Teilausschreibung des Vertragsarztsitzes?

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Können Ärzte, die ihren Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränken, die andere Hälfte ihrer Zulassung respektive den freiwerdenden „halben Vertragsarztsitz“ zur Nachbesetzung ausschreiben lassen? Einen entsprechenden Antrag stellte ein Arzt, der nur noch in Teilzeit arbeiten wollte. Sein Vertreter sollte sich auf die freiwerdende Hälfte bewerben, um sodann mit dem Abgeber des hälftigen Praxisteils in Gemeinschaftspraxis zusammenzuarbeiten.

Hintergrund des Falles ist die Einführung der so genannten Teilzulassung im Zuge der vom Gesetzgeber gewünschten Liberalisierung und Flexibilisierung des Vertragsarztrechts zum 1.1.2007. Seitdem kann ein Arzt nach § 19a Abs. 2 ZV-Ärzte seinen Versorgungsauftrag durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss auf die Hälfte beschränken. Die so entstehende halbe Zulassung ist auch mit einer Halbierung des Abrechnungsbudgets verbunden und wird dementsprechend auf die Bedarfsplanung mit dem Faktor 0,5 angerechnet. Sie kann daher im gesperrten Planungsbereich grundsätzlich nicht mehr zu einer vollen Zulassung aufgestockt werden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen vertreten bislang einheitlich die Ansicht, dass zwar auch eine etwa aufgrund Verzichts ihres Inhabers endende bloße Teilzulassung zur Praxisnachfolge ausgeschrieben werden könne. Dies gelte mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung jedoch nicht für den freiwerdenden hälftigen Zulassungsteil im Falle nachträglicher Beschränkung einer ganzen Zulassung auf den hälftigen Versorgungsauftrag. Jener Teil verfalle vielmehr gleichsam ersatzlos.

Auch die KV Bayern lehnte dementsprechend den Antrag auf Teilausschreibung ab. Das Sozialgericht München (Beschluss vom 15.1.2008 - S 38 KA 17/08) gab jedoch dem Vertragsarzt im Eilverfahren vorläufig Recht und ordnete die Teilausschreibung - unter Vorwegnahme seiner Entscheidung in der Hauptsache - mit folgenden einleuchtenden Argumenten an:

Die gesetzliche Regelung zur Ausschreibung des Vertragsarztsitzes im Nachbesetzungsverfahren (§ 103 Abs. 4 SGB V), die unter anderem dann eingreift, wenn eine Zulassung durch Verzicht endet, umfasse zwar in der Tat ihrem Wortlaut nach die Beschränkung des Versorgungsauftrags auf die Hälfte nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung sei jedoch die Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsfähigkeit einer Praxis im gesperrten Gebiet als Folge der verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie. Wenn der Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränke, erleide er erhebliche Rechtsnachteile, wenn die freiwerdende Hälfte seines Vertragsarztsitzes nicht ausgeschrieben werden könne. Dies könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Es handele sich vielmehr um ein redaktionelles Versehen, wenn er den hälftigen Verzicht auf eine Zulassung als Voraussetzung einer Ausschreibung nicht vorgesehen habe. § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei im Lichte des Artikel 14 GG (Eigentumsgarantie und Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) verfassungskonform auszulegen und auf den Fall einer Beschränkung auf den hälftigen Versorgungsauftrag zu erstrecken. Unverständlich bliebe sonst auch, dass nach der hälftigen Entziehung der Zulassung zweifelsfrei ein Ausschreibungsanspruch hinsichtlich des entzogenen Teils bestehe. Ein Arzt, der freiwillig seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt, könne aber nicht schlechter behandelt werden als ein Arzt, dem die Zulassung zur Hälfte entzogen wurde.

Wenn sich diese vernünftige und den Zielen des Gesetzgebers entsprechende sozialgerichtliche Auffassung durchsetzt, kann die „Teilung der Zulassung“ insbesondere eine interessante Gestaltungsalternative zur strikt leistungsbegrenzten Job-Sharing Gemeinschaftspraxis werden, da Leistungen aufgrund einer halben Zulassung - ausgehend vom halben Budget und im Rahmen der allgemeinen Grenzen der Honorarverteilung - ungestört wachsen dürfen. Konsequent wäre es außerdem, die Lösung des Sozialgerichts München auf die ebenfalls wünschenswerte Möglichkeit lediglich hälftigen Zulassungsverzichts eines Vertragsarztes zugunsten eines MVZ oder eines anderen Vertragsarztes zwecks dortiger Anstellung zu übertragen (§ 103 Abs. 4a und 4b SGB V).

Zunächst bleibt zwar die weitere Entwicklung der Rechtsprechung hierzu auch in Bezug auf die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des SG München abzuwarten. Im Einzelfall kann es gleichwohl schon jetzt sinnvoll sein, die Kassenärztlichen Vereinigungen und Zulassungsgremien mittels eines sozialgerichtlichen Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Möglichkeit zum gesetzes- und verfassungstreuen Handeln zu zwingen. 

Holger Barth

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

www.arztrechtplus.de


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