LG Bochum: Wir haben wieder einmal vor Gericht einem Abmahner Rechtsmissbrauch nachgewiesen

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Wir von der Kanzlei Internetrecht-Rostock.de vertreten regelmäßig Mandanten, die abgemahnt wurden oder in gerichtlichen Verfahren. Immer wieder können wir das Gericht überzeugen, dass die Abmahnung des Abmahners rechtsmissbräuchlich war, so z.B. zuletzt vor dem Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 27.06.2023, Az.: I O 45/21).


Regelmäßig sind es dabei mehrere Argumente, die für einen Rechtsmissbrauch des Abmahners sprechen. Bemerkenswerterweise gibt es nach unserer Erfahrung in derartigen Verfahren nicht nur ein Indiz, sondern häufig gleich mehrere Indizien, die für Rechtsmissbrauch sprechen.


Dies ist insofern wichtig, als dass die Rechtsprechung bei der Frage, ob Rechtsmissbrauch vorliegt, berücksichtigen muss, ob die gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich sind. Es muss somit immer eine Gesamtschau stattfinden.


Landgericht Bochum: Vier Indizien für Rechtsmissbrauch


Aktuell hat wieder einmal ein Landgericht im Sinne unserer Mandanten entschieden und eine einstweilige Verfügung wegen Rechtsmissbrauchs aufgehoben (Landgericht Bochum, Urteil vom 18.07.2023, Az.: I – 17 O 22/23).


Es gab gleich vier Gründe, aus denen heraus das Landgericht einen Rechtsmissbrauch gemäß § 8 c UWG angenommen hatte.


Entscheidend waren für das Gericht folgende Umstände:


1. Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vor Fristablauf


Der Abmahner hatte den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vor Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung eingereicht.


Nach Ansicht des Gerichtes ergibt sich hieraus (im Rahmen der Gesamtschau) ein Rechtsmissbrauch, obwohl es nur um wenige Stunden ging. Ein Abwarten wäre, so das Gericht, dem Abmahner ohne Weiteres zumutbar gewesen. Ein sachgerechter Grund, einige Stunden sparen zu wollen, waren nicht ersichtlich.


2. Reaktion des Abgemahnten wurde verschwiegen


Der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers hatte am 13.06.2023 um 18.07 Uhr über beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht.


Wir hatten am gleichen Tag, jedoch zuvor, nämlich um 16.50 Uhr eine Stellungnahme an den Prozessbevollmächtigten übersandt.


Zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf einstweilige Verfügung lag dem Rechtsanwalt des Antragstellers unsere Stellungnahme bereits vor. Diese wurde jedoch nicht zusammen mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgereicht.


Hierzu führt das Landgericht Bochum aus:


„Ob der Verfügungskläger vor dem Absenden des Antrages an das Gericht bereits Kenntnis von der in seinem elektronischen Postfach schon eingegangenen Stellungnahme des Verfügungsbeklagten hatte oder nicht, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls ist in diesem Zusammenhang maßgebend darauf abzustellen, dass der Verfügungskläger jedenfalls bereits wenige Minuten nach dem Versand des Antrages unstreitig Kenntnis von der Stellungnahme des Verfügungsbeklagten hatte. Insoweit kann rechtsmissbräuchliches Verhalten auch darin gesehen werden, eine nach Abreichung des Antrages eingegangene Stellungnahme des Gegners nicht unaufgefordert dem Gericht zur Kenntnis gebracht zu haben (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.08.2019, Az. 29 W 940/19).

Hier hat der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers nach Erhalt der Stellungnahme diese nicht an das Gericht weitergeleitet. Dies wäre – ebenso wie zuvor die Antragsschrift – unmittelbar noch am 13.06.2023 per BeA einfach möglich gewesen. Dass dem Verfügungskläger kein Aktenzeichen vorlag, ist kein Grund davon abzusehen. Gerade im Hinblick auf den soeben abgesandten Antrag hätte ein Verweis auf diesen und die zeitliche Nähe hinreichend Gewähr gegeben, dass das Gericht davon Kenntnis bekommt. Ein Abwarten auf eine telefonische Kontaktaufnahme zu dem Gericht, um ein Aktenzeichen zu erfragen, war in der Situation des einstweiligen Verfügungsverfahrens hier schon deshalb untunlich, weil wegen des Eilcharakter des Verfahrens jederzeit mit einer Entscheidung des Gerichts – wie vom Verfügungskläger ausdrücklich beantragt – ohne mündliche Verhandlung zu rechnen war.“


3. Überhöhter Streitwert


In der Abmahnung war ein Gegenstandswert von 60.000,00 Euro genannt worden. Die konkreten Abmahnkosten waren jedoch auf Grundlage eines Betrages von 80.000,00 Euro ausgerechnet worden. Obwohl es sich um fünf Verstöße handelte, hielt das Gericht diesen Betrag für deutlich übersetzt. Zu hohe Kosten können und waren es in diesem Fall auch, ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein.


4. Abmahnkosten

Es wurden Abmahnkosten für Verstöße gefordert, für die keine Abmahnkosten geltend gemacht werden können.


Seit der Änderung des UWG im Dezember 2020 können Wettbewerber Informationspflichtenverletzungen im Internet nicht mehr kostenpflichtig abmahnen. Abgemahnt worden war im vorliegenden Fall ein Verstoß in Bezug auf die OS-Plattform. Hierbei handelt es sich um eine Informationspflicht. Für einen derartigen Verstoß dürfen keine Kosten geltend gemacht werden.


Eine Differenzierung bei der Berechnung der Abmahnkosten, dass gerade für diesen Verstoß jedoch keine Abmahnkosten gefordert werden, erfolgte jedoch nicht.


Wenn derartige Kosten geltend gemacht werden, ist dies ein Indiz für Rechtsmissbrauch.


Fazit:


Dieses Verfahren, in dem wir dem Abmahner und Antragsteller Rechtsmissbrauch vor Gericht nachweisen konnten, hat viele Parallelen zu anderen Verfahren, in denen wir ebenfalls für Mandanten erfolgreich waren und Abmahner ihre Ansprüche wegen Rechtsmissbrauchs nicht durchsetzen konnten.


Häufig gibt es in derartigen Fällen nicht nur ein Indiz für Rechtsmissbrauch, sondern gleich mehrere.


Da die Gerichte eine sogenannte Gesamtschau vornehmen müssen, erleichtert es in derartigen Fällen den Nachweis von Rechtsmissbrauch erheblich.


Wir prüfen für unsere Mandanten selbstverständlich regelmäßig, ob Indizien für Rechtsmissbrauch vorliegen, sei es schon bei der Abmahnung oder später bei dem gerichtlichen Verfahren.


Zu mir und meiner Tätigkeit:


Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de tagtäglich Abgemahnte wie Sie und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.


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Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz


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