OLG Frankfurt am Main: Kein Anspruch eines Telekom-Kunden auf sofortige Löschung von IP-Adressen

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Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat geurteilt (Urteil vom 16.6.2010, Az.: 13 U 105/07), dass ein Telefonkunde keinen Anspruch auf unverzügliche Löschung der für die Internetnutzung vergebenen IP-Adressen (Internet-Protokoll-Adressen) hat. Das Gericht hat jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dies ist zu begrüßen, denn andere Anbieter - die keine Verbindungsdaten speichern - können Flatrates auch gegenüber ihren Kunden problemlos abrechnen. Eine Entscheidung des BGH hätte große Bedeutung für die Verfolgung von Filesharing-Sachverhalten.

Im Einzelnen:

Ein Telekom-Kunde hat keinen Anspruch auf die sofortige Löschung der für die Internetnutzung vergebenen von ihm genutzten IP-Adressen. Mit seinem Urteil vom 16.06.2010 hat das OLG Frankfurt am Main eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Darmstadt bestätigt. Aufgrund der technischen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass der Telekom bei einer sofortigen Löschung der IP-Adressen eine Abrechnung mit ihren Kunden nicht möglich sei. Zudem könnten Störungen nicht erkannt und beseitigt werden, betonten die Richter.

Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen (Az.: 13 U 105/07).

Dies ist zu begrüßen, denn andere Anbieter - die keine Verbindungsdaten speichern - können Flatrates ja auch gegenüber ihren Kunden abrechnen.

1. Sachverhalt

Der Kläger hatte mit der Telekom vor Jahren einen Internet-Zugangsvertrag nach dem Tarif „T-Online dsl flat" geschlossen. Mit seiner Klage verlangte er, dass das Unternehmen die ihm zur Internetnutzung jeweils zugeteilten dynamischen IP-Adressen sofort nach Beendigung der Verbindung löscht. Zur Zeit der Klageerhebung speicherte die Beklagte die IP-Adressen nach dem Rechnungsversand noch 80 Tage. Das LG gab der Klage im Juni 2007 insoweit statt, als es der Telekom untersagte, die Daten länger als sieben Tage zu speichern. Im selben Jahr reduzierte die Telekom die Speicherzeit auf sieben Tage, entsprechend einer Absprache mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz.

2. Kläger will keine sieben Tage Speicherzeit hinnehmen

Mit der Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, die Beklagte müsse die IP-Adressen jeweils sofort nach Beendigung einer Internetverbindung löschen. Hierzu sei sie im Interesse des Datenschutzes und des Schutzes seiner Privatsphäre verpflichtet. Weil über die IP-Adressen die Möglichkeit bestehe, das Nutzerverhalten auszuspähen und daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des jeweiligen Teilnehmers zu ziehen, sei auch ein Speicherzeitraum von sieben Tagen nicht hinnehmbar. Die Beklagte meint dagegen, sie sei berechtigt, die IP-Adressen zur Erkennung, Eingrenzung und Beseitigung von Fehlern und Störungen an ihren Anlagen sowie zur Abrechnung mit den Nutzern zu erheben und zu verwenden.

3. Speicherung kein Widerspruch zu BVerfG

Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil die Berufung zurückgewiesen. Nach Auffassung der Richter ist kein Rechtsgrund ersichtlich, nach dem die Deutsche Telekom verpflichtet ist, die IP-Adressen sofort nach Beendigung der Internetverbindung zu löschen. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht einmal ansatzweise die Rechtmäßigkeit von Datenspeicherungen durch Dienstanbieter im Zusammenhang mit dem Telekommunikationsverkehr in Zweifel gezogen. Nach den derzeitigen technischen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass der Telekom bei einer Löschung der IP-Adressen sofort nach Beendigung der Internetverbindung eine Abrechnung mit ihren Kunden gar nicht möglich sei. Bei den IP-Adressen handele es sich daher um für die Berechnung des Entgelts erforderliche Daten im Sinne des Telekommunikationsgesetzes. Dass die Telekom aktuell über bessere technische Möglichkeiten verfüge, habe der Kläger nicht darlegen können.

4. Unverzügliches Löschen bedeutet nicht sofortiges Löschen

Es komme hinzu, dass es der Telekom bei einer sofortigen Löschung der IP-Adressen derzeit praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störungen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen und zu beseitigen. Unter diesen Voraussetzungen könne der Kläger allenfalls die unverzügliche Löschung verlangen, worunter nicht die sofortige Löschung zu verstehen sei, sondern eine solche ohne schuldhaftes Zögern. Dass es der Telekom möglich sei, die IP-Adressen schneller als nach Ablauf von sieben Tagen zu löschen, ohne dass dies ihre Abrechnung mit ihren Kunden und die Störungserkennung beeinträchtige, habe der im vorliegenden Zivilprozess darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht vortragen können.

5. Bedeutung der Entscheidung

Dem Urteil komme wohl nur bis zur Neuregelung der Pflicht der Telekommunikationsdienste zur Speicherung und Bereithaltung von Verkehrsdaten für die Verfolgung von Straftaten und zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit Bedeutung zu, betonten die Richter. Das BVerfG hatte die zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Regelungen §§ 113 a, 113 b TKG, die eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorsahen, für verfassungswidrig erklärt (WM 2010, 569). Sobald der Gesetzgeber diese Bestimmungen durch eine Neuregelung zur Speicherung ersetze, dürfte auch die Telekom eine entsprechende Verpflichtung treffen und wäre ein Anspruch des Internetnutzers auf vorzeitige Löschung damit obsolet.

Quelle: BeckRS 2010, 14572; becklink 1001879; MMR-Aktuell 2010, 30495. Das Urteil ist abrufbar unter http://www.jurpc.de/rechtspr/20100145.htm

Vgl. BVerfG, Verfassungswidrigkeit der konkreten Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung, WM 2010, 569; AG Bonn, Kurzfristiges Speichern von IP-Adressen, MMR 2008, 203; AG Darmstadt, Speicherung von dynamischen IP-Adressen durch Access-Provider, MMR 2005, 634


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