Risiken einer bewusst falschen Benennung des angeblichen Fahrzeugführers im OWi-Verfahren
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Es ist verbreitete Praxis im Ordnungswidrigkeitenverfahren, dass beispielsweise bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung vom Halter eine Person als Fahrzeugführer angegeben wird, die zur Tatzeit mit dem Fahrzeug gar nicht unterwegs war, oder umgekehrt sich selbst als Fahrer anzugeben um damit einen anderen Fahrzeugführer (z. B. das noch in der Probezeit befindliche Kind) zu decken, wenn der Betroffene nicht unmittelbar nach Begehung der Ordnungswidrigkeit von der Polizei angehalten wurde und somit dessen Personalien nicht feststehen. Über das amtliche Kennzeichen kann die Verwaltungsbehörde zunächst nur den formellen Fahrzeughalter, nicht jedoch den Fahrer des Fahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln.
Abhängig von der verwendeten Messmethode, gibt es nur noch bei vereinzelten Messverfahren ein polizeiliches Anhaltekommando bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, von dem dann in der Regel die Personalien des Fahrzeugführers aufgenommen werden.
Das weitere Verfahren läuft nun so ab, dass regelmäßig dem Halter nach dem Vorfall ein Anhörungsbogen zugeht, ohne dass bislang eine Fahrerermittlung stattgefunden hätte. Die Anhörung unterbricht aber nur gegenüber dem Adressaten gegenüber die Verjährung, nicht jedoch gegenüber einem tatsächlich anderen Fahrzeugführer, gegen den zu diesem Zeitpunkt noch keine Anhörung erfolgt.
Sollte der Halter erkennbar als Fahrzeugführer ausscheiden, weil beispielsweise der Halter ein Mann, auf dem Bild aber eine Frau zu sehen sein sollte, schließen sich Fahrerermittlungen durch die Polizei und die Bußgeldstelle an. Zunächst versucht die Bußgeldstelle den Fahrer genannt zu bekommen, indem Sie an den Halter einen Zeugenfragebogen versendet, wodurch aber die Verjährungsfrist nicht unterbrochen wird. Zeugenfragebogen müssen aber nicht beantwortet werden. Da angesichts der nur dreimonatigen Verjährungsfrist die Bußgeldstelle bei der Ermittlung des Fahrzeugführers unter Druck steht, da andernfalls das Ordnungswidrigkeitenverfahren einzustellen wäre, ist es nicht auszuschließen, dass die Polizei direkt beim Halter, Familienangehörigen oder Nachbarn zu ermitteln versucht, wer das Fahrzeug des Halters regelmäßig nutzt.
Soweit nun der angeschriebene Halter als Zeuge oder Betroffener eine andere Person als Fahrzeugführer benennt, kann diese Information seitens der Bußgeldstelle überprüft werden entweder durch Anforderung eines beim Passregister hinterlegten Lichtbildes der genannten Person oder durch Überprüfung der benannten Person selbst. Da zwischen Radarbild und dem Passbild aber oftmals eine große Zeitspanne liegt, reicht den Bußgeldstellen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Lichtbild beim Passregister aus. Es wird nur eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt ohne Einholung eines Gesichtsgutachtens. Somit bleibt die Täuschung des Auskunftsgebers nicht selten unentdeckt.
Wenn jedoch die vorgenannten Maßnahmen der Bußgeldstelle und Polizei ohne Erfolg bleiben, kann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Klärung der Fahreridentität ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen den Halter ergehen. Auch bei Ordnungswidrigkeiten ist eine Durchsuchung nicht nur beim Verdächtigen, sondern auch bei dritten Personen möglich.
Wird nun gegen die als Fahrzeugführer benannte Person ein Bußgeldbescheid erlassen, wird danach die Fahrereigenschaft normalerweise nicht erneut geprüft, wenn die falsch benannte Person – gegebenenfalls in Absprache mit dem Halter – den Bußgeldbescheid akzeptiert. Mit der Begründung, nicht Fahrzeugführer gewesen zu sein, muss das Bußgeldverfahren in der Regel eingestellt bzw. der Betroffene müsste vor Gericht freigesprochen werden. Gegen den tatsächlichen Fahrer ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren jedoch bereits nach 3 Monaten verjährt, so dass ihm danach keine bußgeldrechtlichen Konsequenzen mehr drohen. Genau dies ist in der Regel die Taktik, die der Benennung einer falschen Person zu Grunde liegt.
Unberücksichtigt bei diesem Vorgehen bleiben aber oftmals dessen strafrechtlichen Risiken. Denn der Auskunftsgeber über die Person des Fahrzeugführers riskiert die Einleitung eines Strafverfahrens wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB, wenn er über einen anderen wider besseren Wissens eine Behauptung aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen. Genau dies ist der Fall, wenn eine falsche Person als Fahrzeugführer benannt wird. Denn damit soll erreicht werden, dass das Bußgeldverfahren gerade gegen die benannte Person geführt wird. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hingegen nicht strafbar wäre die Benennung einer falschen Person, wenn die Ordnungswidrigkeit gegenüber dieser bereits verjährt ist. Die Eignung der Behauptung, ein behördliches Verfahren gegen die fälschlicherweise benannte Person herbeizuführen, fehlt auch dann, wenn Umstände vorliegen, die sanktionsähnliche Maßnahmen gegen Verdächtige von vornherein ausschließen. Dies ist z.B. bei der Benennung einer in England lebenden Person als Fahrer zur Tatzeit der Fall, denn der Beschuldigte wird in der Regel davon ausgehen, dass gegen den ausländischen Staatsangehörigen wegen dessen Wohnsitzes im Ausland kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wird; er rechnet nicht mit dem Erfolg seiner objektiv unrichtigen Behauptung. Nicht einschlägig ist grundsätzlich der Straftatbestand der Strafvereitelung gemäß § 258 StGB, da es „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit geht. Beschuldigt sich der Auskunftsgeber zu Unrecht selbst, wird er nicht wegen Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145d StGB belangt, da auch hier die Vorspiegelung einer Ordnungswidrigkeit nicht ausreichend ist. Führt der Adressat des Zeugenfragebogen aus, er erkenne den Fahrzeugführer nicht oder schließe eine bestimmte verdächtige Person als Fahrer aus, so macht er sich wegen dieser Angaben keiner Falschaussage nach § 153 StGB schuldig und es liegt auch keine Strafvereitelung gemäß § 258 StGB aus den vorgenannten Gründen vor. Sollte man sich nun doch dem Vorwurf der falschen Verdächtigung ausgesetzt sehen, kann zur Entlastung mit einem Irrtum des Auskunftsgebers argumentiert werden, beispielsweise bei einer langen gemeinsam durchgeführten Fahrt habe man sich abgewechselt und deshalb sei man der Meinung gewesen, der Begleiter habe das Fahrzeug zur Tatzeit gesteuert.
Allerdings kann dem Halter nach der Einstellung des Bußgeldverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen ein „Nachspiel” in Form einer Fahrtenbuchauflage drohen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nicht möglich war.
Nicht zuletzt können dem Betroffenen im Falle einer Einstellung des Bußgeldverfahrens oder eines Freispruchs seine notwendigen Auslagen (also insbesondere Rechtsanwaltskosten) auferlegt werden, wenn er die Erhebung der öffentlichen Klage durch wahrheitswidrige Selbstbelastung veranlasst hat. Ferner kann bei spätem Vorbringen entlastender Umstände davon abgesehen werden, die dem Betroffenen entstandenen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
So verlockend die Benennung eines falschen Fahrers im Hinblick auf die Vermeidung bußgeldrechtlicher Konsequenzen auf den ersten Blick auch sein mag, sollten jedoch hierbei immer auch die eventuell hieraus entstehenden sonstigen Konsequenzen bedacht und wohlüberlegt abgewogen werden, da einerseits die Erfolgsaussichten bei der falschen Benennung eines Fahrers relativ gering sind, andererseits aber auch nicht unerhebliche Konsequenzen drohen können.
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