Mitursächlichkeit in der Privaten Unfallversicherung

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In Schadensfällen gegen eine Haftpflichtversicherung gilt der Grundsatz, dass es ausreicht, wenn der Schädiger nur teilweise zum Schaden beigetragen hat, da kein Anspruch darauf besteht, einen Gesunden zu schädigen. Das bedeutet, der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als sei der Geschädigte völlig gesund gewesen. Wie sieht das in der privaten Unfallversicherung aus?

Diese Frage dürfte bald kontrovers diskutiert werden. Zwar ist in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen, die Bestandteil jedes Unfallversicherungsvertrages sind, ganz klar geregelt, in welchem Maße vor dem Unfall bestehende Krankheiten und Gebrechen bei der Bemessung der Invalidität berücksichtigt werden müssen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat jedoch in seiner Entscheidung vom 7.8.2014 (Az. 7 U 35/14) die Versicherungsbedingungen ganz neu beleuchtet.

Ausgangslage des Verfahrens war die Klage eines Versicherungsnehmers, der durch einen Unfall eine Schulterverletzung erlitt, deren Folge eine Teilinvalidität war. Die Versicherung leistete daraufhin die vertraglich geschuldete Invaliditätsleistung, reduzierte diese aber aufgrund einer Vorschädigung des Versicherungsnehmers. Zur Begründung bezog sie sich auf die Versicherungsbedingungen, in denen es heißt, dass Krankheiten oder Gebrechen zu einer Reduzierung des Prozentsatzes des Invaliditätsgrades führen, wenn sie bei der Gesundheitsschädigung mitgewirkt haben. Der Versicherungsnehmer klagte gegen die Kürzung der Versicherungsleistung mit der Begründung, er habe bis zum Unfalltag keine Einschränkungen oder andauernde Funktionsbeeinträchtigungen an der Schulter verspürt. Mögliche Vorschädigungen seien altersentsprechende Verschleißerscheinungen.

Das OLG Stuttgart gab nun dem Versicherungsnehmer in der zweiten Instanz Recht. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei dem Verschleiß in der Schulter des Klägers weder um eine Krankheit noch um ein Gebrechen handele.

Unter Krankheit ist per Definition ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand von einer gewissen (eher vorübergehenden) Dauer zu verstehen, der eine ärztliche Behandlung erfordert. Als Gebrechen wird ein dauernder abnormer Gesundheitszustand verstanden, der die Ausübung normaler Körperfunktionen zumindest teilweise behindert. Gemeinsam ist beiden Begriffen, dass eine Einschränkung spürbar und gegebenenfalls sogar eine ärztliche Behandlung bereits notwendig geworden ist. Dies war in dem zu entscheidenden Fall nicht so.

Eine besondere Rolle kommt dem Urteil in den Fällen zu, in denen nach einem Unfallereignis Bänder im Schultergelenk (Rotatorenmanschette) gerissen sind oder sich Beschwerden aufgrund eines Bandscheibenvorfalles bemerkbar machen. Dort kann schon viele Jahre vorher ein Verschleißprozess begonnen haben, der den Betroffenen aber nicht zwangsläufig eingeschränkt haben muss.

Das Urteil des OLG muss im Hinblick auf die geltenden Definitionen der Begriffe „Krankheit“ und „Gebrechen“ als konsequent verstanden werden, weil es nicht nur die Frage beleuchtet, ob eine unfallunabhängige Ursache die Invalidität mit verursacht hat, sondern auch darauf abstellt, ob diese unfallunabhängige Ursache tatsächlich den Charakter einer Krankheit oder eines Gebrechens hat. Der Versicherer sollte sich nicht nur auf den für ihn günstigen Teil der von ihm verwendeten Versicherungsbedingungen berufen können.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Versicherers ist beim BGH anhängig, eine Entscheidung hierzu ist bislang nicht veröffentlicht. Man darf also gespannt sein, wie der vierte Zivilsenat des BGH das Urteil einschätzt.

Das Urteil zeigt zumindest, dass es durchaus sinnvoll sein kann, gegen eine ablehnende oder einschränkende Entscheidung einer Versicherungsgesellschaft vorzugehen.

Sandra Deller, Rechtsanwältin, Anwaltsbüro Quirmbach und Partner



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