Schutz des Arbeitsverhältnisses vor gezielten Personalabbau-Maßnahmen

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Betriebsübergang, § 613a BGB: Auch noch nach mehrmonatiger Betriebsstilllegung möglich!

Anm. zu EuGH, Beschl. v. 7.8.2018 – C-472/16 – NZA 2018, 1123

Die Frage, ob ein im Zuge einer Betriebseinstellung beendetes Arbeitsverhältnis aufgrund Betriebsübergangs fortbesteht, ist eine für alle Arbeitnehmer und ihre Familien wichtige, oftmals existentielle Frage. Dies kann nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) je nach den Umständen des Einzelfalls sogar dann der Fall sein, wenn der Betrieb über mehrere Monate hinweg stillgelegt war.

Anlass für die Entscheidung war, dass einem an einer Musikschule angestellten Musiklehrer aufgrund Betriebseinstellung zum 31.03.2013 gekündigt worden war. Die Musikschule war am Markt als „Städtische“ Musikschule aufgetreten, tatsächlich hatte die Stadt jedoch einen Dienstleister mit dem Betrieb beauftragt. Diesem wurden für die Auftragsdurchführung nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch die Instrumente zur Verfügung gestellt, die alle im Eigentum der Stadt standen.

Die Stadt vergab den Auftrag sodann an einen neuen Betreiber, der nach den Sommerferien zum neuen Schuljahr per 1.9.2013 den Betrieb wieder aufnahm. Instrumente und Räume wurden wiederum von der Stadt zur Verfügung gestellt. Der Musiklehrer machte daraufhin die Unwirksamkeit seiner Kündigung geltend und einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betreiber geltend. Das nationale Gericht legte die Sache dem EuGH vor.

Rechtliche Würdigung

Das Gericht stellt fest, dass die europäische Richtlinie zum Betriebsübergang (RL 2001/23/EG) solange anwendbar ist wie die wirtschaftliche Identität des Betriebs gewahrt bleibt. Diese Beurteilung erfolgt nach einer typologischen Gesamtbetrachtung, in welche ein in der Rechtsprechung entwickelter Kriterienkatalog mit einzubeziehen ist. Damit kann eine übergangsfähige Einheit auch dann vorliegen, wenn der Auftrag wie hier nur zeitlich befristet erteilt wurde.

Für den hier erfolgten Auftragswechsel bedeutet dies ganz praktisch, dass zu prüfen ist, ob die für den Betrieb unabdingbaren Betriebsmittel weiter durch den (neuen) Betreiber genützt werden. Ist dem so, so steht auch eine vorübergehende Stilllegung, verbunden mit einem Fehlen von Beschäftigten, einem Betriebsübergang nicht entgegen. Irrelevant ist dann auch, wenn die Stilllegung sich sogar über fünf Monate hinzieht, zumal im hiesigen Fall davon drei Monate auf die Schulferien fielen.

Diese Vorgaben gab der EuGH dem nationalen Gericht als „Segelanweisung“ mit auf den Weg, anhand dieser es zu prüfen hat, ob eine wirtschaftliche Einheit übergegangen ist. 

Falls das Gericht diese feststellen sollte, so wäre von einem Anspruch auf Weiterbeschäftigung des dann unwirksam gekündigten Musiklehrers denkbar. Andererseits kann, darauf weist der EuGH ausdrücklich hin, die Kündigung der Belegschaft auch aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen und nicht als gezielte Personalmaßnahme zur Vorbereitung des Betriebsübergangs erfolgt sein.

Praxishinweis

Der Betriebsübergang, im deutschen Recht § 613a BGB. stellt eine ganz wesentliche Bestimmung im System des Arbeitnehmerschutzes dar. Insbesondere bei Betriebseinstellungen, die häufig insolvenzbedingt, also aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfolgen, stellt die Vorschrift die Hoffnung der Arbeitnehmer sicher, im Falle einer Fortführung oder Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit etwa durch einen Investor auch ihren Arbeitsplatz zu behalten. 

Bereits länger ist geklärt, dass es für die Annahme eines Betriebsübergangs ohne Bedeutung ist, wem die Betriebsmittel tatsächlich gehören (vgl. bereits EuGH – C232/04 und C-233/04 – NJW 2006, 889).

Mit der Abgrenzung danach, ob „unabdingbare Betriebsmittel“ übernommen wurden, hat der EuGH einen neuen Rechtsbegriff eingeführt, dessen Fortentwicklung es auch für etwaige Gestaltungsoptionen zu beobachten gilt.

Trotz der erkennbar arbeitnehmerfreundlichen Tendenz des EuGH wird eine Kündigung, die nur gezielte Maßnahme zur Vorbereitung eines geplanten Betriebsübergangs und daher unwirksam ist, auch weiterhin die Ausnahme bleiben und das Vorliegen besonderer Umstände erfordern.

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