Kostenerstattung von Hilfsmitteln: Handbike oder elektrischer Rollstuhl?

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Unsere Mandantin ist an multipler Sklerose erkrankt, seit vielen Jahren ist sie zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Fortbewegung allein durch eigene Armkraft an den Rädern reichte irgendwann nicht mehr aus, sodass ein Rollstuhlzuggerät (Handbike) verordnet worden ist.

Die Krankenkasse hat eine Kostenübernahme abgelehnt, zur Kräftigung der Muskulatur wurde auf die Inanspruchnahme von Krankengymnastik verwiesen. Angeboten wurde weiterhin ein elektrisch angetriebener Rollstuhl, den unsere Mandantin jedoch abgelehnt hat, da sie ihre Mobilität aus eigener Kraft heraus erhalten wollte.

Die Versicherte verwies weiter darauf, dass sie ohne ein entsprechendes Zuggerät nicht in der Lage ist, Bodenunebenheiten oder Bordsteinkanten zu überwinden, ebenso wenig Steigungen.

Es bestünden regelmäßig erhebliche Schulterbeschwerden.

Aufgrund der Dauer des Verfahrens hat die Klägerin schließlich das Handbike über 8.000 EUR erworben und diesen Betrag dann gegenüber der Beklagten vor dem Sozialgericht Dresden geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat nunmehr der Klage mit Urteil vom 17.01.2024 stattgegeben und die Krankenkasse verurteilt, der Klägerin die entstanden Kosten zu erstatten.

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) von einem Paradigmenwechsel auszugehen ist, wonach dem behinderten Menschen ermöglicht werden soll, so weit wie möglich ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu führen. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung zum Ausgleich einer Behinderung sei damit nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Vielmehr komme ein Anspruch auf Versorgung im notwendigen Umfang bereits in Betracht, wenn das begehrte Hilfsmittel wesentlich dazu beitrage oder zumindest maßgebliche Erleichterung verschaffe, Versicherten auch nur den Nahbereich im Umfeld der Wohnung in zumutbarer und angemessener Weise zu erschließen.

Dem Wunsch unserer Mandantin nach erheblicher Verbesserung der Mobilität auch im Nahbereich komme dabei ebenfalls besondere Bedeutung zu. Dem behinderten Menschen soll gerade viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände gelassen und die Selbstbestimmung gefördert werden. Hier sei es gerade möglich, den Nahbereich durch eigene Kraftanstrengung selbst zu erschließen.


Fazit:  Die Entscheidung setzt die neuere Rechtsprechung des BSG konsequent um, auch unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Mobilität aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Die meisten Krankenkassen sind unverändert nicht bereit, die von der Rechtsprechung mittlerweile ausgeweiteten Versorgungsansprüche, die sich nicht nur auf den Nahbereich des unmittelbaren Wohnumfeldes beziehen, zu erfüllen. Unverändert werden Elektro-Rollstühle genehmigt, obwohl der Versicherte sich lieber aktiv, unter Einsatz eigener Körperkraft, fortbewegen möchte.

Auch hier hat die Krankenkasse gegen das Urteil Berufung erhoben, über das Ergebnis des Berufungsverfahrens werden wir berichten (Sozialgericht Dresden, Urteil vom 17.01.2024, Az.: S 45 KR 578/21).


[Detailinformationen: RA Matthias Herberg, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Telefon 0351 80718-56, herberg@dresdner-fachanwaelte.de)


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