rechts auf Umgang, nicht zumutbar; sie würde auch dem Wohle der Kinder zuwiderlaufen. Das Gericht veranschlagte die Höhe der monatlichen Fahrtkosten mit 0,2 Euro pro Kilometer auf € 256,00. Die Fahrtkosten wurden voll anerkannt, sodass letztlich kein Unterhalt zu zahlen war. Diese Rechtsprechung folgt dem BGH und ergibt sich daraus, dass durch die Unterhaltsrechtsreform des Jahres 1958 die Bedeutung des Umgangsrechts gestärkt wurde.
3. Die Bezahlung der Kindergarten kosten durch den Barunterhaltspflichtigen?
In seinem Urteil vom 05.03.2008, XII ZR 150/05, hat der BGH eine wesentliche Streitfrage entschieden: Wer trägt die Kosten, wenn das Kind ganztägig einen Kindergarten besucht? Soweit es sich um einen Halbtagskindergarten handelt, sind die Kosten im laufenden Kindesunterhalt enthalten und müssen daher vom Barunterhaltspflichtigen nicht gesondert beglichen werden. Anders ist es, wenn ein Ganztagskindergarten besucht wird. Die im Vergleich zum Halbtages-Kindergarten anfallenden Mehrkosten sind von beiden Eltern anteilig aufzubringen. Es gelten dann die gleichen Grundsätze wie bei den Internatsfällen bzw. bei denen volljähriger Kinder. Die Haftungsquote ist in diesen Fällen unter Berücksichtigung der gesamten Einkommenssituation beider Elternteile nach Abzug des Freibetrages von jeweils € 900,00 zu ermitteln. Die Vorinstanz hatte noch so entschieden, die Kosten für den Ganztagsbesuch den berufsbedingten Aufwand der Mutter zuzurechnen. Dann würden sie beim Ehegattenunterhalt berücksichtigt werden.
Der BGH sah dies anders. Der Kindergartenbesuch ob halb- oder ganztags dient in erster Linie erzieherischen Zwecken. Die Aufwendungen seien deshalb zum Lebensbedarf des Kindes zu rechnen. Geht man davon aus, dass die Differenz zwischen halbtags, und ganztags Kindergarten bei 50,00 € bis 80,00 € liegt, erscheint es wenig praktikabel, hier gerichtlich eine Quote aufgrund der beiderseitigen Einkommensverhältnisse der Eltern zu ermitteln. Hinzu kommt, dass die jeweilige Zahlung beider Elternteile entsprechend der Quote bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts abzuziehen ist. In der Regel ist ja auch zu zahlen. Im Ergebnis bringt die quotale Aufteilung dann wirtschaftlich nichts.
Harro Graf von Luxburg, Rechtsanwalt
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