Schützt Kurzarbeit vor Kündigung? Jein.

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Die Verringerung der Arbeitszeit ist, wenn beide Seiten einverstanden sind, eine unkomplizierte Angelegenheit und mit einer kleinen Änderung des Arbeitsvertrags erledigt.

 

Möchte allerdings nur eine Partei, das ist in Zeiten von Corona zumeist der Arbeitgeber, die Arbeitszeit der anderen Partei reduzieren, bedarf es grundsätzlich auch einer Einigung. Diese haben viele Arbeitnehmer – oft ohne es zu wissen – unter bestimmten Voraussetzungen erteilt, nämlich im Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Die Rede ist von der Anwendbarkeit der Kurzarbeit.

 

Basics (Corona-)Kurzarbeit

 

Als Kurzarbeit wird die Verringerung der betriebsüblichen Arbeitszeit für den ganzen Betrieb oder abgrenzbare Betriebsteile bis hin zur Einstellung der Tätigkeit (Kurzarbeit Null) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bezeichnet.

 

Der Arbeitgeber zahlt in dieser Zeit das der neuen Arbeitszeit entsprechende, geringe Gehalt. Handelt es sich um eine wirksame Einführung von Kurzarbeit, gleicht die Agentur für Arbeit den Lohnausfall zu einem Prozentsatz von 60 % bis 67 % aus. Anderenfalls, also bei nicht wirksamer Einführung von Kurzarbeit, besteht trotz der ausgefallenen Arbeitszeit nach wie vor und auch rückwirkend (Aber: Ausschlussfristen beachten!) ein Anspruch auf das volle Gehalt.

 

Der Gesetzgeber hat mit einer Modifikation der Kurzarbeitsregelungen auf die Corona-Krise reagiert. Die Details der Neuregelungen können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/schuetzt_kurzarbeit_vor_kuendigung_jein/ nachlesen. Für den aktuellen „November-Lockdown“ wurden noch einmal ausdrücklich die Regelung getroffen, dass die Unternehmen von (Corona-)Kurzarbeit Gebrauch machen können, jedoch keine Kündigungen aussprechen dürfen, wenn sie sich die staatlich vorgesehene 80 %-Entschädigung erhalten wollen.

 

Unverändert ist die Bedingung für die wirksame Einführung von Kurzarbeit, dass diese dazu dienen muss, Kündigungen zu vermeiden. Es soll sich also um ein Mittel zum temporären Umgang mit einem vorübergehenden Arbeitsmangel handeln.

 

Allerdings gelingt dieser Anspruch nicht immer. Im Angesicht der anhaltenden Krise sind auch Unternehmen, die bereits Kurzarbeit angeordnet haben, gewillt, Kündigungen aussprechen. Die für beide Seiten relevante Frage lautet daher:

 

Können trotz Kurzarbeit wirksame Kündigungen ausgesprochen werden?

 

Das ist grundsätzlich möglich, allerdings nur, wenn erstens die „normalen“ Bedingungen einer (betriebsbedingten) Kündigung vorliegen und zweitens der Unternehmer nachweisen kann, weshalb sich seine ursprüngliche Prognose „vorübergehender Wegfall des Beschäftigungsbedarfs = Kurzarbeit“ geändert hat in „endgültiger Wegfall des Beschäftigungsbedarfs = Kündigung“.

 

Liegt allgemeiner Kündigungsschutz vor?

 

Diese wichtige Frage sollte zuerst geklärt werden. Sind zehn oder weniger Arbeitnehmer regelmäßig im Betrieb beschäftigt, handelt es sich um einen sog. Kleinbetrieb. Hier ist der Arbeitgeber sehr frei in seiner Entscheidung, Kündigungen auszusprechen. Trifft dieser Fall auf Sie zu, folgenden Sie dem Link https://kanzlei-kerner.de/kuendigung-im-kleinbetrieb-was-geht-und-was-nicht/ für Details zum Kündigungsschutz im Kleinbetrieb.

 

Arbeiten hingegen mehr als zehn Arbeitnehmer regelmäßig im Betrieb (folgen Sie dem Link https://kanzlei-kerner.de/corona-kuendigung-hannover-2/ für Details zur Berechnung der Arbeitnehmer) und besteht das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate hat der Arbeitgeber, besteht allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dann hat der Arbeitgeber einen deutlicher erhöhten Aufwand und mitunter auch ein Problem, im Fall eines Rechtsstreits die Rechtmäßigkeit der Kündigung nachzuweisen. Die Voraussetzungen werden im Folgenden - zwangsläufig etwas vereinfacht - dargestellt.

 

Der Wegfall der Beschäftigung und Kurzarbeit

 

Die Entscheidung zur dauerhaften Geschäftsaufgabe berechtigt (und verpflichtet) einen Arbeitgeber zur Kündigung sämtlicher Mitarbeiter. Handelt es sich allerdings nicht um einen endgültige, sondern eine zeitweilige Entscheidung z.B. anlässlich eines Lockdowns, kann die Kündigung hierdurch nicht gerechtfertigt werden.

 

Im Fall einer Umstrukturierung zum Zwecke des Personalabbaus muss der Arbeitgeber nachweisen können, aufgrund welchen Umstands welche bestimmte Arbeitsmenge entfällt. Sodann muss er nachweisen können, welche Menge an Arbeit verbleibt und anhand der Arbeitsverträge sodann, welche Arbeitnehmer für diese Aufgaben in Frage kommen.

 

Die vormalige Einführung von Kurzarbeit erschwert diese Darlegung. Denn mit dieser Einführung von Kurzarbeit hat der Arbeitgeber die Prognose „vorübergehender Arbeitsmangel“ aufgestellt. Er muss nun darlegen, weshalb sich diese Prognose verändert hat in „dauerhafter Wegfall der Beschäftigung“.

 

Ferner werden die Gerichte die sog. Verhältnismäßigkeit der Kündigung beachten. Diese bleibt dem Arbeitgeber stets nur als letztes Mittel. Allerdings kann der Auftragsmangel z.B. aus einem „Mini-Lockdown“ herrühren, der (jedenfalls vermutlich) von kurzer Dauer ist. Wie genau hier die rechtliche Prüfung im Rahmen der Corona-Krise erfolgen wird, wird sich in der Rechtsprechung nach und nach zeigen müssen.

 

Immer notwendig: Die Sozialauswahl

 

Die Sozialauswahl ist eine weitere Korrektur, die die Rechtsprechung in Bezug auf die unternehmerische Entscheidung gegebenenfalls vornimmt. Sie soll gewährleisten, dass bei der Auswahl der zu kündigenden Personen die sozialen Belange ausreichend berücksichtigt werden. Dem Unternehmer steht es also nach der Ermittlung des nach der Maßnahme noch verbleibenden Arbeitsaufwandes (siehe oben) nicht frei, darüber zu bestimmen, mit welchen seiner Mitarbeiter er diese verbleibende Arbeit erledigen möchte. Er hat hierbei

 

die in § 1 Abs. 3 KSchG genannten Kriterien zu beachten:

 

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

 

Die korrekte Durchführung der Sozialauswahl ist unter anderem aufgrund der vielfältigen Rechtsprechung komplex und kann hier nur ansatzweise dargestellt werden. Auf die leichte Schulter nehmen darf der Arbeitgeber diesen Prüfungspunkt aber nicht: Eine Kündigung mit fehlerhafter Sozialauswahl ist unwirksam, wenn sie binnen drei Wochen vor dem Arbeitsgericht angegriffen wird.

 

Fazit

 

Die Anordnung von Kurzarbeit macht eine spätere betriebsbedingte Kündigung nicht unmöglich; beides passt allerdings nicht recht zusammen, weshalb die Gerichte dem Arbeitgeber hier regelmäßig einen höheren Argumentationsaufwand abverlangen als ohnehin schon. Dessen sollten sich Arbeitgeber, aber auch betroffene Arbeitnehmer klar sein.

 

Für beide Parteien ist außerdem nicht außer Acht zu lassen, dass mit Zugang der Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht mehr ungekündigt besteht und damit eine Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld entfällt. Ein auf diese Weise betroffener Arbeitnehmer kann unter Umständen den sodann fehlenden Teil seines Einkommens bei dem Arbeitgeber ersetzt verlangen.

 

Wir haben für einen geordneten Überblick eine Checkliste erstellt, anhand derer jede Kündigung zunächst einmal auf ihre Formalia geprüft werden kann (https://kanzlei-kerner.de/checkliste-kuendigung/).

 

Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/schuetzt_kurzarbeit_vor_kuendigung_jein/ nachlesen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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