Können Urlaubsansprüche gegen Arbeitgeber verjähren?

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Angestellte haben einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf vier Wochen Mindesturlaub im Jahr. Oft genug kommt es aber vor, dass der Urlaub nicht genommen wird – sei es aus betrieblichen Gründen oder wegen einer längeren Erkrankung. Was passiert dann mit dem Urlaubsanspruch? Kann er verjähren wie jeder andere Anspruch auch? Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht befasst (BAG, Urteil v. 20.12.2022; Az.: 9 AZR 266/20).

Urlaubsanspruch dient dem Gesundheitsschutz

Der Mindesturlaubsanspruch, wie er sich aus § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ergibt, verfällt am Ende des Jahres. Er kann aus betrieblichen oder persönlichen Gründen auf das nächste Jahr übertragen werden – ist allerdings auch dann bis spätestens Ende März zu nehmen. Anschließend verfällt er.

Der Arbeitgeber kann sich auf diesen Verfall von nicht genommenen Urlaubstagen jedoch nur berufen, wenn er seine/n Angestellte/n rechtzeitig darauf hingewiesen und unmissverständlich aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. So haben es der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden.

Weist der Arbeitgeber nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubstage hin, „wandern“ die nicht genommenen Urlaubstage in das Folgejahr und erhöhen dort entsprechend den Urlaubsanspruch. Es gilt dann auch nicht die Deadline Ende März, sondern über die Jahre werden ggf. sämtliche Urlaubsansprüche aufaddiert.

Möglicherweise können aber Urlaubsansprüche, die länger zurückliegen, nach §§ 195, 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verjähren. Nach der regelmäßigen Verjährungsfrist wäre das drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, der Fall. Für Arbeitgeber hätte die Verjährung eine höhere Rechtssicherheit zur Folge – sie müssten nicht mehr mit Altforderungen rechnen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Allerdings sieht der EuGH den vierwöchigen Mindesturlaub als Teil des Gesundheitsschutzes an – und daher möglicherweise gegenüber den Interessen der Arbeitgeberseite als höherwertig.

Worum ging es vor dem Bundesarbeitsgericht?

Eine Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin war über 20 Jahre bei ihrem Arbeitgeber angestellt. Über die Jahre hat sich ein Haufen nicht genommener Urlaubstage angesammelt. Der Arbeitgeber hatte bis zum Ende versäumt, auf die Möglichkeit des Verfalls von Urlaubsansprüchen hinzuweisen. Nachdem die Angestellte im Juli 2017 aus der Kanzlei ausgeschieden war, bekam sie zwar einen Teil der noch offenen Urlaubstage vergütet, aber längst nicht alle. Sie verklagte daher im Februar 2018 ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass die Ansprüche verjährt seien. Nachdem das Arbeitsgericht Solingen den Arbeitgeber zur Abgeltung von nur drei Urlaubstagen für das Jahr 2017 verurteilt hatte, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf jedoch mangels Verjährung weitere 76 Tage drauflegte, landete der Fall vor dem BAG. Dieses legte dem EuGH die entscheidende Frage vor, ob eine Verjährung in diesem Fall zulässig sei.

BAG: Verjährung beginnt erst nach Info durch Arbeitgeber 

Der EuGH hat im Sinne der Arbeitnehmerseite entschieden, dass nicht genommene Mindesturlaubsansprüche nicht verjähren, sofern ihr jahrelanges Fortbestehen darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitgeber seine urlaubsrechtlichen Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat – er also nicht auf die Möglichkeit des Verfalls der Urlaubstage hingewiesen hat.

Daher wies das BAG die Revision des Arbeitgebers schließlich zurück. Zwar seien die Vorschriften über die Verjährung grundsätzlich auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beginne aber nicht zwingend mit dem Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaub entstanden ist. Vielmehr sei der Verjährungsbeginn davon abhängig, dass der Arbeitgeber seine Angestellten sowohl über den Urlaubsanspruch an sich als auch über die gesetzlichen Verfallsfristen in Kenntnis gesetzt habe. Nur wenn derart informierte Mitarbeitende dann trotzdem keinen Urlaub nehmen, kann dieser nach drei Jahren verjähren.

Folgen für die Praxis

Spätestens jetzt sollten Arbeitgeber ihren Informationspflichten bezüglich Urlaubsansprüchen und deren Verfall nachkommen. Tun sie das nicht, kann sie das beim Ausscheiden von Mitarbeitenden noch Jahre später bares Geld kosten.

Sie sind Arbeitgeberin oder Arbeitgeber und möchten wissen, wie Sie Ihren Informationspflichten rechtssicher nachkommen? Oder sind Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer aus einem Unternehmen ausgeschieden und haben Fragen zur Höhe Ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs?

Sprechen Sie mich an! Ich berate Sie gern und vertrete Sie – wenn nötig – auch vor Gericht. Sie erreichen mich telefonisch unter der 040/413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.


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