Pflichtverteidiger – was ist das? Wann steht mir ein Pflichtverteidiger zu?
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Im Rahmen eines Strafverfahrens fällt oftmals der Begriff „Pflichtverteidiger“. Doch was versteht man unter diesem Begriff? Gibt es einen Unterschied zum „normalen“ Verteidiger? Eine weitere wesentliche Frage: Wer muss den Pflichtverteidiger bezahlen? Wir klären Sie auf.
Was genau ist ein Pflichtverteidiger?
Ein Pflichtverteidiger ist ein Rechtsanwalt, der einen Angeklagten als Strafverteidiger in einem Strafverfahren verteidigt. Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einem sog. „Wahlverteidiger“ und einem „Pflichtverteidiger“, wobei darauf hinzuweisen ist, dass es sich bei einem Pflichtverteidiger keineswegs um einen „schlechteren“ Verteidiger handelt. Während der Wahlverteidiger vonseiten des Angeklagten beauftragt wird, wird der Pflichtverteidiger aufgrund einer besonderen prozessualen Situation vonseiten des Gerichts dem Angeklagten beigeordnet.
Die weitverbreitete Meinung, dass ein Pflichtverteidiger der Anwalt für „arme Menschen“ sei, ist vollkommen unzutreffend. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers steht nämlich nicht mit der finanziellen Situation des Angeklagten im Zusammenhang, mithin eine Gleichsetzung mit der sog. „Prozesskostenhilfe“ im Rahmen eines Zivilverfahrens ausscheidet. Aus diesem Grund würde (bei Vorliegen der gesetzlichen prozessualen Voraussetzungen) ebenso dem Vorstandsvorsitzenden eines DAX-Unternehmens ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden.
Wann habe ich Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?
Der Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers besteht dann, wenn es sich um einen Fall der sog. „notwendigen Verteidigung“ handelt. Gemäß § 140 StPO ist dies u. a. der Fall, wenn:
- die Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet,
- dem Angeklagten ein Verbrechen zur Last gelegt wird, d. h. eine Tat, die im Mindestmaß mit 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist,
- ein Berufsverbot droht,
- gegen den Beschuldigten eine Untersuchungshaft oder eine einstweilige Unterbringung vollstreckt wird,
- wegen der Schwere der Tat (z. B. bei einer Straferwartung ab einem Jahr Freiheitsstrafe) oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (z. B. bei einer Vielzahl an Zeugen oder wenn Vorgänge der Betriebsführung, Buchhaltung und Bilanzierung zu überprüfen sind),
- wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (z. B. als Analphabet).
Ferner gibt es Fälle, in denen die Akteneinsicht als notwendig erachtet wird. Da jedoch in der Regel nur ein Verteidiger Anspruch auf Einsichtnahme in die Ermittlungsakten hat, wird das Gericht dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beiordnen. Damit ein faires Verfahren garantiert wird, ist nach der Rechtsprechung Akteneinsicht – und damit die Beiordnung eines Pflichtverteidigers – u. a. erforderlich, wenn
- ein wichtiger Zeuge seine Aussage in wesentlichen Punkten mehrfach geändert hat,
- widersprüchliche Angaben zentraler Belastungszeugen vorliegen,
- sich in den Akten ein Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten befindet, mit dem er sich auseinandersetzen muss.
Wenn also ein Fall der „notwendigen Verteidigung“ vorliegt, wird das Gericht dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger zur Seite stellen. Wie oben bereits erwähnt, erfolgt dies jedoch völlig unabhängig davon, ob der Angeklagte Geld hat oder nicht.
Kann ich mir einen Pflichtverteidiger aussuchen?
Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, so wird das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen. Jedoch wird dem Angeklagten grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist einen bestimmten Anwalt zu benennen, den das Gericht sodann auch als Pflichtverteidiger bestellt. Sollte der Angeklagte diese Frist versäumen oder aber gar keinen Anwalt kennen, wird das Gericht einen Pflichtverteidiger auswählen und diesen beiordnen.
Im Klartext heißt das: Der Angeklagte hat sodann keinen Einfluss darauf, welcher Rechtsanwalt die Verteidigung übernimmt. Damit das eigene Schicksal nicht vom Zufall abhängt, sollte man sich daher immer selbst auf die Suche nach einem geeigneten und vertrauenswürdigen Strafverteidiger machen.
Wer trägt die Kosten des Pflichtverteidigers?
Die Antwort vorab: Bei Verurteilung zahlt der Angeklagte, bei Freispruch die Staatskasse. Die weit verbreitete Meinung, dass man einen Pflichtverteidiger nicht selbst bezahlen muss, ist unzutreffend. Es kommt nämlich darauf an, ob der Angeklagte verurteilt wird oder nicht. Falls ja, werden diesem grundsätzlich die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dazu gehören nicht nur die Gerichtskosten, sondern eben auch die Kosten der Pflichtverteidigung.
Da der Pflichtverteidiger seine Kosten gegenüber der Staatskasse geltend macht, braucht er sich über die finanzielle Situation des Mandanten keine Gedanken zu machen. Praktisch bedeutet das, dass der Pflichtverteidiger zwar seine Gebühren von der Staatskasse bekommt, die Staatskasse sich jedoch das Geld aber später vom Verurteilten zurückholt. Eine Ausnahme stellt § 74 JGG dar, wonach im Jugendstrafverfahren von einer Auferlegung der Verfahrenskosten (und damit der Pflichtverteidigerkosten) auch bei einer Verurteilung abgesehen werden kann.
Sollte gegen Sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein, stehe ich Ihnen als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Nehmen Sie mit mir per Mail oder aber telefonisch Kontakt auf, damit wir schnellstmöglich einen Besprechungstermin vereinbaren können und wir das weitere Vorgehen gemeinsam abstimmen können.
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