Stephan Kersten: Verkauf von Hardware aus zu entsorgenden Geräten rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung

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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit aktuellen Urteil entschieden. Gegenstand des Verfahrens war die Wirksamkeit einer durch den Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Was war passiert?

Der Kläger war bei einem IT-Dienstleister des Landes beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Entsorgung von IT-Geräten, welche zum Zweck der  Geheimhaltung von Daten zur Vernichtung einem Spezialunternehmen übergeben werden sollten. Tatsächlich bot der Kläger im Zeitraum eines Jahres etwa 600 Artikel zum Verkauf über seine eigene Internetplattform an. Unter anderem wurden unstreitig drei durch den Kläger ausgebaute und zur Entsorgung bestimmte Komponenten des Beklagten zu einem Verkaufswert von insgesamt etwa 40 Euro angeboten. Nachdem  der Gebietsleiter davon Kenntnis erlangte, überprüfte dieser den Vorgang anhand der Seriennummern und stellte fest, dass es sich dabei um Teile der zu entsorgenden Geräte handelte.

Im Anschluss an ein Personalgespräch räumte der Kläger den Ausbau sowie den beabsichtigten Verkauf auf seiner Website ein, woraufhin der Beklagte eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprach.

Der Kläger wehrte sich mit der Klage gegen die Kündigung mit dem Argument, dass es sich um geringwertige Sachen gehandelt habe, die ohnehin entsorgt worden wären. Darüber hinaus sei es in dem Unternehmen gängige Praxis gewesen, dass ausgemusterte Hardware-Komponenten nicht vollständig verschrottet, sondern privat verwendet worden wären. Der Beklagte hätte daher darauf hinweisen müssen, dass der Ausbau und die Verwendung zu privaten Zwecken nicht zulässig sei.

Schwerwiegende Pflichten im Arbeitsverhältnis verletzt

Anders sah es das Landesarbeitsgericht, welches in dem Ausbau und dem Angebot der Hardware-Komponenten zum Verkauf auf eigene Rechnung einen schwerwiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten erkannte. Indem der Kläger sich die Eigentümerstellung des Beklagten angemaßt habe, sei das Vertrauensverhältnis erheblich verletzt worden. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sei jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet.

Missbrauch des gesetzten Vertrauens durch Begehung von Straftaten

Durch das Angebot der Waren zum Verkauf habe der Kläger sich strafbar gemacht und das Vertrauen des Arbeitgebers in unzumutbarer Weise missbraucht. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um Gegenstände geringen Werts handle und ob das Verhalten tatsächlich zu einem Schaden geführt habe. Der Eingriff in das Eigentum des Arbeitgebers sei daher als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignet. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletze, zeige ein Verhalten, das geeignet sei, seine Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste "Erschütterung" der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage trete unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden seien.

Irrtum des Arbeitnehmers über Rechtmäßigkeit unerheblich

Auch die Annahme des Klägers, sein Verhalten sei rechtmäßig gewesen, da es der „gängigen Praxis“ innerhalb des Unternehmens entsprochen habe, lässt keine andere Bewertung zu. Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliegt, richtet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist. Für den Kläger sei offensichtlich gewesen, dass er nicht ohne vorherige Erlaubnis mit dem Eigentum des Beklagten hätte handeln dürfen.

Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar

Schließlich sei aufgrund der Umstände des Einzelfalls und des schwerwiegenden Verstoßes ein Festhalten am Vertrag für den Beklagten auch unzumutbar i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB gewesen. Der Umstand, dass der Kläger ohne Nachfrage der Auffassung war, er könne frei über das zur Entsorgung vorgesehene Eigentum des Beklagten disponieren, habe das Vertrauensverhältnis als Grundlage einer Zusammenarbeit der Vertragsparteien nachhaltig erschüttert.

Fazit

Auch mit diesem Urteil macht das Landesarbeitsgericht  Berlin-Brandenburg deutlich, dass die Beurteilung von Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis sich nicht pauschal beantworten lässt. Während die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Kündigung aufgrund von „Bagatelltaten“ eher für unzulässig erachtet, steht in diesem Fall der durch den Kläger begangene Vertrauensbruch im Vordergrund der Kündigung. Ob eine Pflichtverletzung tatsächlich geeignet ist, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, lässt sich ausschließlich nach Überprüfung des Einzelfalls beurteilen.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2021 – 23 Sa 1629/20



Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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