Neue Insolvenzkultur mit dem ESUG: mehr Insolvenzpläne, mehr Eigenverwaltungen

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Mit dem am 27.10.2011 verabschiedeten Gesetz werden Unternehmenssanierungen einfacher und effektiver. Der Bundesrat wird sich im 2. Durchgang mit dem Gesetzesbeschluss befassen. Das Gesetz soll am 01.04.2012 in Kraft treten.

Das Insolvenzverfahren wird künftig mehr denn je auf Sanierung statt auf Abwicklung von Unternehmen ausgerichtet. Das Gesetz soll zu einer neuen „Insolvenzkultur" beitragen, denn es bietet überlebensfähigen Unternehmen - stärker als bisher - eine echte Chance zur Sanierung.

Bisher ist der Konkurs häufig mit persönlichem Scheitern und wirtschaftlichem Versagen verbunden. Zukünftig wird das Insolvenzverfahren für alle Beteiligten planbarer und effektiver und bietet so den Rahmen für eine Fortführung sanierungsfähiger Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Zu den wichtigsten Regelungen des Gesetzes gehören

  • Stärkung der Gläubigerstellung bei der Insolvenzverwalterauswahl,
  • der Ausbau und die Straffung des Insolvenzplanverfahrens sowie die
  • Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung.

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wurden mehrere Reformvorhaben zum Insolvenzrecht umgesetzt. Die Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen soll erleichtert und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden. Gleichzeitig wird daran festgehalten, dass die Befriedigung der Gläubiger weiter das eigentliche Anliegen des Insolvenzverfahrens bleibt.

Stärkung der Gläubigerautonomie

Die Gläubigerautonomie insgesamt wird gestärkt. Deshalb wird die Möglichkeit geschaffen, bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, der bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung hat.

Mehr Eigenverwaltungen

Das Institut der Eigenverwaltung wird durch Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei den Verfahrensvoraussetzungen gestärkt: Das Gericht wird dadurch gezwungen, sich ernsthafter als bisher mit den Möglichkeiten der Eigenverwaltung auseinanderzusetzen. Befürwortet der Gläubigerausschuss sie einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein.

Neue Auswahl der Insolvenzverwalter

Auch bei der Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, die gemeinhin als „Schicksalsfrage" des Verfahrens bezeichnet wird, wird dieser vorläufige Gläubigerausschuss eingebunden werden. Die Beteiligung der Gläubiger wird aber nicht nur zeitlich vorverlagert. Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters - seine Eignung und Unabhängigkeit vorausgesetzt - sollen für den Richter unter bestimmten Umständen bindend sein.

Vorläufiger Gläubigerausschuss

Künftig wird das Gericht in Insolvenzverfahren über Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist und die eine bestimmte Unternehmensgröße und damit eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben (gemessen an ihrem Umsatz, der Arbeitnehmerzahl bzw. der Jahresbilanzsumme) verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. Besteht ein solcher vorläufiger Gläubigerausschuss und einigen sich alle Mitglieder auf einen Verwalter, soll das Gericht hieran gebunden sein. Die zuweilen aufgeworfene Kritik, Großgläubiger wie insbesondere Banken könnten damit das Insolvenzverfahren dominieren, verkennt, dass es sich bei dem Gläubigerausschuss um ein Gremium handelt, in welchem alle Gläubigergruppen repräsentiert sind. Zudem muss der Gläubigerausschuss seine Entscheidungen zugunsten eines Insolvenzverwalters einstimmig treffen, sodass jedes Mitglied über ein Vetorecht verfügt.

Schutzschirm

Ein Schuldner hat nach dem ESUG bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten in einer Art „Schutzschirmverfahren" unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Das Gericht soll nicht nur regelmäßig den vom Schuldner Vorgeschlagenen als vorläufigen Sachwalter einsetzen; auf Antrag ist das Gericht auch dazu verpflichtet, Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Zudem darf es im Schutzschirmverfahren weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.

Mehr Insolvenzpläne

Darüber hinaus soll das Instrument des Planverfahrens ausgebaut werden. Es erfolgt eine moderate Beschränkung der Rechtsmittel gegen die Planbestätigung darauf, dass einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern können. Im Rahmen des Planverfahrens können künftig als Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden („dept-equity-swap"). Die Einbindung dieses gesellschaftsrechtlichen Instruments in die Insolvenzordnung verbessert die Sanierungschancen, da Widerstände von Altgesellschaftern überwunden werden können.

Besonderheiten bei Forderungen

Um zu vermeiden, dass Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, die Finanzplanung nachträglich stören, hat der Schuldner künftig die Möglichkeit, bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet. Zudem werden Verjährungsfristen für verspätete Forderungen verkürzt: Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, verjähren künftig in einem Jahr.

Mängel des bisherigen Insolvenzrechts

Die Reform war notwendig, da das deutsche Insolvenzrecht offensichtliche Mängel zeigte:

  • Der Ablauf eines deutschen Insolvenzverfahrens ist für Schuldner und Gläubiger oft nicht berechenbar.
  • Es besteht in der Praxis kein Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters.
  • Es fehlt die Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte.
  • Die Dauer eines Insolvenzverfahrens ist kaum kalkulierbar.

Wir sind seit Jahren im Bereich der Insolvenzplanerstellung tätig und haben im Verbund in zahlreichen Städten erfolgreich Planverfahren durchgeführt oder sind aktuell an laufenden Planverfahren als Planersteller, Berater oder Insolvenzverwalter (Dresden, Cottbus, Leipzig, Bochum, München, Berlin, Hannover, Erfurt u. a.) beteiligt.

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