Mistrade / Misquote im Wertpapierhandel
- 6 Minuten Lesezeit
Reaktionsmöglichkeiten von Privatanlegern, wenn ein Wertpapierauftrag nachträglich storniert wurde
Was ist ein Mistrade?
Ein Mistrade ist ein fehlerhaftes Handelsgeschäft mit Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten.
Als „Mistrade“ gilt ein ursprünglich abgeschlossenes Wertpapiergeschäft, welches aber bei der Preisbildung mit Fehlern behaftet war und infolgedessen zu einer Marktungerechtigkeit führte und nachträglich aufgehoben wurde.
Mistrades entstehen meist durch technische Fehler bei der Datenübermittlung oder durch Tippfehler (sogenannter Fat- Finger- Error). Der Emittent kann ein solches Geschäft zivilrechtlich wegen eines Irrtums anfechten.
Wo kommt ein Mistrade vor und welche Rechtsgrundlagen gelten hier?
Ein Mistrade kommt sowohl im börslichen als auch im außerbörslichen Handel vor. Je nach Ort des Handelsplatzes gelten unterschiedliche Regelungen:
a) Börslicher Handel
Im börslichen Handel finden die Regelwerke der jeweiligen Börse Anwendung. Diese können sich in einzelnen Klauseln unterscheiden. Sie ist für alle Handelsteilnehmer bindend.
Um ein „Mistrade“ handelt es sich meist bei erheblichen und offenkundigen Fehlern bei der Preisbildung, die entweder durch einen Bedienfehler (z.B. Vertippen) oder durch eine technisch bedingte Fehlfunktion des Handelssystems verursacht wurden.
Wenn das Geschäft zu einem offensichtlich nicht marktgerechten Preis zustande gekommen ist, kann die jeweilige Börse der Aufhebung des Geschäfts zustimmen. Dies geschieht durch einen förmlichen und fristgerechten Antrag des Emittenten. Die Frist beträgt meist wenige Stunden oder bis zum nächsten Handelstag, je nachdem, an welcher Börse gehandelt wurde. Die Geschäftsführung der jeweiligen Börse bzw. die Handelsüberwachungsstelle entscheidet sodann, ob dem Antrag stattzugeben ist und das Geschäft zu stornieren und rückabzuwickeln ist.
Bei Uneinigkeiten gibt es Schiedsgerichte der Börsen, die angerufen werden können.
Die meisten Regelwerke der Börsenordnungen sehen vor, dass zivilrechtliche Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind. Hintergrund ist, dass die Börsen als teilrechtsfähige Anstalten öffentlichen Rechts in ihren Regelwerken und dem zur Verfügung gestellten Schiedsgericht selbst über Mistrade-Fälle entscheiden sollen und hierdurch die Zivilgerichte entlastet werden sollen.
b) Außerbörslicher Handel
Im außerbörslichen Handel gelten ausschließlich die AGB des Brokers bzw. Handelspartners, welche online auf deren Website veröffentlicht werden.
AGB unterliegen einer gerichtlichen Kontrolle, weshalb die außerbörslichen Mistrade-Klauseln oft Gegenstand von Gerichtsentscheidungen waren. Hiernach dürfen solche Mistrade-Klauseln nicht den wesentlichen Grundgedanken des Anfechtungsrechts entgegenstehen, insbesondere darf der Schadensersatzanspruch des Vertragspartners (§ 122 BGB) nicht abbedungen werden.
Welche Ansprüche haben Anleger?
Einem Anleger entsteht aus einer Mistrade-Meldung meist ein wirtschaftlicher Schaden. Wie kann dieser durchgesetzt werden?
a) Börslicher Handel
Im börslichen Handel ist der zivilrechtliche Anspruch eines Anlegers auf Schadensersatz meist abbedungen. Nach der herrschenden Lehre und Judikatur ist dies auch zulässig.
Ein Anleger kann allenfalls über seine Bank seinen Widerspruch gegen die Einordnung des Geschäfts als Mistrade gegenüber der jeweiligen Börse aussprechen. Dieser Widerspruch sollte aber auch begründet werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob der Preis wirklich nicht marktgerecht war und mit welcher prozentualen Abweichung zum „normalen“ Preis das Geschäft angeboten wurde. Für das Verfahren sind die besonderen Regelwerke der Börse genauestens durchzulesen, da es meist für einen solchen Widerspruch Fristen gibt. Entscheidungen der Börsen sind Verwaltungsakte, sodass hiergegen i.d.R. ein Widerspruch binnen eines Monats eingelegt und begründet werden muss, § 70 VwGO. Den Widerspruch muss aber der Kommissionär, mithin ihre Bank, einlegen, weil der Privatanleger als Kommittent nicht unmittelbarer Handelsteilnehmer ist. Deswegen muss der Privatanleger seiner Bank ausdrücklich die Weisung erteilen, dass dieser den Widerspruch einlegen und begründen soll. Für das Widerspruchsverfahren entstehen unter Umständen Kosten, die ebenfalls mit der Bank abgeklärt werden sollten.
b) Außerbörslicher Handel
Im außerbörslichen Handel ist für die Ansprüche eines Anlegers zunächst danach zu unterscheiden, wie die rechtlichen Beziehungen der Parteien ausgestaltet sind.
Rechtlich unterscheidet man zwischen sog. Festpreisgeschäften oder Kommissionsgeschäften.
aa) Festpreisgeschäfte
Wurde ein Wertgeschäft zu Festpreisen abgeschlossen, muss an den vereinbarten Konditionen und Preisen festgehalten werden. Diese Pflicht bleibt auch dann bestehen, wenn die Bank ihrerseits das Geschäft nicht zum marktgerechten Preis abschließen kann, weil das Geschäft vom Handelspartner aufgrund eines Mistrades storniert wurde. Die Bank kann das Geschäft gegenüber dem Anleger nicht wegen eines offensichtlichen Kalkulationsirrtums o.ä. anfechten. Das bedeutet, dass Sie als Anleger einen Anspruch auf Erfüllung des Wertpapiergeschäfts haben. Das OLG Düsseldorf hat dies mit Urteil vom 27.01.2000, Az.: 6 U 168/ 98 bestätigt und eine Anfechtungsmöglichkeit der Bank verneint. Diese Entscheidung beruht auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 07.07.1998, Az.: X ZR 17/97. Der BGH (a.a.O.) hatte entschieden, dass ein Kalkulationsirrtum selbst dann nicht zur Anfechtung berechtigt, wenn der Erklärungsempfänger diesen erkannt oder die Kenntnisnahme treuwidrig vereitelt hat.
Auch das OLG München, Az..19 U 5248/00 hatte bestätigt, dass eine Bank ein Festpreisgeschäft nicht stornieren darf.
bb) Kommissionsgeschäfte
Bei einem Kommissionsgeschäft hingegen verhält es sich anders. Ein Kommissionsgeschäft ist in den §§ 383 bis 406 HGB geregelt. Bei einem Kommissionsgeschäft handelt die Bank (=Kommissionär) gemäß § 383 Abs. 1 HGB im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Kunden (=Kommittent) und verpflichtet sich, ein bestimmtes Ausführungsgeschäft mit einem Handelspartner (=Emittent) abzuschließen.
Wenn das Geschäft nun durch einen Mistrade vom Handelspartner storniert wird, entfällt eben dieses Ausführungsgeschäft. Die Bank hat ihre Verpflichtung aus dem Kommissionsgeschäft aber erfüllt und muss keinen Schadensersatz leisten; vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.09.2020, Az.: XI ZR 39/19; BGH, Urteil vom 23.06.2015, Az.: XI ZR 386/13; OLG Frankfurt Urteil vom 04.03.2009, Az.: 16 U 174/08 u.w.
Dies folgt zudem aus den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäften, die neben den allgemeinen AGB der Banken ihrem Vertragsverhältnis zugrunde gelegt werden. Die Bank ist lediglich zur Ausführung des Geschäfts verpflichtet, steht aber nicht für deren Erfolg gegenüber dem Emittenten ein.
Falls mit der Bank aber vereinbart wurde, in einem solchen Fall das Geschäft zu anderen markgerechten Konditionen abzuschließen, bleibt noch diese Leistungspflicht gegenüber der Bank bestehen und kann auch rechtlich durchgesetzt werden.
cc) Ansprüche gegen den Handelspartner/Emittenten
Der Kunde hat des Weiteren die Möglichkeit, gegen den Handelspartner vorzugehen. Dazu muss der Kommissionär seine Ansprüche gegen den Handelspartner an den Kunden abtreten, es sei denn, die AGB des jeweiligen Handelspartners gewähren einen unmittelbaren Anspruch des Anlegers. Auch bei dieser Vorgehensweise sind also zunächst die AGB des Handelspartners genauestens zu studieren, insbesondere, um keine Fristen verstreichen zu lassen. Die AGB dürfen jedenfalls einen Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB nicht ausschließen, vgl. etwa BGH, Az.: XI ZR 364/08, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Az.: 5 U 130/03.
dd) Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB
Ein solcher Schadenersatzanspruch kommt nur für außerbörsliche Geschäfte in Betracht.
§ 122 BGB umfasst den sog. Vertrauensschaden. Der Vertrauensschaden umfasst diejenigen Nachteile, die durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Geschäfts entstanden sind, sogenanntes „negatives Interesse“. Der Kunde ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf die Wirksamkeit des Vertrags vertraut hätte. Der Ersatzanspruch wird allerdings durch das Erfüllungsinteresse nach oben hin begrenzt.
Ausschluss des Anspruchs, § 122 Abs. 2 BGB
Zu beachten ist jedoch auch, dass der Anspruch auf Schadensersatz ausgeschlossen ist, wenn man die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erkennen konnte, so zum Beispiel bei einem krassen Missverhältnis bei der Preisbildung.
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