Scheidung ohne Ehevertrag - wer bekommt was?

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Sie dürfen beruhigt sein. Die wenigsten Ehepaare haben einen Ehevertrag. Auch ohne Ehevertrag können Sie problemlos Ihre Scheidung einreichen. Ihre Rechte und Pflichten, die sich im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung ergeben, begründen sich weitgehend nach dem Ehe- und Scheidungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ungeachtet dessen bleibt es Ihnen unbenommen, regelungsbedürftige Scheidungsfolgen ehevertraglich im gegenseitigen Einvernehmen in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zu regeln.

Was passiert bei Scheidung ohne Ehevertrag mit Kind?

Ab dem Zeitpunkt der Trennung hat Ihr Kind Anspruch auf Kindesunterhalt. Betreuen Sie Ihr Kind in Ihrem Haushalt, machen Sie den Kindesunterhalt für Ihr minderjähriges Kind als gesetzlicher Vertreter des Kindes gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil geltend. Die Höhe des Kindesunterhalts hängt allein vom Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils ab und bestimmt sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Ihr eigenes Einkommen spielt für die Bemessung des Kindesunterhalts allenfalls dann eine Rolle, wenn Sie deutlich mehr Geld verdienen als der unterhaltspflichtige Elternteil.

Praxistipp:

Im Idealfall erkennt der unterhaltspflichtige Elternteil seine Unterhaltspflicht beim Jugendamt in einer Jugendamtsurkunde rechtsverbindlich an. Die Beurkundung ist gebührenfrei.

Was gilt beim Sorge- und Umgangsrecht bei der Scheidung ohne Ehevertrag?

Trennen Sie sich und lassen sich scheiden, besteht trotz Trennung und Scheidung das gemeinsame Sorgerecht für Ihr gemeinsames Kind unverändert fort. Eine Änderung ergibt sich insoweit, als der betreuende Elternteil in alltäglichen Angelegenheiten des Kindes allein bestimmen darf und nicht darauf angewiesen ist, die Zustimmung des anderen Elternteils einzuholen (z.B. was isst und liest das Kind). Der Zustimmung bedarf es nur bei grundlegenden Angelegenheiten, die maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben (z.B. Schulbesuch). Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil kommt nur in Betracht, wenn der andere offensichtlich erziehungsungeeignet ist und das Wohl des Kindes zur Debatte steht.

Ungeachtet des Sorgerechts hat derjenige Elternteil, der das Kind nicht betreut, ein gesetzlich verbrieftes Umgangsrecht. Der betreuende Elternteil ist gesetzlich verpflichtet, dem Kind und dem anderen Elternteil den Umgang miteinander zu ermöglichen. Wird der Umgang verweigert, kann das Umgangsrecht gerichtlich eingeklagt werden.

Praxistipp:

Trotz aller emotionaler Vorbehalte und Befindlichkeiten sollten Sie als Elternteil immer berücksichtigen, dass das Kind auch nach der Trennung und Scheidung Ihr gemeinsames Kind bleibt und Sie als Elternteil in der Verantwortung für das Kind stehen. Teilen Sie sich die Verantwortung für das Kind, dürfte dies für die seelische und mentale Entwicklung des Kindes und seine emotionalen Empfindsamkeiten mehr förderlich sein, als wenn Sie sich untereinander wegen des Sorge- oder Umgangsrechts eine emotional aufgewühlte Auseinandersetzung liefern. Zugleich sollten beide Elternteile anerkennen, dass die Betreuung des Kindes aufgrund der Trennung der Eltern eine besondere Herausforderung darstellt, der beide Elternteile gerecht werden sollten. Gemeinsame Verantwortung ist geteilte Verantwortung.

Wie erfolgt die Vermögensaufteilung bei der Scheidung ohne Ehevertrag?

Wegen der Scheidung haben Sie Anspruch auf Zugewinnausgleich. Dabei wird durch den Vergleich von Anfangsvermögen bei der Eheschließung und Endvermögen bei der Scheidung festgestellt, welchen Vermögenszuwachs Sie und der Ehepartner während der Ehe erzielt haben. Der Ehepartner mit dem geringeren Vermögenszuwachs erhält die Hälfte dessen, was der andere an Vermögenszuwachs erzielt hatte.

Praxistipp:

Wenn es Ihnen gelingt, sich im gegenseitigen Einvernehmen auf den Zugewinnausgleich zu verständigen, ersparen Sie sich die eventuell anstehende gerichtliche Auseinandersetzung. Sie haben die Freiheit, den Zugewinnausgleich untereinander so zu regeln, wie Sie es für angemessen halten. Insbesondere können Sie auch von der gesetzlich vorgegebenen Quote 50 zu 50 abweichen oder den Zugewinnausgleich statt durch die Zahlung von Bargeld auch dadurch bewerkstelligen, dass ein Ehepartner einen bestimmten Vermögenswert erhält (z.B. Ihre eheliche Wohnung).

Was passiert bei der Scheidung ohne Ehevertrag mit dem Haus?

Sind Sie gemeinschaftlich Eigentümer eines Hauses, ändert sich an den Eigentumsverhältnissen allein wegen der Scheidung nichts. Sie können das Haus behalten, es an eine fremde Person vermieten und sich die Miete teilen oder ein Ehepartner nutzt das Haus weiter, am besten gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung oder gegen Vereinbarung eines Mietvertrages. Genauso gut können Sie das Haus einvernehmlich verkaufen. Ein Verkauf bietet sich vornehmlich dann an, wenn Sie den Kaufpreis für das Haus finanziert haben und aus dem Verkaufserlös den Bankkredit zurückführen möchten. Ein Grund für den Verkauf kann auch darin bestehen, dass Sie Schwierigkeiten haben, angemessen miteinander zu kommunizieren und die durch das gemeinsame Eigentum bedingte Verwaltung des Hauses nicht gewährleisten können.

Praxistipp:

Können Sie sich wegen des Schicksals des Hauses nicht verständigen, bliebe in letzter Konsequenz nur noch die Teilungsversteigerung durch das örtlich zuständige Amtsgericht. Bei der Teilungsversteigerung wird das Objekt öffentlich versteigert. Derjenige Interessent, der den höchsten Preis bietet, erhält den Zuschlag und wird mit dem Zuschlag neuer Eigentümer. Das Problem besteht darin, dass der Zuschlag erfahrungsgemäß unter dem Verkehrswert des Objekts liegen dürfte und Sie möglicherweise finanzielle Verluste in Kauf nehmen müssen. Haben Sie das Objekt finanziert, riskieren Sie eine erhebliche Verschuldung, wenn der Erlös nicht ausreicht, um den Bankkredit auszugleichen. Ein freihändiger Verkauf ist immer eine weitaus bessere Lösung.

Wie steht es um die Rente bei der Scheidung ohne Ehevertrag?

Gibt es keinen Ehevertrag, führt das Familiengericht bei der Scheidung von Amts wegen den Versorgungsausgleich durch. Dazu übersendet das Familiengericht nach Eingang des Scheidungsantrags die Formulare zur Durchführung des Versorgungsausgleichs. Darin machen beide Ehepartner Angaben zu ihren Rentenanwartschaften und, falls ein Ehepartner bereits Rente oder Pension bezieht, Angaben zur bezogenen Rente. Da der Erwerb dieser Versorgungsanrechte auf der gemeinsamen Lebensplanung während der Ehe beruht, werden diese Versorgungsanrechte unter den Ehepartnern ausgeglichen. Im Ergebnis erhält jeder in etwa die gleiche Rente.

Praxistipp:

Damit der Versorgungsausgleich Ihr Scheidungsverfahren nicht verzögert, sollten Sie frühzeitig eine Kontenklärung bei der Deutschen Rentenversicherung durchführen lassen. Dabei geht es darum festzustellen, ob alle versicherungsrelevanten Zeiten erfasst und Ihre Rentenanwartschaften und Renten richtig berechnet wurden. Der Versorgungsausgleich ist ausnahmsweise verzichtbar, wenn Sie nur kurze Zeit verheiratet waren oder die auszugleichenden Rechte nur einen geringen Wert haben.

Wie steht es um das Erbe bei Scheidung ohne Ehevertrag?

Das gesetzliche oder testamentarisch bestimmte Erbrecht eines Ehepartners wird hinfällig, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren (insbesondere Vollzug des Trennungsjahres) und der verstorbene Ehepartner (Erblasser) die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des anderen zugestimmt hatte. Eine eventuelle testamentarisch bestimmte Erbeinsetzung besteht ausnahmsweise über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus fort, wenn anzunehmen ist, dass die Erbeinsetzung über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus fortbestehen soll.

Praxistipp:

Haben Sie sich getrennt, besteht das Erbrecht zunächst fort. Möchten Sie vermeiden, dass der Ehepartner im Fall Ihres Todes Erbe wird, sollten Sie eine eventuell bestehende letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) überprüfen und das Erbrecht gegebenenfalls widerrufen. Sie können Ihre Erbfolge jederzeit neu regeln. Um das gesetzliche Erbrecht zu beseitigen, kann sich empfehlen, mit Ablauf des Trennungsjahres umgehend den Scheidungsantrag beim Familiengericht einzureichen. Sie gewinnen Zeit, wenn Sie Ihren Rechtsanwalt frühzeitig mit der Scheidung beauftragen. Es ist übliche Praxis, einen Scheidungsantrag einige Wochen vor Ablauf des Trennungsjahres beim Familiengericht einzureichen. Steigt das Familiengericht die Sachbearbeitung ein, ist das Trennungsjahr meist abgelaufen.

Sollten Sie ein Ehevertrag nachträglich erstellen?

Für einen Ehevertrag ist es nie zu spät. Sie können einen Ehevertrag abschließen, bevor Sie Ihren Partner heiraten, während Ihrer Ehe, aber auch noch kurz vor einer anstehenden Trennung oder Scheidung. Schließen Sie den Ehevertrag im Hinblick auf die Trennung, schließen Sie eine Trennungsfolgenvereinbarung und Hinblick auf die Scheidung eine Scheidungsfolgenvereinbarung. Die Inhalte sind meist weitgehend gleich.

Praxistipp:

Gerade im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung empfiehlt sich, Ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten möglichst im gegenseitigen Einvernehmen in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zu regeln. Sie bereiten damit den Weg für eine einvernehmliche Scheidung. Eine einvernehmliche Scheidung in Verbindung mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung gewährleistet, dass Sie Ihre Scheidung so kostengünstig wie möglich und so zügig wie möglich bewerkstelligen. Sie vermeiden, dass Sie sich auf eine streitige und meist sehr emotional aufwühlende Scheidung einlassen müssen.

Wer ist Ansprechpartner für die Gestaltung und Beurkundung eines Ehevertrages?

Soweit Sie in einem Ehevertrag Regelungen zum Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich oder Ehegattenunterhalt treffen, bedarf der Abschluss der notariellen Beurkundung. Eine mündliche oder privatschriftliche Vereinbarung ist zwar möglich, ist aber rechtlich nicht verbindlich. Sie können also ein Notar beauftragen, Ihren Ehevertrag zu entwerfen und zu beurkunden.

Allerdings sind Notare keine Interessenvertreter. Notare sind verpflichtet, beide Parteien eines Ehevertrages gleichermaßen zu informieren und zu beraten, dürfen aber weder die Interessen des einen noch des anderen Ehepartners bevorzugt herausstellen. Sind Sie an einer individuellen Beratung interessiert, in der Ihre familiäre, berufliche und wirtschaftliche Situation genau geprüft und Ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden, sollten Sie den Ehevertrag von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin Ihres Vertrauens entwerfen lassen. Der Rechtsanwalt wird den Vertragsentwurf Ihrem Ehepartner zur Stellungnahme zuleiten. Der Ehepartner kann sich gleichfalls anwaltlich beraten lassen. Einigen Sie sich auf einen Entwurf, können Sie den Entwurf notariell beurkunden. Nur die notarielle Beurkundung gewährleistet, dass der Ehevertrag für beide Ehepartner rechtlich verbindlich ist.

Praxistipp:

Wichtig ist, dass die notarielle Beurkundung immer bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar zu unterzeichnen ist. Es geht also nicht an, dass Sie allein zum Notar gehen, dort einen Ehevertrag aufsetzen lassen und Ihren Ehepartner danach auffordern, seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen. Lassen Sie den Vertragsentwurf von einem Rechtsanwalt entwerfen und mit dem Ehepartner verhandeln, kann Ihr Rechtsanwalt die Beurkundung bei einem Notar vermitteln.

Alles in allem

Auch wenn Sie keinen Ehevertrag abgeschlossen haben, dürfen Sie weitgehend darauf vertrauen, dass das Gesetz Ihre Rechte und Pflichten bei der Scheidung angemessen regelt. Da die gesetzlichen Regelungen aber Standardregelungen sind, kann es im Einzelfall geboten erscheinen, eine individuelle Regelung zu treffen. Für diesen Fall empfiehlt sich ehevertraglich eine Scheidungsfolgenvereinbarung. Um eine solche Scheidungsfolgenvereinbarung auf eine rechtlich sichere Grundlage zu stellen, sollten Sie sich frühzeitig informieren und möglichst anwaltlich beraten lassen. Sie schaffen damit die Voraussetzungen, auf der Sie Ihre Ehe abwickeln und die Perspektive für Ihr Leben nach der Scheidung gestalten.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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