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Kollision mit Einsatzfahrzeug: Wer haftet?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wird die Polizei zu einem Einsatz gerufen, hört man ihr Kommen meist schon von Weitem. Als Verkehrsteilnehmer ist man dann verpflichtet, dem Einsatzfahrzeug Platz zu machen und ihm eine freie Fahrt zu ermöglichen. Dennoch kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit Polizeiautos. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, wer den Unfall verschuldet hat.

Folgenschweres Überholmanöver

Zwei Polizeistreifen wurden benachrichtigt, dass gerade in eine Schule eingebrochen wurde. Die Polizisten schalteten daraufhin Blaulicht und Martinshorn ein und fuhren zum Einsatzort. Auf dem Weg dorthin kollidierte der zweite Einsatzwagen mit einem Kfz. Dessen Fahrer hatte links abbiegen wollen und zu diesem Zweck sein Auto zum Stillstand gebracht. Da er nicht wie die anderen Verkehrsteilnehmer nach rechts scherte, um der Streife Platz zu machen, wollte die Polizistin das haltende Kfz links – also auf der Gegenfahrbahn – mit ca. 80 km/h überholen. Als der Autofahrer den Abbiegevorgang fortsetzte, machte die Polizistin zwar eine Vollbremsung; einen Zusammenstoß konnte sie jedoch nicht mehr vermeiden.

Der Autofahrer war der Ansicht, sich ordnungsgemäß verhalten zu haben, und verlangte vom Bundesland Schadenersatz. Schließlich habe er den linken Blinker gesetzt, sich mittig auf der Fahrbahn eingeordnet, seine doppelte Rückschaupflicht eingehalten und seine Abbiegeabsicht ferner durch Abbremsen deutlich genug gezeigt. Das Einsatzfahrzeug habe er erst im letzten Moment im Augenwinkel bemerkt, ein Martinshorn habe er nicht gehört. Die Polizistin dagegen gab an, dass der Autofahrer gerade keinen Blinker gesetzt habe und sich auch nicht besonders weit links eingeordnet habe – für sie sei daher der Abbiegewille des Autofahrers nicht erkennbar gewesen. Das Bundesland verlangte daraufhin seinerseits Schadenersatz vom Autofahrer.

Beide Unfallbeteiligte müssen haften

Das Landgericht (LG) Düsseldorf entschied, dass beide Unfallbeteiligte zu jeweils 50 Prozent haften müssen, da sie den Unfall zu gleichen Teilen mitverursacht haben.

Dem Autofahrer war ein Verstoß gegen § 38 I StVO (Straßenverkehrsordnung) vorzuwerfen. Danach müssen Verkehrsteilnehmer unverzüglich freie Bahn schaffen, wenn die Polizei Blaulicht und Martinshorn verwendet. Das ist nämlich das Zeichen, dass die Gesetzeshüter schnellstmöglich zum jeweiligen Einsatzort müssen, um z. B. Menschenleben zu retten oder flüchtige Personen zu verfolgen. Verkehrsteilnehmer müssen sich demnach so verhalten, dass eine Behinderung des Einsatzfahrzeugs ausgeschlossen ist, indem sie etwa an den Straßenrand fahren. Ein Abbiegevorgang dagegen muss notfalls abgebrochen werden, wenn dem Autofahrer noch nicht bekannt ist, aus welcher Richtung sich das Polizeiauto nähert und ob er es mit dem Abbiegen behindert. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Fahrzeugführer hätte stehen bleiben müssen, anstatt weiter abzubiegen. Die nach Zeugenaussagen angeschaltete Sirene hätte der Autofahrer nämlich durchaus hören können – schließlich hat sie einen durchdringenden und besonders auffälligen Klang, den man grundsätzlich schon von Weitem hört.

Ferner war ihm ein Verstoß nach § 9 I StVO anzulasten, da er sich vor dem Abbiegen möglichst weit links auf der Fahrbahn hätte einordnen müssen. Laut Sachverständigengutachten stand er aber nur mittig auf der Fahrbahn. Dagegen konnte ihm nicht vorgeworfen werden, das Blinken vergessen zu haben – hier waren die Zeugenaussagen widersprüchlich, was nicht zulasten des Autofahrers gewertet werden durfte.

Polizei war zu schnell unterwegs

Aber auch die Polizistin hat sich verkehrswidrig verhalten. Das Gericht warf ihr vor, mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren zu sein. Werden Blaulicht und Martinshorn verwendet, stellt das Polizeiauto zwar nach § 35 I StVO ein privilegiertes Einsatzfahrzeug dar, das „von der Einhaltung der StVO-Vorschriften befreit“ ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn dringend geboten sein muss, um z. B. Menschenleben zu retten oder andere hoheitliche Aufgaben zu erfüllen. Im Übrigen müssen die Polizisten trotzdem die öffentliche Sicherheit und Ordnung berücksichtigen – also etwa gewährleisten, dass niemand durch die „Raserei“ gefährdet wird. Je größer die Unfallgefahr ist, desto größer ist somit auch die Sorgfaltspflicht der Gesetzeshüter. Letztendlich müssen Polizisten auch mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern rechnen und schnell darauf reagieren können.

Vorliegend war das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit aber nicht geboten. Es war „nur“ in einer Schule eingebrochen worden, weshalb weder Menschenleben noch erhebliche Sachwerte gefährdet waren. Zwar hätte das schnelle Fahren für einen geringen Zeitgewinn gesorgt, aber dafür hat es auch die Unfallgefahr im Straßenverkehr erheblich erhöht. Schließlich hielten sich dort andere Autofahrer, Radler und Fußgänger auf, die hätten verletzt werden können. Die Polizistin hätte aufgrund der Verkehrslage langsamer fahren müssen, um in einer Gefahrensituation ordnungsgemäß reagieren zu können. So hätte der vorliegende Unfall vermieden werden können, wenn die Gesetzeshüterin mit nur ca. 60 km/h unterwegs gewesen wäre.

(LG Düsseldorf, Urteil v. 25.06.2014, Az.: 2b O 165/13)

(VOI)

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