Umsatzsteuer im Rotlichtmilieu: Wer zahlt die Steuer fürs Vergnügen?

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Die Steuerpflicht in Bordellen ist ein komplexes rechtliches Thema. Bereits im letzten Artikel habe ich die steuerliche Problematik aus Sicht der Prostituierten dargestellt.

Umsatzsteuerlich ist insbesondere derzeit in der Praxis umstritten, ob der Bordellbetreiber die gesamte Umsatzsteuer einschließlich der Umsätze der dort tätigen Prostituierten schuldet oder ob die Prostituierten ihre Umsätze selbst versteuern müssen. Diese Problematik wird durch divergierende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Finanzgerichts (FG) München verdeutlicht. Der BGH entschied, dass die Prostituierten selbstständig tätig sind und daher selbst die Umsatzsteuer schulden, während das FG München die Umsatzsteuerpflicht auch für die Umsätze der Prostituierten dem Bordellbetreiber zuordnete. Diese unterschiedlichen Auffassungen führen zu erheblichen Unsicherheiten in der Praxis.

Urteil des FG München

Das Finanzgericht München hat in seinem Urteil vom 20. Juni 2023 (Az. 5 K 1966/19) entschieden, dass die gesamten in einem Bordell erbrachten Umsätze dem Bordellbetreiber zuzurechnen sind. Diese Entscheidung basiert auf der Ansicht, dass der Bordellbetreiber aufgrund seiner Organisationsleistungen und des nach außen vermittelten Gesamtbildes als Anbieter sämtlicher Dienstleistungen, einschließlich der sexuellen Dienstleistungen der Prostituierten, auftritt.

Für die Zurechnung der Umsätze gelten die allgemeinen Grundsätze des Umsatzsteuerrechts. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. 

Das FG München führte aus, dass der Bordellbetreiber die gesamten Umsätze einschließlich derer der Prostituierten zu versteuern hat, da diese in den Betrieb des Bordells eingegliedert sind. Es kommt darauf an, ob der Unternehmer nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und deren Unterbringung das Bordell betreibt.

Urteil des BGH

Im Gegensatz dazu entschied der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. Mai 2022 (Az. 1 StR 475/21), dass die Prostituierten als selbstständige Unternehmerinnen tätig sind und daher selbst die Umsatzsteuer schulden. Der BGH stellte fest, dass die Prostituierten ihre Leistungen eigenständig und auf eigene Rechnung anbieten und erbringen. Sie verhandeln direkt mit den Freiern über die Preise und kassieren das Entgelt unmittelbar von diesen.

Der BGH betonte, dass die nach außen kommunizierte Selbstständigkeit der Prostituierten, beispielsweise durch Hinweise im Bordell und auf der Internetseite, die Zurechnung der Umsätze an die Prostituierten selbst stützt. Diese Hinweise machten deutlich, dass die Prostituierten unabhängig vom Bordellbetreiber ihre Dienstleistungen anbieten. Der BGH hob hervor, dass der Bordellbetreiber nur pauschale Entgelte für die Nutzung der Räumlichkeiten und sonstiger Infrastruktur erhebt, jedoch nicht an den Einnahmen der Prostituierten beteiligt ist. Damit sind die Prostituierten gemäß § 2 Abs. 1 UStG als selbstständige Unternehmer anzusehen, die ihre Umsätze selbst versteuern müssen.

Fazit

Die divergierenden Urteile zeigen, dass die Zurechnung der Umsatzsteuerpflicht in Bordellen stark vom Einzelfall abhängt. 

Die Finanzgerichtsbarkeit neigt dazu, die gesamten Umsätze dem Bordellbetreiber zuzurechnen, insbesondere wenn eine erhebliche organisatorische Einbindung der Prostituierten in den Bordellbetrieb vorliegt. Demgegenüber vertritt die Strafgerichtsbarkeit, wie im Urteil des BGH, die Auffassung, dass die Prostituierten selbstständig tätig sind und somit selbst umsatzsteuerpflichtig sind. Diese unterschiedlichen Ansätze basieren maßgeblich darauf, ob die Prostituierten als in den Betrieb des Bordells eingegliedert betrachtet werden oder ob sie unabhängig und weisungsfrei ihre Dienstleistungen anbieten.

Angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechung zur Umsatzsteuerpflicht in Bordellen ist es ratsam, im Einzelfall rechtlichen Rat einzuholen. Die genauen Umstände der Betriebsführung, die vertraglichen Vereinbarungen und das Auftreten nach außen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Umsatzsteuerpflicht. Bordellbetreiber und Prostituierte sollten sich daher individuell beraten lassen, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden und den steuerlichen Verpflichtungen korrekt nachzukommen.


Nehmen Sie Ihre steuerlichen Herausforderungen nicht allein in Angriff! Mit meiner langjährigen Erfahrung in der Finanzverwaltung als Finanzbeamter und Sachgebietsleiter im Strafsachenfinanzamt sowie als ehemaliger Polizeibeamter verfüge ich über das notwendige Know-how, um Sie insbesondere in Betriebsprüfungsfällen und bei Auseinandersetzungen mit der Steuerfahndung effektiv zu unterstützen.

von Rechtsanwalt Martin Figatowski, LL.M. (Tax) 


Herr Figatowski ist Rechtsanwalt und Partner bei GTK Rechtsanwälte Klein Figatowski Todtenhöfer PartmbB. 

Zu den Tätigkeitschwerpunkten gehört neben dem Strafrecht und Steuerstrafrecht auch das Cyberstrafrecht sowie die Unterstützung im Bereich Incident Response und IT-Forensik. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Recht der Künstliche Intelligenz und das Datenschutzrecht.

Unsere Kanzleiwebseite finden Sie unter www.gtkr.de. Sie erreichen Herrn RA Figatowski unter bonn@gtkr.de . Die Texte und Bilder sind mit Hilfe von GPT4 erstellt.

Foto(s): Martin Figatowski

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