Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort § 142 StGB - Hilfe vom Fachanwalt

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Unfälle im Straßenverkehr können jedem passieren und sind für jeden Beteiligten ein Ärgernis. Sollte sich jedoch ein solcher Unfall ereignet haben, ist es erforderlich sich zunächst einmal einen Überblick zu verschaffen und am Unfallort zu verbleiben. Sollte dies - angeblich oder tatsächlich - nicht geschehen sein, liegt schnell der Verdacht des unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vor, umgangssprachlich auch Fahrerflucht / Unfallflucht genannt. Werden Sie nun beschuldigt sich unerlaubt von einem Unfallort entfernt zu haben und damit den Tatbestand des § 142 StGB erfüllt zu haben, kann Ihnen dieser Beitrag helfen sich einen ersten Überblick zu verschaffen. In vielen Fällen ist einem nicht bewusst was der genaue Vorwurf ist und wie Sie diesen erfüllt haben sollen. Im Folgenden erfahren Sie durch Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Gescher, Reken) alles Wichtige zu den Voraussetzungen des § 142 StGB.


Was sind die Voraussetzungen des § 142 StGB?

Um den Tatbestand des § 142 StGB zu erfüllen und sich strafbar gemacht zu haben, müssen verschiedene Voraussetzungen vorliegen. Innerhalb des § 142 StGB normieren Abs. 1 und Abs. 2 zwei verschieden Strafbarkeitsansätze mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen. Für beide Tatbestände ist jedoch ein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr erforderlich und das Sich-Entfernen vom Unfallort durch den Täter. Nachfolgend werden diese Voraussetzungen näher erläutert und anschließend auf die Unterschiede von Abs. 1 und Abs. 2 eingegangen.


Unfall 

Zuerst muss ein Unfall vorliegen. Ein Unfall ist ein plötzliches Ereignis im Straßenverkehr in welchem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko verwirklicht und unmittelbar zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Für völlig belanglose Schäden wird eine Höhe von weniger als 50 Euro angenommen und Verfahren mit der Höhe dieser Schäden unterfallen nicht dem § 142 StGB. Man kann sich als Laie ausmalen, wie selten eine Beschädigung in der Wirklichkeit unter 50 Euro liegt. 

Bei dem Schaden muss es sich zudem um einen Fremdschaden handeln. Dieser muss zwangsweise auf den Unfall zurück zu führen sein. Entscheidend für die Verteidigung kann sein, ob unter Umständen ein Vorschaden vorlag. Zur Feststellung eines solchen kann ein Strafverteidiger für Sie die Begutachtung des Schadens durch einen technischen Sachverständigen beantragen. Aber auch Vorschäden am eigenen Fahrzeug können die Zuordnung des aktuellen Unfallschadens erschweren und der Verteidigung nutzen. 

Ob der Unfall im ruhenden oder fließenden Verkehr geschah, ist für die Strafbarkeit nicht von Bedeutung. Häufig kommen in der Praxis sogenannte Parkplatzrempler vor.   

Als Unfallbeteiligte kommen alle am Verkehr teilnehmenden Personen in Frage, neben Autofahrern also auch Radfahrer oder Fußgänger. 


Öffentliche Straßenverkehr

Des Weiteren muss sich der Unfall im öffentlichen Straßenverkehr ereignet haben. Der öffentliche Straßenverkehr richtet sich nach faktischen Verhältnissen und liegt vor, wenn die Verkehrsfläche von einem zufälligen Personenkreis tatsächlich genutzt werden kann, also für jedermann jederzeit zugänglich ist. 

Zum öffentlichen Straßenverkehr zählen neben den Straßen beispielsweise auch Parkplätze, für Allgemeinheit offenstehende Parkhäuser, Warenhausparkplätze, Tankstellengelände, Fuß- und Radwege, Grundstückeinfahrten oder Parkplätze von Behörden. Entscheiden ist oftmals die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die Freigabe des Geländes für unbestimmte Besucher/Kunden. 

Nicht zum öffentlichen Straßenverkehr gehören beispielsweise Privatgrundstücke, Tiefgaragen mit fest vermieteten Stellplätzen, private Garagenzufahrten, Betriebsgelände zur Warenanlieferung oder Parkplätze vor Wohnhäusern mit entsprechender Kennzeichnung. Ein erfahrener Strafverteidiger kann für Sie anhand der örtlichen Gegebenheiten und der dazu passenden Rechtsprechung überprüfen, inwiefern sich der Unfall im öffentlichen Straßenverkehr ereignet hat.


Sich-Entfernen vom Unfallort 

Nun muss sich der potentielle Täter vom Unfallort entfernt haben. Der Unfallort ist die Stelle wo sich der Unfall ereignet hat und dessen unmittelbare Umgebung. Sollte nun der Täter den Unfallbereich so weit verlassen, dass er seine Pflicht, sich anderen Beteiligten zu offenbaren nicht mehr erfüllen kann oder sich außerhalb des Bereichs der Unfallstelle befindet, indem feststellungsberechtigte Personen den Unfallbeteiligten vermuten würden, liegt ein Entfernen vom Unfallort vor.

Das Entfernen wird durch die Polizei und Staatsanwaltschaft leider zu oft zu schnell unterstellt. So liegt z.B. unter Umständen kein strafbares Sich-Entfernen vor, wenn man mit dem LKW nach einem Rempler eine belebte Straße für die übrigen Verkehrsteilnehmer versperrt und daher lediglich den nächsten freien Parkplatz ansteuert, um sodann zum Unfallort zu Fuß zurückzukehren. Ähnliches gilt bei Autobahnunfällen, wo es zulässig sein kann, den nächsten Rastplatz anzufahren.   


Fehlt nur eine einzige der oben genannten Voraussetzungen, entfällt die Strafbarkeit. Es gibt also für einen versierten Verkehrsanwalt zahlreiche Verteidigungsansätze. 


§ 142 Abs. 1 StGB – aktive Tatbegehung

Sollten diese Voraussetzungen jedoch alle vorliegen, kommt es im Folgenden darauf an, ob der Unfallbeteiligte entweder die Feststellungen nicht ermöglicht hat (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder keine den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, um Feststellungen zu ermöglichen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB). 

Bei Nr. 1 ist es erforderlich, dass andere Unfallbeteiligte oder Geschädigte bestimmte Angaben zur Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung erhalten. Achtung: Es genügt nicht, lediglich eine Visitenkarte oder ein Zettel mit seinem Namen und seiner Anschrift zu hinterlassen. Bezüglich der Wartepflicht ist anzubringen, dass es für die Dauer dieser auf die konkreten Umstände ankommt. Strafbar ist es den Unfallort zu verlassen, bevor man eine angemessene Zeit gewartet hat. Maßstäbe für eine angemessene Wartezeit sind unter anderem die Art und Schwere des Unfalls, die Tageszeit, die Verkehrsdichte, die Witterung und die Schadenshöhe. 

Machen Sie daher keine unüberlegten Angaben zur Wartezeit ohne Rücksprache mit Ihrem Verteidiger, denn eine konkrete Feststellung der Unfallzeit und Wartezeit ist ohnehin oftmals nicht überprüfbar und dementsprechend sind die eigenen Angaben entscheidend.  


Unterlassen nachträglicher Mitteilung § 142 Abs. 2 StGB

Möglicherweise ist es Ihnen jedoch nicht zu zumuten, am Unfallort zu warten. Dies kann beispielsweise vorliegen, wenn die Wartepflicht erfüllt wurde ohne das eine andere Person erschienen ist oder wenn man sich berechtigt oder entschuldigt entfernt hat. Ein Beispiel wäre, dass man eine verletzte Person ins Krankenhaus bringt. Für diese Fälle ist es jedoch erforderlich nachträglich die Feststellungen zu ermöglichen. In § 142 Abs. 3 StGB sind die konkreten Voraussetzungen der nachträglichen Meldung normiert. Diese muss unverzüglich erfolgen. Die nachträgliche Mitteilung muss entweder gegenüber dem Berechtigten oder einer nahe gelegenen Polizeistelle erfolgen. Dort muss die Beteiligung am Unfall, die eigene Anschrift, das Kennzeichen und der Standort des eigenen Fahrzeuges angegeben werden. Sollte dies nun nicht oder nicht unverzüglich erfolgt sein, liegt eine Strafbarkeit gem. § 142 Abs. 2 StGB vor.


Vorsätzliches Handeln erforderlich

Wichtig ist im Zusammenhang mit diesem Tatbestand zu betonen, dass nur das vorsätzliche Handeln strafbar ist und nicht das fahrlässige Handeln. Auch eine Versuchsstrafbarkeit besteht nicht. Sollten Sie nicht bemerkt haben, dass Sie beispielsweise beim Ausparken ein anderes Auto angefahren haben, kann dies nicht gem. § 142 StGB bestraft werden. § 142 StGB setzt voraus, dass der Unfall visuell, akustisch oder taktil ("Ruckeln") wahrgenommen wurde. 

Medizinische Gründe wie das Vorliegen von Schwerhörigkeit oder Sehschwächen können Zweifel an der Wahrnehmung des Unfalls ergeben und den Vorsatz ausschließen. Aber Vorsicht: ein solches Argument muß mit Bedacht gewählt werden, da unter Umständen fahrerlaubnisrechtliche Folgen drohen. Medizinische Gründe sind allein nach Konsultation eines erfahrenen Verteidigers vorzutragen - oder im Zweifel besser nicht zu erwähnen. Manchmal kann die Strafe das kleinere Übel sein, wenn dafür die Führerscheinstelle nicht die Umstände möglicherweise fehlender Kraftfahreignung erfährt. Bei medizinisch bedingten Wahrnehmungsstörungen kann das Vorbringen dieser sogar eine viel schwerwiegendere Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1b (Straßenverkehrsgefährdung) begründen    

Auch Lärm, Starkregen, der aufs Dach prasselt oder laute Musik können die Wahrnehmung beeinträchtigen. Innere Einflüsse wie Stress, Angst oder Abgelenkt sein sind ebenfalls denkbare Gründe für die fehlende Wahrnehmung einer Kollision.  Hier ist jedoch dringend die Einschaltung eines Strafverteidigers erforderlich, um zu überprüfen ob solche Ansätze in einem Verfahren vorgebracht werden sollten. Nicht jedes Argument ist nachvollziehbar. Oft jedoch will einem die Justiz hingegen das Naheliegende nicht glauben. Dementsprechend sollte hierbei nicht auf eigene Faust gehandelt werden, sondern ein Fachanwalt engagiert werden, der aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse mit Ihnen die für Sie optimale Verteidigung herausarbeitet.


Tätige Reue § 142 Abs. 4 StGB

Im Absatz 4 des § 142 StGB ist eine tätige Reue normiert. Die Tat muss dafür außerhalb des fließenden Verkehrs erfolgt sein und einen nicht bedeutenden Schaden zu Folge haben. Bei der Höhe des Schadens wird bis ca. 1300 Euro angenommen, dass ein solcher Schaden als nicht bedeutend einzuordnen ist. Zusätzlich muss der Täter innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall freiwillig die nachträglichen Feststellungen ermöglicht haben. Sollte dies vorliegen, dann muss durch das Gericht eine zwingende Strafmilderung erfolgen oder ein mögliches Absehen von der Strafe kann alternativ eintreten. Leider ist von der tätigen Reue in der Praxis regelmäßig abzuraten. Problematisch ist nämlich meistens die Frage der Schadenhöhe. Liegt diese weit über 1300 Euro kann das freiwillige Offenbaren als Schuss nach hinten los gehen.  Die Einzelfallbeurteilung ist dem juristischen Laien regelmäßig unmöglich.   


Schwerwiegende Rechtsfolgen bei Verurteilung

Das Delikt des § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Verjährung beträgt gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. 

Entscheiden ist bei diesem Delikt jedoch zusätzlich, dass in der Regel nach § 69 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis für nicht weniger als sechs bis zwölf Monate droht. 

Des Weiteren werden zwangsläufig 2 bzw. 3 Punkte ins Fahreignungsregister eingetragen. 

Zusätzlich droht - sogar bei Einstellungen des Verfahrens gegen Geldauflage - ein Regressanspruch der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber dem Täter von bis zu 5000 Euro für etwaige Zahlungen an Geschädigte. 

Insbesondere im Hinblick auf die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis sowie dem Regressanspruch der Versicherung als weitere Folgen ist es bei dem Vorwurf des § 142 StGB unerlässlich einen erfahrenen Strafverteidiger zu engagieren und sich durch diesen bestmöglich verteidigen zu lassen, um eine Verurteilung zu verhindern. 

Rechtsanwalt H. Urbanzyk aus Coesfeld (bei Stadtlohn, Dülmen, Ahaus, Borken) vereint die Fachanwaltschaften Strafrecht und Verkehrsrecht und bringt damit für die bundesweite Strafverteidigung bei Unfallfluchtvorwurf alle erforderlichen Kenntnisse und Prozeßerfahrung mit. Rechtsanwalt Urbanzyk ist seit Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig, bringt jedoch frühere Kenntnisse aus der Schadenregulierung (z.B. Unfallrekonstruktion) und dem Führerscheinverwaltungsrecht (z.B. Fragen zur Kraftfahreignung) mit in Ihren Fall. Nehmen Sie Kontakt auf, bevor Sie auch nur ein Wort mit der Polizei reden! Per anwalt.de, e-mail oder einfach per Signal / WhatsApp: 0151-52068763

Foto(s): Heiko Urbanzyk

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