OLG Stuttgart zum Restschadensanspruch - VW verliert auch in 2. Instanz

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In Wolfsburg mögen nach den ersten Urteilen von Klägern, die ihre Klage ohne vorherige Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung erst im Jahr 2020 oder später einreichten, ziemlich sicher einige Sektkorken geknallt haben. Der vom Bundesgerichtshof (BGH) im Mai 2020 bestätigte Schadensersatzanspruch gegen den Volkswagenkonzern war von den Landgerichten mehrheitlich wegen Verjährung abgelehnt worden und der für solche Fälle vom Gesetzgeber gedachte „Restschadensanspruch“ nach § 852 BGB für nicht anwendbar erklärt, sofern der Wagen gebraucht gekauft wurde. Handelt es sich bei dem Wagen allerdings um einen Neuwagen, sahen die Landgericht es in den meisten Fällen anders und bestätigten zwar den Anspruch, taten sich jedoch mit der Höhe des Schadensersatzes schwer. 

In einem von uns geführtem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bestätigte der 1. Zivilsenat in einem sehr klar und präzise formulierten Urteil nun das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung der VW AG ab. Zudem räumte der Senat erfreulicherweise auch mit einigen ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ in der Argumentation der Volkswagen AG auf und verurteilte Volkswagen zur Zahlung von Schadensersatz und zur Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs wie in einem herkömmlichen Verfahren ohne Verjährungsproblematik (OLG Stuttgart Urt. vom 09.11.2021, Az. 1 U 379/20). 

Den Wagen hatte der Kläger im Jahr 2013 direkt bei der Volkswagen AG für rund € 36.000, – als Neuwagen gekauft. Die Klage gegen Volkswagen allerdings erst im August 2020 beim Landgericht in Ellwangen eingereicht. Eigentlich zu spät, wie der Senat es auch in seinem Urteil bestätigte. 

Restschadensanspruch 

Aber eben nur eigentlich, denn der Gesetzgeber hat hier dem Geschädigten noch einen weiteren Anspruch zugedacht – den „Restschadensersatzanspruch“ nach § 852 BGB. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der auch nach Eintritt der Verjährung noch verlangt werden kann. Denn dieser Anspruch verjährt erst in zehn Jahren von seiner Entstehung an.  

Mit dieser Vorschrift soll vor allem gewährleistet werden, dass derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt hat, nicht im Genuss eines unrechtmäßig erlangten Vorteils verbleibt.  

Entgegen den Ausführungen der Volkswagen AG könne die Anwendung des § 852 S. 1 BGB nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass der Kläger durch die offensichtliche sittenwidrige Schädigung keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten habe. § 852 BGB verlängere den deliktischen Anspruch in die verjährte Zeit hinein, an den Haftungsvoraussetzungen ändere die in § 852 BGB zum Restschadensersatzanspruch getroffene Regelung nichts. 

Das von VW vorgebrachte Argument, dass ein besonderes Prozessrisiko wegen der Möglichkeit zur Musterfeststellungsklage nicht bestanden habe und daher ein Restschadensanspruch nicht in Betracht käme, ließ der Senat nicht gelten. Denn damit würde das vom Gesetzgeber ausdrücklich benannte Ziel, dass der rechtswidrig erlangte Vorteil nicht beim Schädiger verbleibt, in den Verjährungsfällen ins Gegenteil verkehrt. Dabei bezog sich der Senat direkt auf die Ausführungen in der Bundesdrucksache zur Einführung der Musterfeststellungsklage: „Kommt eine Einigung der Parteien – etwa im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung – nicht zustande und sehen die Betroffenen von einer Klage ab, verbleibt der unrechtmäßig erlangte Gewinn bei dem Anbieter, der hierdurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Wettbewerbern erzielt“.  

Die Höhe des Anspruchs sei nach Ansicht des Senats exakt wie in den gängigen Klagen im Abgasskandal zu beziffern -und sei nicht etwa nur auf den gemachten Gewinn beschränkt. Der Kläger bekam hier noch knapp € 20.300,- für sein Fahrzeug zugesprochen. 

Restschadensanspruch gibt berechtigte Hoffnung 

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Über Rogert & Ulbrich

Seit 2007 kämpft die Rechtsanwaltskanzlei Rogert & Ulbrich bundesweit auf Seiten der Verbraucher gegen Großkonzerne.

Die Kompetenz der Verbraucherschutzkanzlei beim Management von Massenverfahren wird als marktprägend im JUVE Handbuch 2019/2020 aufgeführt, was durch die Auszeichnung als Top-Dienstleister 2021 von Proven Expert unterstrichen wird. 

Die kanzleieigene Datenbank umfasst sämtliche Angaben manipulierter Fahrzeuge in Verknüpfung mit erstrittenen Urteilen und ermöglicht den Experten die Identifikation der optimalen Klagestrategie mit den bestmöglichen Erfolgsaussichten. Dank automatisierter Abläufe steht Rogert & Ulbrich als ISO 9001-zertifizierte Legal Tech-Kanzlei für erstklassige Beratung und professionelle Betreuung während des gesamten Verfahrens.

Den Verbraucherschützern gelingt es nicht nur, dass deutschlandweit erste Urteil zugunsten eines geschädigten VW-Fahrers zu erwirken, sondern darüber hinaus auch als bundesweit erste Kanzlei im Rahmen des Abgasskandals erfolgreich am höchsten deutschen Gericht – dem Bundesgerichtshof – gegen die Daimler AG zu klagen. 

Ebenfalls gelingt den Gründungspartnern Dr. Marco Rogert und Tobias Ulbrich in Kooperation mit weiteren Experten 2020 der erfolgreiche Abschluss der ersten deutschen Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG – ein bislang einzigartiger Erfolg der deutschen Rechtsgeschichte, bei dem ein Vergleich von über 830 Mio. Euro für ca. 260.000 betrogene VW-Kunden erzielt werden konnte.

Für FOCUS-Online beleuchtet Dr. Marco Rogert als Rechtsexperte seit 2019 nicht nur die Komplexität des Abgasskandals.


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