Rechtsanwalt darf Richter als „überaus dämlich und stinkend faul“ bezeichnen

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Vor kurzem machte der Fall um Renate Künast Schlagzeilen, wonach die Bezeichnung der Politikerin im Internet als „Drecksfotze“ keine Beleidigung darstellen soll. Nun hat das Brandenburgische Oberlandesgericht entschieden, dass ein Rechtsanwalt „besonders herabwürdigende Äußerungen“ über einen Richter eines Sozialgerichts treffen darf.

Sachverhalt (vereinfacht)

Der Rechtsanwalt veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite folgende Äußerungen:

„Auch nicht schlecht… Richter … fögelt während seiner Arbeitszeit im Gerichtsgebäude

Dass der ‚Richter’ … seine richterlichen Aufgaben mit Füßen tritt und in seiner Arbeitszeit lieber Böller verkauft und Geld vom Jobcenter annimmt, hatte ich ja hier öfter mal mitgeteilt. Nun aber setzt er noch einen drauf.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte uns jetzt darüber informiert, dass der Typ seine Arbeit von seinen Schreibkräften erledigen lässt, seine richterlichen Verfügungen ‚blanko’ unterschreibt und die Entscheidungen darüber, was mit einer bestimmten Sache zu geschehen hat, seinen Schreibkräften überlässt, in der so eingesparten Arbeitszeit fögelt er lieber mit Praktikantinnen. 

Und obwohl all dies bekannt ist, findet sich niemand von seinen Kollegen, der dem Einhalt gebietet. Wenn das der Rechtsstaat ist, auf den dieser Typ einmal geschworen hat, braucht sich Niemand wundern, wenn hier bald wieder ein Schnauzbart die Führerrolle übernimmt. 

Was ist das nur für ein elendes Dreckspack, was sich in den hinter der Richterrobe versteckt? Wir werden jedenfalls mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiter gegen diesen Typen vorgehen und hoffen, dass das BVerfG diesen Typen mal irgendwann stoppt.“

Darüber hinaus schrieb der Anwalt in einem Schriftsatz an das Sozialgericht im Rahmen eines dort anhängigen Verfahrens:

„Selbst der überaus dämliche und stinkend faule ‚Richter’ …, der sich zudem vom Verfahrensgegner bezahlen lässt, hätte dann erkennen können, gegen welchen Beschluss sich die Anhörungsrüge richtet.“

Der Richter verklagte den Anwalt und verlangte, dass der Rechtsanwalt die Äußerungen unterlässt und ein Schmerzensgeld von 5.000 € zahlt, sowie Anwaltskosten von ca. 1.000 €.

Die Klage hatte in der ersten Instanz vollumfänglich Erfolg. Hiergegen legte der Rechtsanwalt (zum Teil) Berufung ein. Mit der Berufung verfolgte er insbesondere die Abweisung der Klage hinsichtlich der Äußerungen

„der Richter am Sozialgericht … trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen“ und 

„der ‚überaus dämliche und stinkend faule Richter‘ am Sozialgericht … sei zu faul zum Arbeiten“ weiter. 

Entscheidung des Gerichts – Aussagen des Anwalts sind von der Meinungsfreiheit gedeckt

Das Gericht entschied, dass dem Richter hinsichtlich der beiden verbleibenden Aussagen kein Anspruch auf Unterlassung und Schmerzensgeld aus § 1004 Abs. 1 Satz und 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB zustehe.

Das Gericht entschied, dass es sich bei den Bekundungen um Meinungsäußerungen handle, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt seien. Denn es handle sich bei den Äußerungen, um die Kundgabe eines Werturteils und diese Meinungsäußerungen sei nicht rechtswidrig.

Die hier verwendeten Formulierungen hätten zwar einen herabsetzenden, beleidigenden und zweifellos unangemessenen Charakter. Sie hätten aber nicht lediglich die Diffamierung des Richters zum Gegenstand, sondern es fände immer noch eine Auseinandersetzung in der Sache statt. Nämlich den vom Rechtsanwalt beanstandeten „fehlenden Arbeitseinsatz des Richters sowie dessen unzureichende kognitive Fähigkeiten“. 

Dies gelte für den auf Facebook veröffentlichen Beitrag, da der Rechtsanwalt über 5.000 anhängige Verfahren bei dem Sozialgericht betrieb und die Aussagen sich auf diese beziehen. Denn die Äußerungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den seitens des Anwalts am Sozialgericht … geführten Verfahren und lassen sich nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen.

Im Übrigen würden sich die Äußerungen in dem Schriftsatz ausschließlich auf die berufliche Tätigkeit des Richters beziehen und seine Privatsphäre unberührt lassen.

Außerdem wurde ausgeführt, dass das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört und daher auch polemisch und überspitzt erfolgen könne.

Des Weiteren wurde dem Richter ein Anspruch auf Schmerzensgeld abgesprochen.

Anmerkung

Ohne Zweifel mussten die meisten Aussagen des erstinstanzlichen Verfahrens für rechtswidrig erklärt werden. Hierbei handelte es sich um beleidigende Aussagen, die den Richter persönlich herabsetzen sollten. Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren gegenständlichen Aussagen („der Richter am Sozialgericht … trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen“ und „der ‚überaus dämliche und stinkend faule Richter‘ am Sozialgericht … sei zu faul zum Arbeiten“) ist der Entscheidung ebenfalls zuzustimmen. 

Nachvollziehbar erläutert das Gericht den Umfang der Meinungsfreiheit und die Umstände, nach denen sich Aussagen messen lassen müssen, um (noch) Bestandteil der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit zu sein.

Aus der Entscheidung kann aber nicht gefolgert werden, dass die hier getroffenen Aussagen stets der Meinungsfreiheit unterfallen. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Richter als Teil der öffentlichen Gewalt schärfer kritisiert werden darf, als dies bei Privatpersonen der Fall wäre. 

Des Weiteren wäre eine Veröffentlichung der Aussage „der überaus dämliche und stinkend faule Richter am Sozialgericht … sei zu faul zum Arbeiten“ auf Facebook mit Sicherheit nicht zulässig gewesen, da die Aussage einem weiteren Personenkreis außerhalb des Verfahrens zugänglich gemacht worden wäre und damit sich nicht nur auf die berufliche Tätigkeit des Richters bezogen hätte. Das Weiteren dürfte die Veröffentlichung auf Facebook zu einer unzulässigen Prangerwirkung führen.

Bei der Frage, ob eine Aussage noch eine zulässige polemische bzw. scharfe Kritik oder bereits eine unzulässige Schmähkritik darstellt, müssen Gericht die Umstände des Einzelfalls, den Kontext der Aussage, den Sprachgebrauch und die Wirkung auf die Empfänger der Aussage bei ihrer Entscheidung berücksichtigen und bewerten. Das Ergebnis einer solchen Abwägung lässt sich nicht stets vorhersagen und stellt in Prozessen um die Meinungsfreiheit stets häufig eine gewisse Unsicherheit dar. Eine ähnliche Problematik stellt sich häufig auch im Zusammenhang mit negativen Internetbewertungen und der Frage, wie hiergegen vorgegangen werden kann.



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