Quarantäne einer gesamten Schulklasse
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VG Arnsberg, Beschluss vom 26.08.2021, 6 L 765/21
Das Quarantäneverhalten der Behörden gegenüber Schülern sorgt derzeit für Unruhe. Dies verwundert in Anbetracht der Zahlen nicht: laut FAZ.net befanden sich zum Stichtag 26. August 2021 insgesamt 30.018 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Bei 6.561 Personen wurde eine entsprechende Corona-Infektion bestätigt. Die Länder verständigten bei bisher höchst unterschiedlichem Vorgehen darauf, nicht mehr komplette Klassenverbände in Quarantäne zu schicken. Dieses Vorgehen ist im Allgemeinen denkbar, im Einzelfall jedoch schwerlich aufrecht zu erhalten, wie ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 26.08.2021 (Az. 6 L 765/21), über den beck.de ebenfalls berichtet hat, zeigt.
Schüler haben gemeinsam gefrühstückt
Im dortigen Fall begehrte die Antragstellerin, eine Grundschülerin, dass per Eilverfahren die ihr gegenüber ergangene Quarantäneanordnung aufgehoben wird. Hintergrund war, dass eine Klassenkameradin positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Allerdings saß diese nicht unmittelbar neben ihr. Nichtsdestotrotz ordnete das Gesundheitsamt Quarantäne für den gesamten Klassenverbund an. Maßgeblich hierfür war insoweit der vorangegangene Schultag, an dem die Klasse für einen Zeitraum von ca. 15 Minuten gemeinsam gefrühstückt hat. Zwar verblieben dabei alle Kinder an ihren jeweiligen Sitzplätzen. Die entsprechende Absonderung in häusliche Quarantäne erging an sämtliche Erziehungsberechtigten der Schüler innerhalb des Klassenverbundes.
Risikoeinschätzung orientiert am RKI
In der summarischen Prüfung kommt das Vorgehen in diesem Eilverfahren zu dem Ergebnis, dass die Absonderungsanordnung voraussichtlich zu Recht erging. Die endgültige Feststellung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Behörden und Gerichte orientieren sich insoweit in den Leitsätzen des RKI zur Einschätzung des Infektionsrisikos an Schulen. Es galt insoweit acht Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die nach Ausgestaltung mit unterschiedlichem Risiko versehen werden. Bei einem entsprechend höheren und hohen Infektionsrisiko reiche die Quarantäne der unmittelbaren Sitznachbarn nicht aus. Vielmehr seien umfassendere Maßnahmen zu treffen, wie die Quarantäne des gesamten Klassenverbundes. Bei geringem Infektionsrisiko seien gezieltere Maßnahmen möglich.
Wertung des Einzelfalles
Fünf der vom RKI angeführten acht Faktoren sprechen im vorliegenden Fall jedoch für erhöhte bzw. höchste Risiken. Insofern galt es die Symptomatik des Quellfalls, den Mund-/Nasenschutz des Quellfalls, den Mund-/Nasenschutz der exponierten Personen, Aktivität und Dauer der Exposition zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall entfernten natürlich zur Essenseinnahme sämtliche Schüler ihren Mund-/Nasenschutz. Insgesamt hielten sie sich über mehrere Stunden des Tages im Klassenraum auf. Der Quellfall soll bereits deutliche Symptome gehabt haben. Zudem fand ein gemeinsames Essen statt. Vor dem Hintergrund der rasch ansteigenden Infektionszahlenuntergrenze und der erneuten Zunahme der intensiv-medizinisch zu behandelnden Patienten sei mit Blick auf die Schutzgüter von menschlicher Gesundheit und Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems die besondere Bedeutung der Unterbrechung von Infektionsketten zu berücksichtigen zu wesen. Insgesamt sei die Maßnahme damit als verhältnismäßig einzustufen.
Fazit und Ausblick
Letztlich wird es nach hiesiger Einschätzung jedoch stets eine Frage des Einzelfalles bleiben, welche Quarantänemaßnahmen gegenüber welchen Personen zutreffend sind. Wäre das Essen beispielsweise nicht im gemeinsamen Klassenraum angenommen worden, sondern unter gebührendem Abstand an der frischen Luft, dürfte zur hiesigen Überzeugung ein anderes Ergebnis vorstellbar sein. Auch ist vor dem Hintergrund der aktuellen pandemischen Lage kritisch zu hinterfragen, sein Kind mit Erkältungssymptomen zur Schule zu schicken.
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