Trisomie 21 trotz genetischer Beratung: 7.500 Euro

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Mit Vergleich vom 23.08.2017 hat sich eine Gynäkologin verpflichtet, an meine Mandantin 7.500 Euro und die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (2,0-Geschäftsgebühr) zu zahlen.

Bei der 1990 geborenen Angestellten wurde 2012 eine Schwangerschaft festgestellt. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt in der 7. Schwangerschaftswoche. Nachdem zunächst normale Ergebnisse befundet worden waren, ließ sie in der 13. Schwangerschaftswoche ein Ersttrimester-Screening mit Anamnese, Bestimmung des freien Beta-HCG's, des PAPP-A-Wertes und der fetalen Nackentransparenz durchführen.

Das Screening ergab für das Vorhandensein einer Trisomie 21 beim Fötus ein Gesamtrisiko von 1:3220, wobei das Hintergrundrisiko 1:1038, das Biochemierisiko 1:594 und das Nackentransparenzrisiko 1:5627 betrug. Die Frauenärztin teilte telefonisch mit, es sei alles in Ordnung. Nachdem sie im Juli 2013 ihren Sohn geboren hatte, wurde unmittelbar der Verdacht auf eine Trisomie 21 gestellt und anschließend bestätigt. Die Mandantin hatte der Frauenärztin vorgeworfen, trotz der Ultraschallbefunde im Januar 2013 sowie des Biochemie-Risikos von 5:594 mitgeteilt zu haben, es sei alles in Ordnung. Wären ihr die Informationen richtig mitgeteilt worden, hätte sie weitere Untersuchungen zum Ausschluss einer Behinderung ihres Kindes angeordnet.

Sie hätte in jedem Fall eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt. Wäre ihr das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung (Trisomie 21) mitgeteilt worden, hätte sie sich definitiv gegen eine weitere Austragung ihres Kindes entschieden und hätte eine Abtreibung vornehmen lassen. Da in der Nachbarschaft ein Kind mit Trisomie 21 lebe, habe sie mit ihrem Partner vor der Schwangerschaft entschieden, niemals ein Kind mit Trisomie 21 oder einer anderen Behinderung auszutragen.

In Kenntnis der Behinderung ihres Kindes in oder kurz nach der 17. Schwangerschaftswoche hätte sie sich dafür entschieden, die Schwangerschaft zu beenden. Zum Zeitpunkt einer möglichen rechtmäßigen Abtreibung ab der 17. Schwangerschaftswoche hätten die Voraussetzungen des § 218 a Abs. 2 StGB vorgelegen: Es hätte damals eine Gefahr der schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes bestanden. Sie habe vorgehabt, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Wäre dies damals tatsächlich geschehen und adoptiert worden, hätte sich hieraus eine erhebliche konkrete Gefahr für ihre psychische Gesundheit ergeben.

Nach umfangreicher Anhörung der Mutter im Termin hat die Kammer erklärt: Das Gericht werde zu der Frage, ob der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer damaligen schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Klägerin notwendig gewesen sei, ein Sachverständigengutachten einholen.

Die Richter wiesen darauf hin, dass sie selbst dem Vortrag der Klägerin eine solche schwerwiegende Belastung nicht entnehmen könnten, sondern nur den festen Willen, kein behindertes Kind zur Welt zu bringen und zu versorgen. Was den Behandlungsfehler anginge, spräche viel dafür, dass sich dieser nicht beweisen lasse. Das Auswertungsprogramm kenne nur eine Auswertung eines Kombinationswertes. Dieser habe eindeutig im grünen Bereich gelegen. Die endgültige Klärung müsse jedoch einem Gutachten vorbehalten bleiben.

Zur Vermeidung einer weiteren umfangreichen Beweisaufnahme haben sich die Parteien auf den Betrag in Höhe von 7.500 Euro geeinigt.

(Landgericht Dortmund, Vergleichsbeschluss vom 23.08.2017, AZ: 4 O 48/16)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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