Scheinselbständigkeit- Der Scheinselbständige als Abeitnehmer
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In diesem Beitrag werden die für die Problematik relevanten Bereiche des Strafrechtes und des Sozialversicherungsrechts angesprochen.
Eine Scheinselbständigkeit liegt bei Mitarbeitern vor, die zwar als Selbständige (meist als Subunternehmer) geführt werden, bei denen aber nach Auffassung der Prüfstelle (z.B. Deutsche Rentenversicherung) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Anders als bei der „echten“ Schwarzarbeit, bei der der Arbeitnehmer den Lohn bar und ohne Abzüge ausgezahlt wird (sogenannte Nettolohnzahlung) versuchen die Parteien bei den Fällen der Scheinselbständigkeit häufig alles „richtig“ zu machen, beurteilen den Sachverhalt aber rechtlich falsch.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass es irrelevant ist, wie die Erwerbstätigkeit betitelt wird, allein entscheidend ist die tatsächliche Umsetzung. Ein Subunternehmer (oder Selbständiger) ohne eigene Angestellte, der nur einen Auftraggeber hat, nicht weiter am Markt auftritt (z.B. keine Homepage, keine Werbung) und auch noch einen Urlaubsantrag stellen muss, wenn er in Urlaub gehen möchte, wird kaum eine Chance haben, als Selbständiger anerkannt zu werden, es wird also eine Scheinselbständigkeit angenommen. Es gibt durchaus Branchen, in denen man kaum eine Chance hat als Selbständiger anerkannt zu werden, sofern man nicht eigene Arbeitnehmer (abhängig Beschäftigte über der Geringfügigkeitsgrenze) beschäftigt. Für den Auftraggeber hat das fatale Folgen. Der „Selbständige“ wird zum Arbeitnehmer und der Auftraggeber wird zum Arbeitgeber und muss zunächst alle Arbeitnehmerbeiträge und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung aus dem ursprünglich als Unternehmerlohn vereinbaren Betrag für die letzten Jahre nachzahlen. Da kommen schnell mehrere 100.000 € zusammen. Damit aber nicht genug, es wird auch noch ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber wegen Verstoß gegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) eingeleitet. Bei höheren Schäden drohen dann Freiheitsstrafen.
Wir haben schon etliche Unternehmer vertreten, die durch die Deutsche Rentenversicherung einen Beitragsbescheid wegen angeblicher Scheinselbständigkeit der Subunternehmer von mehreren 100.000 € erhalten haben, weil diese in den letzten Jahren 3 oder 4 selbständige Subunternehmer für einige Monate beschäftigt hatten. Die Nachforderungen sind deshalb so hoch, weil die Behörden (zulässiger Weise) davon ausgehen, dass das Entgelt, welches der Selbständige erhalten hat, der Nettolohn war. Dann wird auf den Bruttolohn zurück gerechnet und daraus die Beiträge zur Rentenversicherung errechnet. Ein kleines Beispiel:
Der „Selbständige“ erhält monatlich ca. 1600 € für seine Tätigkeit vom Auftraggeber überwiesen. Er zahlt brav seine Steuern daraus und versichert sich selbst. Der Zoll überprüft den Auftraggeber und stellt fest, dass der Selbständige als Arbeitnehmer, also abhängig Beschäftigter, anzusehen ist. Es wird nun davon ausgegangen, dass die bezahlten 1600 € den Nettolohn darstellen. Der daraus resultierende Bruttolohn beträgt sage und schreibe ca. 4100 €. Daraus errechnen sich die allein vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge von monatlich ca. 1800 €. Das ergibt in 5 Jahren 108.000,00 € für den einen falsch eingeschätzten Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber nachzuzahlen hat. Strafrechtlich ist man hier schon weit im Bereich der Freiheitsstrafe, hat man mehrerer Arbeitnehmer dieser Art gehabt, wird es schon sehr schwer, die Haft zu vermeiden.
Dass dies den wirtschaftlichen Ruin der Auftraggeber bedeutet, dürfte nachvollziehbar sein. Zu der Beitragsforderung kommt dann noch das Strafverfahren, welches häufig genug mit dem Verbot der Ausübung der Geschäftsführung einhergeht. Abgesehen davon werden Freiheitsstrafen von ca. einem Jahr bei derartigen Summen verhängt. Nicht einmal das private Insolvenzverfahren kann einem aus der Misere helfen, da die aus Straftaten resultierenden Schulden nicht dem Restschuldbefreiungsverfahren unterliegen. Und genau das trifft leider für die Beitragsnachforderungen der Deutschen Rentenversicherung zu.
Sicherheit über den Status eines Selbständigen kann der Auftraggeber nur durch das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erlangen. Hierzu wird ein Formular (welches sich V027 nennt) ausgefüllt und an die Deutsche Rentenversicherung geschickt. Dies teilt dann mit, ob der Selbständige als solcher akzeptiert wird oder als Arbeitnehmer eingestuft wird. Nachdem solche Statusfeststellungsanfragen schnell bearbeitet werden, hat der Unternehmer im Regelfall innerhalb eines Monats eine verlässliche Auskunft. Aber Vorsicht, der Bescheid gilt nur und ausschließlich für das angefragte Unternehmen. Selbst wenn Ihr Auftragnehmer einen solchen Bescheid für einen anderen Betrieb, in dem er auch tätig ist vorlegen kann, bedeutet das nicht, dass er auch in Ihrem Betrieb als Selbständiger anerkannt wird, selbst dann, wenn er bei Ihnen ähnliche oder gleiche Aufträge bearbeitet. Es muss also immer ein Antrag gestellt werden, in dem genau Ihr Betrieb unter Ziffer 2.1 des Antrages auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status genannt wird.
Häufig muss an meherern Fronten gleichzeitig „gekämpft“ werden. Neben dem Strafverfahren wird häufig gleichzeitig auch ein Beitragsbescheid durch die Deutsche Rentenversicherung Bund erlassen. Selbst ein Widerspruch gegen den Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung, sodass zunächst versucht werden muss die sofortige Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Gegebenenfalls kann dies erreicht werden, wenn die Vollstreckung der Beiträge eine Härte für das Unternehmen darstellt.
Der Autor dieses Beitrages bearbeitet seit vielen Jahren sowohl die sozialrechtlichen Aspekte als auch die strafrechtliche Seite der Problematik Scheinselbständigkeit. Er ist als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in der Kanzlei Perathoner & Pfefferl in München seit 1998 tätig.
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