Trotz BGH-Urteil: Rechtsmissbrauch beim IDO e.V. nicht abschließend geklärt

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BGH entscheidet über Rechtsmissbrauch beim IDO e.V.

Durfte der IDO - Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) abmahnen oder nicht? Das war die Frage, über die der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren zum Aktenzeichen I ZR 111/22 entscheiden musste. In diesem Zusammenhang musste der BGH auch die Frage klären, ob die Abmahntätigkeit des Vereins rechtsmissbräuchlich war. Nun liegt das Urteil mit Begründung vor: Der BGH hat zugunsten des IDO entschieden. Dementsprechend gehen auch die ersten Bewertungen im Netz in die Richtung, dass der BGH nunmehr endgültig entschieden habe, dass der IDO in der Vergangenheit nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt hat. Aber ganz so einfach ist es aus meiner Sicht nicht. Im nachfolgenden Beitrag erläutere ich warum:


Rückblick


Das OLG Düsseldorf hatte angenommen, dass der IDO nicht abmahnen darf und dies mit der Mitgliederstruktur des Vereins begründet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2022 zum Az. 20 U 325/20, inzwischen aufgehoben durch den BGH):


„Im Hinblick auf die Mitgliederstruktur des Klägers kann indes nicht angenommen werden, dass er imstande ist, die Mitgliederinteressen tatsächlich wahrzunehmen. (…)


Bedenkt man, dass die Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung der Verbände ihre Legitimation auch aus ihrer Funktion der kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen (…) erhält, dann muss nach Auffassung des Senats ein Verband seiner Struktur nach auch eine Meinungsbildung seiner – seinem Zweck nach – schützenswerten Mitglieder (hier Online-Unternehmer und Online-Freiberufler) zulassen. (…) Gerade die Mitglieder, deren Interessen der Kläger nach § 2 seiner Satzung fördern will, nimmt er aber grundsätzlich nur als passive Mitglieder auf; um eine aktive Mitgliedschaft muss sich ein Mitglied, so der Vortrag des Klägers, vielmehr bewerben und dies ist auch mit einem weit höheren Mitgliedsbeitrag verbunden. (…) Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Mitgliedsbeitrag könne reduziert werden, wenn sich ein Mitglied entsprechend umfangreich im Verein engagiere, bleibt unklar, ob es sich insoweit überhaupt um eine ernsthaft in Betracht kommende Option handelt, ob dies also tatsächlich und konkret geregelt ist oder ob darüber nur im Einzelfall entschieden wird.“


Wie der BGH die Mitgliederstruktur des IDO bewertet hat:


Der BGH hat nunmehr mit seinem Urteil vom 26.01.2023 zum Az. I ZR 111/22 klargestellt:


„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht die Mitgliederstruktur des Klägers, die eine deutlich überwiegende Anzahl von passiven Mitgliedern aufweist, seiner Klagebefugnis nicht entgegen. Für die Klagebefugnis eines Verbands kommt es grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen - mittelbare oder unmittelbare - Mitglieder verfügen.“


Die Mitgliederstruktur des IDO als solche sah der BGH also als unproblematisch an.


Wie der BGH die Frage des Rechtsmissbrauchs bewertet hat:


Vorab ein Hinweis: Der BGH entscheidet auf der Grundlage der Sachverhalte, die im vorangegangenen Verfahren vorgetragen worden sind. Das muss man einfach wissen, wenn man sich die Ausführungen des BGH zur Frage des Rechtsmissbrauchs beim IDO ansieht. Das Problem der Abgemahnten bestand bei den Abmahnungen des IDO in der Vergangenheit nämlich gerade darin, dass die Informationen über das Vorgehen des Vereins erst nach und nach bekannt geworden sind. Die Anwälte, die das Verfahren vor dem LG Krefeld/OLG Düsseldorf geführt hatten, konnten nur die Informationen in ihr Verfahren einführen, die Ihnen vorlagen. Inzwischen liegen allerdings weitere Informationen über das Vorgehen des Vereins vor. Deshalb könnte es durchaus sein, dass der BGH sich demnächst nochmals mit der Frage des Rechtsmissbrauchs beim IDO beschäftigen wird.


Ein Beispiel:


Der BGH hat in seiner Entscheidung hinsichtlich der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit wegen eines vorwerfbaren Gebührenerzielungsinteresse auf die Beurteilung des Landgerichtes abgestellt:


„Der Umstand, dass der Kläger eine Vielzahl von Abmahnungen ausspricht, deutet nicht auf ein im Vordergrund stehendes Gebührenerzielungsinteresse. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen geschieden Wahrnehmung des Satzungszwecks des Klägers. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er damit in erster Linie nicht Wettbewerbsverstöße verfolgen, sondern Einnahmen für andere Zwecke generieren will. Gibt es eine Vielzahl von Verstößen, setzt eine effektive Durchsetzung der Mitgliederinteressen eine damit korrespondierende Vielzahl von Abmahnungen und - soweit keine Unterlassungserklärungen abgegeben werden - gerichtlicher Verfahren voraus.“


Offenbar mangels entsprechenden Vortrages hatte der BGH keinen Anlass, sich zu der Frage zu äußern, ob die Vielzahl der von dem IDO nicht weiterverfolgten Abmahnverfahren der Annahme entgegenstehen, dass es dem IDO um eine effektive Durchsetzung der Mitgliederinteressen geht. Aus dem Urteil des BGH ergibt sich nämlich an keiner Stelle, dass dem BGH die Größenordnung der Anzahl der von dem IDO nicht weiterverfolgten Abmahnverfahren bekannt war.


Ein weiteres Beispiel:


Der BGH hat in seiner Entscheidung hinsichtlich der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit wegen der Anhaltspunkte für ein systematisches Dulden von Wettbewerbsverstößen der eigenen Mitglieder auf die Beurteilung des Landgerichtes abgestellt:


„Eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger Wettbewerbsverstöße eigene Mitglieder systematisch duldete.


(…)


Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass es für eine solche systematische Duldung von Wettbewerbsverstößen durch Mitglieder des Klägers keine Anhaltspunkte gibt. Soweit die Beklagte in der von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Berufungsbegründung erneut lediglich auf Entscheidungen in anderen Verfahren verweist, ersetzt dies auch insoweit keinen substantiierten Sachvortrag.“


Offenbar mangels entsprechenden Vortrages hatte der BGH keinen Anlass, sich zu der Frage zu äußern, ob die bei entsprechenden Überprüfungen auffindbaren zahlreichen Wettbewerbsverstöße der Mitglieder des IDO hinreichende Anhaltspunkte dafür begründen, dass der IDO seine eigenen Mitglieder bei dem Vorgehen gegen Wettbewerbsverstöße aus sachfremden Erwägungen gezielt verschont.


Was das BGH-Urteil für die aktuell noch laufenden Verfahren bedeutet:


Das BGH-Urteil bedeutet für die aktuell noch laufenden Verfahren vor allem: Es kommt darauf an, ob in den noch laufenden Verfahren Informationen vorgetragen worden sind, die dem BGH in dem von ihm entschiedenen Fall noch nicht vorlagen.


Im Übrigen bezieht sich das BGH-Urteil auf ein Verfahren wegen Unterlassungsansprüchen. In den laufenden Verfahren, in denen es um Vertragsstrafenansprüche des Vereins geht, stellt sich nach wie vor die Frage, ob eine gegenüber dem Verein abgegebene Unterlassungserklärung angefochten werden kann. Dies hatten Gerichte in von mir geführten Verfahren vereinzelt angenommen.


In den von mir betreuten noch laufenden Verfahren stehen noch Termine für mündliche Verhandlungen vor verschiedenen Oberlandesgerichten an. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob in diesen Verfahren ebenfalls die Revision zum BGH zugelassen wird.


So bedauerlich das Urteil des BGH für den Betroffenen und die Anwälte, die das Verfahren geführt haben, auch sein mag: Ob das letzte Wort zur Frage des Rechtsmissbrauchs beim IDO bereits gesprochen ist, halte ich für fraglich.


Zu mir und meiner Tätigkeit:


Ich vertrete bereits seit geraumer Zeit Betroffene zu Vertragsstrafenforderungen des IDO und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Vertragsstrafenverfahren.


Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.


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  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.



Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de


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Foto(s): Andreas Kempcke

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