Straftaten gegen Polizisten: Beleidigung, Widerstand oder gar tätlicher Angriff und Körperverletzung bei Kontrollen (u.a. am „Perth Inch“ in Aschaffenburg)

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I. Die Ausgangs-Situation: Wenn aus Chillen eine Strafanzeige von Polizei-Beamten resultiert

Es ist ein Phänomen, welches sich jährlich wiederholt: Wird das Wetter im Frühjahr schöner und erlaubt es spätestens zum Sommer hin mehr Aktivitäten im Freien, so kommt es zu Menschen-Ansammlungen an besonders schönen Plätzen – und häufig damit einhergehend auch zum Konsum alkoholhaltiger Getränke (und manchmal anderer berauschender Substanzen). Doch nicht immer bleibt es bei dem entspannt wirkenden Szenario, denn allzu oft geraten enthemmte Personen erst verbal und dann auch körperlich aneinander. Fragen nach etwaigem strafbarem Verhalten des einen oder anderen und möglichen Schadensersatzansprüchen hinüber und herüber können sich dann zwischen den Kontrahenten anschließen. Besondere Brisanz aber nimmt das Ganze oftmals dann an, wenn die Polizei erscheint.

Je größer der Tumult vor dem Eintreffen der Ordnungshüter gewesen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch die Polizei mit entsprechender Zahl von Einsatzkräften anrückt. Allenfalls höchst selten gelingt es dann, Ruhe und Ordnung herbeizuführen, ohne dass es zu weiteren Auseinandersetzungen von Privatpersonen und Beamten kommt.

Mandanten berichten uns immer wieder, dass nach ihrem eigenen Empfinden von Polizisten „in unhöflichem Ton Personenkontrollen durchgeführt“ oder auch „nicht nachvollziehbare Platzverweise erteilt“ worden seien. Da man sich ungerecht behandelt fühlte, habe man den Beamten widersprochen. Ein Wort habe dann zum anderen geführt und plötzlich sei man festgehalten, ja gar zu Boden gebracht und gefesselt worden. Im Affekt habe man sich eben losgerissen und gewehrt.

Andere Klienten hingegen räumen schlicht und einfach ein, sich trunkenheitsbedingt falsch verhalten zu haben, und bereuen selbstkritisch, was geschehen ist.


II. Verbale und körperliche Übergriffe auf Polizeibeamte werden konsequent (straf)verfolgt

Unabhängig davon, welche Variante im jeweiligen Fall aus Sicht des/der Beschuldigten gegeben ist: Wenn Polizisten sich in strafbarer Weise angegangen fühlen, stellen sie regelmäßig die für eine Strafverfolgung erforderlichen Strafanträge.

Fast immer führt dies auch zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft oder zur Beantragung des Erlasses eines gerichtlichen Strafbefehls.

Dies mag auch in den erheblich gestiegenen Fall-Zahlen von Gewalt gegen Polizeibeamte liegen. Allein für Bayern wurden im Jahr 2019 mit zunehmender Tendenz fast 8.000 derartige verbale und körperliche Angriffe statistisch erfasst.

Aus den Medien sind unzählige Berichte bekannt, in denen es in der Folge Strafanzeigen hagelte. Selbst in kleineren Städten wie Aschaffenburg kam es beispielsweise in den Jahren 2019 und 2020 regelmäßig zu Konflikten der beschriebenen Art am sogenannten „Perth Inch“, einer recht idyllisch zwischen Main und Schloss-Mauer gelegenen und vor allem bei jüngeren Leuten sehr beliebten Grünfläche.

Die Tatvorwürfe lauten dann häufig: Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in schwereren Fällen gar tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte oder vollendete Körperverletzung. Das hiesige Strafgericht verhandelte noch viele Monate nach den jeweiligen Ereignissen über entsprechende Verfahren.


III. Drohende Rechtsfolgen

Doch was erwartet einen denn nun, wenn man auf die beschriebene Weise mit der Polizei in Konflikt geraten ist?

Klar sollte Folgendes sein: Gerade in den letztgenannten Fällen, in denen es zu aktiven Angriffs- und Verletzungshandlungen gekommen sein soll, ist mit den eingeleiteten und konsequent geführten Ermittlungsverfahren nicht zu spaßen, denn es drohen nach Erwachsenenstrafrecht empfindliche Geld- oder gar Freiheitsstrafen:

  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte:
    • Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren (§ 113 Abs.1 StGB)
    • Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 5 Jahren (keine Geldstrafe!), wenn der Widerstandleistende eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt oder die Tat mit einem anderen gemeinschaftlich begeht (§ 113 Abs.2 S.2 Nr.1 bzw. 3 StGB)

  • Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte:
    • Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahren (keine Geldstrafe!) (§ 114 Abs.1 StGB)
    • Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 5 Jahren (keine Geldstrafe!), wenn der Angreifende eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt oder die Tat mit einem anderen gemeinschaftlich begeht (§ 114 Abs.2 StGB)
  • Beleidigung:
    • Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren (§ 185 StGB)

  • Körperverletzung:
    • Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren (§ 223 Abs.1 StGB)
    • Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 10 Jahren (keine Geldstrafe!), wenn der Angreifende die Verletzungshandlung mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug oder mit einem anderen gemeinschaftlich begeht (§ 224 Abs.1 Nr.2 bzw. 4 StGB)

Es gibt hiernach also zahlreiche Verhaltensweisen, die bei erwachsenen Straftätern (ab einem Alter von 21 Jahren) zu einer Freiheitsstrafe führen können.

Insbesondere ist zu beachten, dass der Tatvorwurf eines tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte bereits ohne Hinzutreten von Erschwernisgründen zu einer mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe führt. Die Verhängung einer Geldstrafe ist hier also grundsätzlich nicht vorgesehen und bei einer Verurteilung muss häufig um die Bewährung, also die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gekämpft werden, wofür eine positive Sozialprognose hinsichtlich der gesamten Lebensumstände des/der Beschuldigten erforderlich ist.

Ebenfalls muss man sich vergegenwärtigen, dass Straftaten gegen Polizisten schnell zu Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis und damit verbunden auch zu Schwierigkeiten bei der beruflichen Weiterentwicklung führen können.

Zwar kommt es bei Jugendlichen zwischen 14 und einschließlich 17 Jahren stets und bei Heranwachsenden zwischen 18 und einschließlich 20 Jahren unter Umständen zur Anwendung des Jugendstrafrechts, welches nicht solch gravierende Konsequenzen vorsieht. Auch dann aber drohen empfindliche erzieherisch wirkende Sanktionen.

Besondere Schärfe nehmen Verfahren an, bei denen Beschuldigte bereits anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, insbesondere, wenn sie sich „unter offener Bewährung“ befinden und die nun vorgeworfene neuerliche Tat zum Widerruf der bewilligten Strafaussetzung führen kann.


IV. Wie kann der spezialisierte Anwalt Beschuldigten helfen?

Der beste Rat kann freilich nach alldem nur lauten, vorbeugend alle Handlungen zu vermeiden, die einem als Beamten-Beleidigung, Widerstandshandlung oder Angriff bzw. Körperverletzung ausgelegt werden können.

Wenn sich aber aus der Situation heraus gleichwohl Derartiges entwickelt und das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sollte unverzüglich nach den Geschehnissen anwaltliche Unterstützung gesucht werden. Von vorschnellen und unüberlegten Aussagen sollte hingegen abgesehen werden. Schließlich geht es nach dem Besagten um Einiges!

Bei der Verteidigung hat der Rechtsanwalt stets die Geschehnisse vor und auch nach den seiner Mandantschaft vorgeworfenen Taten zu betrachten und ausführlich zu hinterfragen, soweit dies möglich ist.

Schließlich ist beispielsweise ein Widerstand gegen oder ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte dann nicht strafbar, wenn die Diensthandlung des Polizisten nicht rechtmäßig war (§§ 113 Abs.3 S.1, 114 Abs.3 StGB). Ging der Täter irrigerweise von einer solchen rechtswidrigen Diensthandlung aus, so kann (!) dies zu einer Strafmilderung durch das Gericht führen (§ 113 Abs.4 S.1 StGB).

Auch ist in unserer Fall-Bearbeitung schon häufig festzustellen gewesen, dass Beschuldigungen übertrieben und Mandanten vermeintliche tätliche Angriffe in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung vorgeworfen wurden, weil diese beispielsweise einen Kopfstoß zu Lasten eines Beamten ausgeübt haben sollen. Tatsächlich zeigte sich erst kürzlich bei akribischer Auswertung der (inzwischen häufig vorhandenen) Aufnahmen polizeilicher Body-Cams, dass es einen solchen bewussten Angriff eines Klienten gar nicht gab, sondern vielmehr eine bloß reflexartige Bewegung gemacht wurde. Die Folge war im konkreten Fall vor dem Amtsgericht Aschaffenburg wie auch in einigen anderen Prozessen, dass nur eine bloße Widerstandshandlung gemäß § 113 StGB (ggfl. mit Beleidigung gemäß § 185 StGB) verbleibt, was gegenüber dem deutlich schärferen Strafrahmen des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB einen ganz entscheidenden Unterschied und eine erhebliche „Schadensbegrenzung“ ausmacht.

Zwar ist derzeit noch unklar, welche Möglichkeiten zur Freizeitbetätigung uns allen unter Corona-Gesichtspunkten dieses Jahr noch wiedergegeben werden. Wenn es aber Gelegenheiten des Chillens im oben beschriebenen Sinn geben sollte, dann wird es auch wieder zu entsprechenden Straftaten gegen Polizisten kommen. Sollten derartige Aktivitäten hingegen unterbunden werden, werden sie gleichwohl hier und da stattfinden und können dann bei polizeilichen Kontrollen zu ähnlichen Szenarien führen.

Wir prüfen jeden Fall unter allen rechtlichen Gesichtspunkten anhand der amtlichen Ermittlungsakte und versuchen nach Möglichkeit, eine Einstellung des geführten Ermittlungsverfahrens zu bewirken. Sollte diese nicht möglich sein, bemühen wir uns darum, ein angemessenes Verfahrensergebnis mit moderaten Rechtsfolgen zu erzielen, wozu auch Verhaltensempfehlungen für die weitere Vorgehensweise des/der Beschuldigten gehören.

Insbesondere die Vorwürfe des angeblichen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie der versuchten Körperverletzung, aber auch des Widerstands gegen Polizeibeamte entpuppen sich nicht selten als falsch, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder rechtfertigend wirkende Gründe für die Beschuldigten herausgearbeitet werden können. Derartiges wird in der Regel aber nur bei fachkundiger anwaltlicher Unterstützung gelingen können.

Sofern tatsächlich in den schwersten Fällen des tätlichen Angriffs eine Verurteilung nicht abzuwenden sein scheint, so setzen wir uns dafür ein, dass nach der Ausnahmebestimmung des § 47 Abs.2 StGB statt einer kurzen Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt wird oder eine verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, um die Inhaftierung zu verhindern.


Dr. Sven Hufnagel
Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel vertritt regelmäßig und bundesweit in seiner Tätigkeit als Strafverteidiger seit 2003 Beschuldigte in Strafverfahren wegen angeblichen Delikten gegen Polizeibeamte.

Nähere Informationen finden Sie auf unserer Homepage unter www.anwalt-strafrecht.com.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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