Schadensersatz für schlechte Tätowierung

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Schätzungsweise ein Zehntel der Erwachsenen in Deutschenland sind tätowiert. Leider steigt damit auch die Zahl derer, die Opfer von Trittbrettfahrern in der Tattooszene geworden sind. Mangelhafte Tattoos lassen sich nur schwer korrigieren.

Bei einer schlechten Tätowierung muss sich der Geschädigte nicht darauf einlassen, sich nach einer Laserbehandlung vom Tätowierer neu stechen zu lassen. Statt Nachbesserung steht dem Auftraggeber hier ein Schmerzensgeld und Schadenersatz zu. Wurde die Farbe beim Stechen der Tätowierung in zu tiefe Hautschichten eingebracht, mit der Folge, dass es im Umfeld der Tätowierungslinien zu deutlichen Farbverläufen kam und ist zudem die gestalterische Umsetzung des ausgewählten Motivs zu beanstanden, kann ein Schmerzensgeld in Höhe von 750,00 € gerechtfertigt sein. So lautet die oberlandesgerichtliche Entscheidung aus Hamm vom 15.03.2014 – Az.: 12 U 151/13 –.

Fehlerhafte Tätowierung: Rechtfertigende Einwilligung nur bei mangelfreier Herstellung; Unzumutbarkeit einer Nachbesserung; Schmerzensgeldanspruch

Hier der Leitsatz der Entscheidung:

  1. Das Stechen einer Tätowierung stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar. Die rechtfertigende Einwilligung des Auftraggebers bezieht sich auf eine technisch und gestalterisch mangelfreie Herstellung.
  2. Da es um Arbeiten geht, deren Duldung für den Auftraggeber mit körperlichen Schmerzen verbunden ist und deren Schlechterfüllung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, kommt dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers eine besondere Bedeutung zu.
  3. Verständliche Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers sind deshalb eher als bei anderen Werken geeignet, eine Nachbesserungsverweigerung des Auftraggebers zu rechtfertigen.

Der Sachverhalt

Nach dem Sachverhalt des OLG Hamm (Az. 12 U 151/13) stach ein Tätowierer zu tief in die Haut der Kundin, sodass die Farbe deutlich verlief. Zudem entsprach die Linienführung nicht exakt der Skizze, und Kalibrierunregelmäßigkeiten führten zu abweichenden Farben auf der Haut. Der Tätowierer hatte angeboten, die Kosten für die Laserbehandlung einzelner Stellen zu übernehmen. Dies sollte durch einen qualifizierten Arzt übernommen werden. Danach wollte er eine teilweise Neutätowierung erneut selbst vornehmen. Die Geschädigte aber wollte ihn auf keinen Fall noch einmal an ihre Haut lassen. Sie verlangte die Kosten für die Lasertherapie als Schadensersatz und klagte außerdem auf Schmerzensgeld.

Aus der Entscheidung

„Der ausgeurteilte Schmerzensgeldanspruch ergibt sich aus § 253 Abs. 2 BGB. Das Stechen einer Tätowierung stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar. Die Einwilligung der Klägerin erstreckte sich lediglich auf die technisch und gestalterisch mangelfreie Herstellung eines der zuvor gebilligten Skizze entsprechenden Tattoos.“

Tätowieren als Körperverletzung

„Soweit das Landgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 750,00 EUR festgesetzt hat, ist dies frei von Rechtsfehlern.“

Schmerzensgeld für fehlerhafte Tätowierung

„Zu Recht hat das Landgericht auch die sich aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB ergebende Ersatzpflicht des Beklagten im Hinblick auf zukünftige entstehende materielle und immaterielle Schäden festgestellt. Die von der Klägerin beabsichtigte Entfernung des Tattoos im Wege einer Laserbehandlung wird Kosten verursachen, deren Höhe derzeit noch nicht absehbar ist. Auch ist diese Behandlung mit weiteren immateriellen Beeinträchtigungen verbunden. Zum einen ist sie nicht schmerzfrei. Zum anderen ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F offen, ob danach weitere Beeinträchtigungen in Form von Pigmentveränderungen oder Narben bleiben.“

„Auf die vom Beklagten angebotene Nachbesserung ... muss die Klägerin sich nicht einlassen. Weitere Nachbesserungsbemühungen des Beklagten muss die Klägerin jedenfalls deshalb nicht dulden, weil sie ihr nicht zuzumuten sind, § 636 BGB.“

„Unzumutbar ist eine Nacherfüllung dann, wenn aus der maßgeblichen objektiven Sicht des Auftraggebers das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung nachhaltig erschüttert ist. ... Da es um Arbeiten geht, deren Duldung für sie mit körperlichen Schmerzen verbunden ist und deren Schlechterfüllung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, kommt dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers eine besondere Bedeutung zu.“

Wissenschaftliche Standards, klare Regelungen für den Berufszugang des Tätowierers und Hygienevorschriften für Tattoo- und Piercing-Studios sucht man in Deutschland allerdings vergebens. Das Tattoo-Gewerbe ist juristisches Brachland, einzige Ausnahme bildet die europaweite Tätowiermittelverordnung. Dort sind unter anderem Azo-Pigmente, die bis zu diesem Zeitpunkt von fast allen Tätowierern verwendet wurden. Sie können bei Laser- oder Sonneneinstrahlung in freie Radikale zerfallen und krebserregend wirken. Bei Laserbehandlungen kann insbesondere das blaue Tattoo-Pigment Phthalocyanin-Blau Probleme bereiten. Es zerfällt u.a. in Benzol, Benzonitril und Blausäure, welche hochgradig zelltoxisch wirkt. Für solche Schäden muss der Tätowierer ebenfalls zahlen.

Ohne Einwilligung des Kunden ist das Stechen von Tattoos grundsätzlich verboten und strafbar. Es erfüllt den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung. So wird die Hautoberfläche durchstochen, es wird mit der Farbe ein Fremdstoff in den Körper eingebracht und das Ganze ist auch noch mit Schmerzen verbunden. Erfolgt alles auf freiwilliger Basis gibt der Kunde sein rechtfertigendes Einverständnis für die gesamte Prozedur. Das gilt aber grundsätzlich nur für eine in Technik und Gestaltung mangelfreie Ausführung.

Sind in der Folge nur kleine Korrekturen nötig, muss der Tätowierte das hinnehmen. So urteilte das Amtsgericht München in einem anderen Fall (Az. 213 C 917/11).


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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