Lebensversicherungen können wegen Falschberatung haften

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Beratungspflichten von Versicherungen gehen in der Regel nicht so weit wie beispielsweise die eines Anlageberaters oder Versicherungsmaklers.

Die Versicherung ist zwar der Vertragspartner des Versicherungsnehmers, ihr obliegen allerdings grundsätzlich keine Beratungspflichten dahingehend, ob die Versicherung in dieser Form sinnvoll ist oder ob es bessere Angebote auf dem Markt gibt.

Dies ist schließlich bei anderen Verträgen im Alltag auch nicht ohne Weiteres der Fall.

BGH nimmt Beratungspflichten an

Der Bundesgerichtshof hat jedoch in mehreren Entscheidungen (Urteil vom 11.07.2012, Az.: IV ZR 164/11, IV ZR 122/11, IV ZR 151/11, IV ZR 271/10 und IV ZR 268/10) geurteilt, dass auch bei der Vermittlung einer Lebensversicherungspolice Beratungspflichten für die Versicherung ähnlich einem Anlagegeschäft entstehen können.

Die Beratungspflichten bei einem Anlagegeschäft sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Geht der Kunde zu seiner Hausbank und fragt nach einer Kapitalanlage, so schuldet die Bank eine entsprechende Aufklärung über die damit verbundenen Risiken und eine Produktempfehlung, die zu den Bedürfnissen des Kunden passt.

Bei Versicherungsprodukten können den Versicherer ähnlich weitgehende Beratungspflichten treffen. Dies ist dann der Fall, wenn die Renditeerwartung in Bezug auf die Versicherung den reinen Versicherungsanteil überwiegt. Dies kann zum Beispiel bei kapitalbildenden Lebensversicherungen der Fall sein. Hier nimmt der BGH eine wirtschaftliche Betrachtung vor.

Steht bspw. die Versicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung im Hintergrund, so geht der BGH von einem Anlagegeschäft aus. Bei diesem Anlagegeschäft treffen den Versicherer dann auch die entsprechenden Beratungspflichten:

Hierzu gehört, den Anleger „bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seine Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung“ sind, vergleiche BGH, NJW 2012, 3647 (3651).

Weiter führt der BGH aus (a.a.O.):

„Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken (m.w.N.).“

Häufig werden zu rosige Renditeerwartungen geweckt. Dies stellt eine Pflichtverletzung dar:

Hierzu führt der BGH aus, NJW 2012, 3647 (3651):

„Eine Verletzung dieser Aufklärungspflichten ist zunächst darin zu sehen, dass die Bekl. ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Renditeerwartung gegeben hat. Bei Vertragsabschluss wurde gegenüber dem Kl. der Eindruck erweckt, dass die Prognose einer Durchschnittsrendite von 8,5 % realistisch ist. In den „unverbindlichen Musterberechnungen“, mit denen der Kl. über die zu erwartende Wertentwicklung aufgeklärt worden ist, wird jeweils auf den Seiten 5 und 6 eine Rendite von 8,5 % zu Grunde gelegt, die auf Seite 1 bei der Ablaufleistung und auf Seiten 2–4 bei der Todesfallleistung als alleiniger Wert angenommen wird. Die Musterberechnungen erwecken daher den Eindruck, dass mit dieser Rendite auf Grund einer sachlich gerechtfertigten Prognose gerechnet werden kann.Tatsächlich hat die Bekl. – wie sich auch aus Nr. 5 der Hinweise zu den „unverbindlichen Musterberechnungen“ ergibt – aber nur die Prognose einer Wertentwicklung von 6% als gerechtfertigt angesehen.“

Folgen für die Praxis

Der vom BGH entschiedene Fall dürfte in der Praxis häufiger vorkommen. Bei vielen Lebensversicherungsverträgen überwiegt eindeutig der Charakter einer Kapitalanlage.

Mit der Darstellung von Renditeerwartungen müssen Versicherungen vorsichtig sein – auch wenn diese als unverbindlich bezeichnet werden.

Dass die Versicherung dabei nicht selbst die Beratungsgespräche führt, ist unschädlich. Selbst wenn sie selbstständige Vermittler einsetzt, wird ihr deren Verhalten zugerechnet:

Vergleiche BGH NJW 2012, 3647 (3651):

„Das Verhalten des Untervermittlers ist ihr nach § 278 BGB zuzurechnen. Übernimmt ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, steht der Vermittler – unabhängig von seiner etwaigen Selbstständigkeit und einer Tätigkeit auch für den Vertragspartner – in ihrem Lager, wird in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist als ihre Hilfsperson zu betrachten (m.w.N.). Eine solche umfassende Aufgabenübertragung ist hier erfolgt.“

Vor diesem Hintergrund haben Verbraucher durchaus erfolgversprechende Ansatzpunkte, den abgeschlossenen Versicherungsvertrag rückabzuwickeln. 

Wenn Sie den Eindruck haben, Sie wurden falsch beraten, so kann sich eine anwaltliche Überprüfung lohnen. Immerhin handelt es sich meist um langfristige Verträge und um einen wichtigen Baustein für die eigene finanzielle Vorsorge.

Robert Nebel, M.A.

Rechtsanwalt

Licenciado en Derecho


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