Ratgeber (Zahn)Arzthaftung: Ist die Beauftragung eines Privatgutachters sinnvoll?

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Aus Sicht eines Patienten, der von einem Behandlungsfehler betroffen ist, stellt sich häufig die Frage, ob die Einholung eines (zumeist nicht gerade billigen) Privatgutachtens sinnvoll ist. Dies Frage ist mit Ja zu beantworten, 

  1. weil das Gutachten für die fundierte Abklärung und Feststellung des Behandlungsfehlers wichtig ist;
  2. weil das Gutachten im Prozess oder im Rahmen von außergerichtlichen Verhandlungen mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung wertvolle Hilfe leistet; der Tatsachenvortrag kann durch Vorlage des Gutachtens näher begründet und substantiiert werden;
  3. weil der Privatgutachter im Prozess auf Antrag als sachverständiger Zeuge zu vernehmen ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Mai 2018);
  4. weil der Tatrichter einem Privatgutachten die gleiche Bedeutung wie einem gerichtlichen Gutachten beimessen muss (OLG Köln, Beschluss vom 21. März 2018);
  5. weil es im Prozess genügt, wenn der Gerichtsgutachter ausführt, dass er die Feststellung der Mängel auf das Privatgutachten, die Einschätzung weiterer Behandler und die im Gutachten im einzelnen referierten Röntgenbilder stützt (es kann also dem klagenden Patienten nicht zum Nachteil gereichen, wenn z. B. die eingegliederten Brücken vom gerichtlichen Sachverständigen selbst nicht mehr in situ in Augenschein genommen werden können, siehe OLG München, Urteil vom 18. Januar 2017);
  6. weil die Klagepartei einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Einholung von Privatgutachten hat (LG Köln, Urteil vom 29. Juni 2017; OLG München, Urteil vom 15. Februar 2017). 

Praktischer Hinweis: Der Patient kann sogar evtl. die Erstattung der Kosten fordern, die ihm infolge der Begutachtung durch zwei (!) Sachverständige entstanden sind. Voraussetzung: Die vorgerichtliche Einschaltung von zwei Privatgutachtern war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Dies ist zu bejahen, wenn ein Gutachter sich zunächst mit der Frage von Behandlungsfehlern und deren Folgen nach Aktenlage beschäftigt hat, und der zweite Gutachter nachfolgend eine umfassende Begutachtung des Falles unter Einbeziehung der aus einer körperlichen Untersuchung des Patienten und einer Anamneseerhebung gewonnenen Erkenntnisse vorgenommen und sich dabei eingehend mit der Vorerkrankung des Patienten und deren Relevanz für das streitgegenständliche Behandlungsgeschehen auseinandergesetzt hat (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. Januar 2018).

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was ein gutes (zahn)ärztliches Gutachten auszeichnet. Rechtsanwalt Dr. Jürgen Klass meint dazu:

  • Der Sachverständige muss mit seinem Gutachten nach rein fachlichen Gesichtspunkten die tatsächliche Basis schaffen, aufgrund derer die rechtliche Einordnung des Falles möglich ist. Dabei sind die Beurteilung und die kritische Bewertung des Sachverhaltes sehr wichtig. Der Sachverständige sollte insoweit zu klaren und verständlichen Ergebnissen kommen. Es dürfen mit der Erstattung des Gutachtens keine Zweifel aufgeworfen werden. Vermutungen müssen vermieden werden.
  • Der Gutachter muss deutlich sagen, ob die stattgefundene Behandlung nach den anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Regeln der ärztlichen Heilkunde als „lege artis“ zu beurteilen ist oder nicht. Gelangt der Gutachter zu negativen Feststellungen, muss er die hierzu von ihm als ursächlich erkannten Gründe aufzeigen.
  • Wird vom Gutachter festgestellt, dass Sorgfaltspflichtverletzungen vorliegen, sollte er alternative Behandlungsvorschläge, die nach seiner Auffassung zu einem gleichwertigen Erfolg geführt hätten, formulieren.

Rechtsanwalt Dr. Jürgen Klass steht für weitere Auskünfte zu diesem Thema gerne zur Verfügung.



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