Neues Urteil zum Rechtsmissbrauch: Keine Abmahnkosten, Rechtsverteidigungskosten sind zu erstatten

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Es gibt sie immer noch, rechtsmissbräuchliche Abmahnungen im Wettbewerbsrecht. Durch die Änderung im Wettbewerbsrecht (UWG) im Dezember 2020 hat der Gesetzgeber auf die vielfachen Massenabmahnungen in der Vergangenheit reagiert. Rechtsmissbrauch ist jetzt sehr viel leichter nachzuweisen. Die Folge von Rechtsmissbrauch ist, dass Unterlassungsansprüche nicht durchgesetzt werden können, es besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Nicht nur das: Der Abgemahnte hat auch einen Anspruch auf Erstattung seiner Rechtsverteidigungskosten. Die Rechtsverteidigungskosten sind die Kosten, die der Abgemahnte an seinen Rechtsanwalt gezahlt hat für eine außergerichtliche Vertretung gegenüber dem Abmahner.

Aktuell hat meine Kanzlei Internetrecht-Rostock.de wieder einmal vor Gericht einem Abmahner Rechtsmissbrauch nachweisen können.

Der Fall

In einer Abmahnung vom Oktober 2021 war eine Unterlassungserklärung beigefügt worden, in der sich der abgemahnte verpflichten sollte für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs zu zahlen. Ferner beinhaltete die Unterlassungserklärung die Anerkennung einer Zahlungspflicht von für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.171,50 Euro netto. Den Entwurf dieser Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hatte die Klägerin ihrem Schreiben beigefügt. In der Abmahnung war für die Abgabe der Unterlassungserklärung und für die Zahlung der Abmahnkosten jeweils eine Frist von sieben Tagen gesetzt.

Im Januar 2022 erfolgte eine weitere Abmahnung, in der zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, nach der sich die Beklagte verpflichten würde, für den Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs zu zahlen. Ferner beinhaltete die von der Beklagten zu unterzeichnende Unterlassungserklärung die Anerkennung einer Zahlungspflicht von für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.682,70 Euro. Den Entwurf dieser Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hatte die Klägerin ihrem Schreiben beigefügt. In der Abmahnung war für die Abgabe der Unterlassungserklärung und für die Zahlung der Abmahnkosten jeweils eine Frist von sieben Tagen gesetzt.

In beiden Abmahnungen gab es keine weitergehenden Informationen über das Wettbewerbsverhältnis.

Der Abmahner klagte die Abmahnkosten der ersten Abmahnung ein. Unterlassungsansprüche wurden nicht geltend gemacht. Im Wege der Widerklage wurde beantragt, dass der Abmahner die Rechtsverteidigungskosten für beide Abmahnungen wegen Formfehlern und Rechtsmissbrauch erstatten sollte.

Das Urteil

Das Landgericht Traunstein (LG Traunstein Az. 1 HK O 436 vom 23.09.2022, n.rkr.) Hat die Klage auf Erstattung der Abmahnkosten des Abmahners abgewiesen. Der Abmahner wurde auf die beiden Widerklagen hin verurteilt, die Rechtsverteidigungskosten für beide Abmahnungen zu erstatten. Nach Ansicht des Landgerichtes waren die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich:

„Die Abmahnung verfolgt vorwiegend monetäre Interessen im Sinn des gesetzlichen Indizes nach § 8c II Nr. 1, 3, 4 und 5 UWG: Das vordergründige Kosteninteresse (§ 8c II Nr.1 UWG) ergibt sich aus einer Gesamtschau:

(a) Die Abmahnung enthält in Bezug auf die gerügten Wettbewerbsverstöße eine vorformulierte Unterwerfungserklärung, in der für den Fall jeder Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro vorgesehen wird. Diese Vertragsstrafe ist angesichts der hier in Rede stehenden Verstöße bereits für sich ungewöhnlich hoch; auch liegt ein sogenannter Erstverstoß vor, so dass sie als offensichtlich überhöht anzusehen ist (§ 8c II Nr. 4 UWG).

(b) Die Vertragsstrafe wurde so ausgestaltet, dass der Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen ist und sie produktbezogen anfällt.

Nach der konkret geforderten Vertragsstrafe hätte der Abgemahnte auch im Fall einer Handlungseinheit bei Zuwiderhandlung für jedes einzelne Produkt 10.000 Euro Vertragsstrafe zahlen müssen.

Berücksichtigt man weiter, dass die Klägerin ein konkretes Produkt - eine …. - beanstandet hat, dann aber generalisierend sämtliche Produkte der Beklagten zum Gegenstand der Unterlassungserklärung gemacht hat, bestätigt die Annahme, dass Hoffnung und Motiv der Klägerin war, bei Abgabe der Unterlassungserklärung und einem darauffolgenden Verstoß Vertragsstrafen pro Produkt abkassieren zu können. Auch besteht für die Beklagte bei einem solch pauschalen Verbot ein erhöhtes Risiko - gerade auch im Internet -, bis wirklich alle Angebote auf allen Seiten erfolgreich angepasst wurden.“

Abmahner ging es um die Erstattung von Abmahnkosten

Nach Ansicht des Landgerichtes waren zudem die Abmahnkosten zu hoch, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um ein geringwertiges Produkt handelte. Selbst die Forderung nach Verzugszinsen war überhöht:

„Hinzu kommt, dass die Klägerin - entgegen langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung - eine Verzugszinsforderung von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ansetzt, obwohl Abmahngebühren keine Entgeltforderung sind. Der bewusste Verstoß gegen eine langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung verdeutlicht das primäre Gelderzielungsinteresse der Klägerin“

Des Weiteren war die vorformulierte Unterlassungserklärung soweit formuliert, dass eine Vertragsstrafe hätte auch dann geltend gemacht werden können, wenn es Fehler bei anderen als den Abgemahnten Verstößen gegeben hätte.

Schuldanerkenntnis in der Unterlassungserklärung

Es war früher üblich und wir beobachten es heute zum Teil immer noch: In der der Abmahnung beigefügten Unterlassungserklärung geht es nicht nur um eine Unterlassungsverpflichtung, Häufig wird auch die Verpflichtung zur Zahlung der Abmahnkosten in die Unterlassungserklärung mit aufgenommen. Damit konstruiert der Abmahner ein Schuldanerkenntnis. Auch dies kann ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein:

Die Abmahnung erweckt den unzutreffenden Eindruck, Unterwerfung und Kostenerstattung gehörten zusammen. Dadurch wollte die Klägerin erreichen, dass mit Zeichnung der Unterwerfung auch die Zahlungsverpflichtung bestätigt wurde, d.h. insoweit ein Schuldanerkenntnis erklärt worden wäre. Das ist zur Beseitigung der dem Unterlassungsanspruch beseitigenden Wiederholungsgefahr nicht erforderlich“

Gleiche Fristen für Unterlassung und Zahlung

Wenn die Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung gleichlautend ist mit der Frist zur Zahlung, kann dies ebenfalls ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein:

„Zudem setzt die Klägerin der Beklagten in der Abmahnung für die Begleichung der anwaltlichen Kosten dieselbe knappe Frist von sieben Tagen, wie für die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit diesem Gleichklang der Fristen offenbart die Klägerin letztlich, dass sie der Abmahnkostenforderung einen vergleichbaren Rang einräumt wie den wettbewerblichen Belangen. Hinsichtlich des Zahlungsanspruches bestand keine Veranlassung für eine solche Frist.“

Es handelte sich im Übrigen nicht um eine Massenabmahnung. Vielmehr reichten dem Gericht zwei Abmahnungen, um von einem systematischen Rechtsmissbrauch auszugehen.

Es gab im Übrigen noch weitere Aspekte, die für einen Rechtsmissbrauch entsprechen können bzw. gegen eine Zahlungsverpflichtung der Abmahnkosten, die das Gericht nicht einmal thematisiert hatte.

Wir prüfen bei der Beratung einer Abmahnung Formalien und Rechtsmissbrauch

Selbstverständlich prüfen wir bei der Beratung einer Abmahnung, ob die Formalien eingehalten werden und ob Indizien für einen Rechtsmissbrauch vorliegen.

Meine Empfehlungen:

  1. Unterschreiben Sie auf keinen Fall ohne anwaltliche Beratung voreilig die vorformulierte Unterlassungserklärung.
  2. Nehmen Sie ohne Prüfung keine Zahlung vor.
  3. Lassen Sie sich zunächst anwaltlich beraten.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de tagtäglich Abgemahnte wie Sie und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  

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Wenn Sie auch eine Abmahnung erhalten haben, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:

  • Rufen Sie mich einfach an (Tel. 0381-260 567 30).
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  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.

Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



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