Pistensicherung – wer haftet, wenn sie mangelhaft ist?

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Rund um den Jahreswechsel 2022/2023 war wiederholt in der Presse zu lesen, dass es auf österreichischen Schipisten zu schweren Unfällen gekommen sei. Gemeinsam war diesen Unfällen insbesondere, dass die betroffenen Schifahrer gestürzt waren und so über den Pistenrand hinausgerieten. Zum Teil endeten die Unfälle sogar tödlich, wie etwa am Neujahrstag am Gletscher in Hintertux. Ein Grund dafür war die geringe Schneedecke neben der Piste.


Nun stellt sich die Frage, wer unter welchen Voraussetzungen für die Folgen eines solchen Unfalls haften könnte.

Die Antwort lautet, der Pistenhalter (oft auch Liftbetreiber oder Schigebiet genannt), wenn und soweit ihm ein Vorwurf aus der mangelnden Absicherung der Piste gemacht werden kann.

Daraus ergibt sich schon, dass diese Haftung sich räumlich auf den organisierten, also den „gewidmeten“ Schiraum beschränkt. Wer trotz eindeutiger Kennzeichnung des Pistenrandes über diesen hinaus in das freie, nicht präparierte Gelände fährt und anschließend von einer Lawine verschüttet wird, darf in der Regel nicht darauf hoffen, dass ihm der Pistenhalter für die widrigen Folgen des Unfalls haftet.

Anders könnte dies freilich dann sein, wenn sich eine Lawine im freien Schiraum löst und dadurch auf der präparierten Piste befindliche Schifahrer oder Snowboarder verschüttet werden, sofern die Ursache für die Lawine eine unterlassene gezielte Sprengung des Lawinenhangs im jeweiligen Schigebiet durch den Pistenbetreiber war. Lawinen können sich nämlich auch von selbst spontan lösen. Eine ständige Evaluierung der Lawinensituation ist auch in Schigebieten wichtig.

Was ist nun mit einem Schifahrer, der auf der Piste stürzt, weiter abrutscht, über den Pistenrand hinausgerät und durch den Absturz ins freie Gelände, etwa aufgrund Schneemangels, verletzt wird?

Grundsätzlich endet die Pistensicherungspflicht am Pistenrand. Will der Liftbetreiber seine Haftung für eine gewidmete Piste aufheben bzw. ausschließen, so muss er die Piste erkennbar sperren (Beschilderung, Absperrbänder).

Stellt er jedoch eine bestimmte Piste für zahlende Gäste (mit gültiger Liftkarte) zur Verfügung, so trifft ihn auch die nebenvertragliche Pflicht, die Piste in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Tut er dies nicht, haftet er auch schon bei leichter Fahrlässigkeit. Der Pistenhalter muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Eine vollkommene Sicherheit kann auf Schipisten natürlich nie gewährleistet werden. Man spricht oft auch von der „Polsterpiste“, die von Pistenbenützern nicht gefordert bzw. erwartet werden kann. Es handelt sich um einen Bewegungssport in der Natur, bei dem relativ einfach schon Geschwindigkeiten deutlich über 30 km/h erreicht werden können. Naturgemäß ist damit ein gewisses Sturz- und Verletzungsrisiko verbunden, was jedem Schifahrer und Snowboarder bewusst sein muss. So müssen Pistenbenützer etwa damit rechnen, dass eine Piste auch Steilhänge aufweist, an Bäumen, Felsen, Hütten, Schneekanonen, Liftstützen etc. vorbeiführen oder von unterschiedlicher Beschaffenheit sein kann, was die Schneeauflage anlangt. Zu denken wäre etwa an Mulden, Schlaglöcher oder härtere Stellen.

Der Seilbahnbetreiber hat dem Gast aber zumindest eine sichere Abfahrt zur Verfügung zu stellen. Ist eine solche etwa wegen starker Vereisung, Schneemangel oder Lawinengefahr nicht vorhanden, muss die Piste gesperrt oder fallweise auch der gesamte Liftbetrieb eingestellt werden.

Ganz allgemein kann gesagt werden, dass Schutzmaßnahmen dort erforderlich sind, wo dem Schifahrer oder Snowboarder nicht oder nur schwer erkennbare Hindernisse oder Gefahren drohen bzw. dann, wenn er diesen Gefahren trotz Erkennbarkeit nur schwer begegnen kann (sogenannte „atypische Gefahren“). Hindernisse, die gut sichtbar sind und denen ein verantwortungsbewusster Schifahrer oder Snowboarder aufgrund der Beschaffenheit der örtlichen Situation leicht ausweichen kann, müssen grundsätzlich nicht gesichert werden.

Schwer begegnen kann ein durchschnittlicher Schifahrer auch bei kontrollierter Fahrweise etwa einer völlig vereisten, großflächigen Stelle im Bereich einer scharfen Kurve, wenn das Gelände hinter der Außenseite der Kurve stark abschüssig ist. Rutscht er aus und gerät über den Pistenrand hinaus in unwegsames Gelände (freiliegende Steine, Bäume etc.), ist die Verletzungsgefahr und die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Pistenhalter für allfällige Verletzungsfolgen haftet.

Auch abgesichert werden muss, wenn die Gefahr einer schweren Verletzung groß ist, etwa weil sich ein Felsabbruch, eine Gletscherspalte, eine Liftstütze oder sonstige scharfkantige Hindernisse im unmittelbaren Nahbereich hinter dem Pistenrand befinden.

Nicht hingegen muss ein Sturzraum für einen Pistenbenützer gewährleistet werden, der zu schnell fährt und dadurch unkontrolliert stürzt oder über den Pistenrand hinausgerät.


Was nach der Rechtsprechung in Österreich wie zu sichern ist:

  • verschneite Seilschlinge oder Betonsockel etwa mittels Absperrbandes, nach Möglichkeit komplette Beseitigung des Hindernisses;
  • Felsabstürze mittels Fangnetz;
  • Totale Vereisung einer Steilpiste durch Pistensperre;
  • Löcher in der Schneedecke, wenn sie schwer erkennbar und tief sind etwa mittels Absperrbandes;
  • Lawinen (hier kann eine Pistensperre erforderlich sein);
  • scharfe Kurven, wenn von oben kommende Schifahrer oder Snowboarder den Eindruck haben, die Piste laufe nach einer Geländekante geradeaus weiter, fallweise durch Stocknetz, Absperrband, zusätzliche Randmarkierung;
  • mobile Schneekanonen mittel Stocknetzen;


Fazit:

Für die ordentliche Absicherung von Pisten ist der Pistenbetreiber (Liftbetreiber/Schigebiet) verantwortlich. Grundsätzlich ist nur der geordnete Schiraum bis zum Pistenrand zu sichern. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Sicherungspflicht auch geringfügig über den Pistenrand hinausgehen. Als Faustregel für den Pistenbetreiber gilt: Ist die Sicherheit der Schifahrer und Snowboarder durch Warnungs- oder Absicherungsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet, ist die Piste zu sperren (etwa bei Lawinengefahr, totaler Vereisung oder massiver Ausaperung). Bei mangelhafter Absicherung haftet der Pistenbetreiber seinen zahlenden Gästen für den entstandenen Schaden.


Tipp:

Wenn Sie bei einem Schi- oder Snowboardunfall wegen mangelnder Pistensicherheit verletzt werden, bitten Sie anwesende Freunde, Angehörige oder unbeteiligte Zeugen zeitnah möglichst viele Fotos vom Unfallbereich zu machen. Die Verhältnisse auf der Piste können sich etwa durch Umwelteinflüsse schnell ändern. Zeugenaussagen allein sind oft ungenau und daher wenig hilfreich, wenn Jahre später ein Prozess geführt werden soll. Außerdem sollten Sie Ihre Liftkarte zum Beweis dafür aufbewahren, dass Sie als zahlender Gast verunfallt sind. Dies kann für die Haftungsfrage einen großen Unterschied machen. Denn nur wer bezahlt, kommt in den Genuss der vertraglichen Haftung.



Der Autor:

MMag. Florian Stachowitz

ist Rechtsanwalt bei Wijnkamp Rechtsanwaltskanzlei - Law Firm und Spezialist für Schi- und Bergsportrecht



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