Verjährungshemmung bei Forderung wenn Leasingnehmer Gewährleistungsprozess gg. Lieferanten führt?

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Der BGH hat mit Urteil vom 16.09.2015 (Az. VIII ZR 119/14) u.a. entschieden, dass eine auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages abzielende Klage des Leasingnehmers gegen den Lieferanten  die Verjährung der Forderung des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer auf Zahlung der ausstehenden Leasingraten hemmt und dass dies auch für Bürgen gilt. Ferner stellte der BGH klar, dass das den Verzug ausschließende Recht auf Zurückbehaltung der Leasingraten mit dem Ausgang des auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage steht und fällt. 

Zugrunde liegender Sachverhalt 

In diesem vom BGH entschiedenen Fall, verlangte die klagende Leasinggesellschaft, von der Beklagten, einer Physiotherapiepraxis als Leasingnehmerin und ihrem selbstschuldnerischen Bürgen aus einem Leasingvertrag über eine EDV-Anlage Zahlung der rückständigen Raten plus Verzugszinsen. Streitig war hierbei, ob diese geltend gemachten Ansprüche inzwischen verjährt sind.
 Die klagende Leasinggesellschaft schloss am 8. Juni 2004 mit der Beklagten für deren Praxis einen Leasingvertrag über eine EDV-Anlage mit einer Vertragsdauer von 3 Jahren. In den Leasingbedingungen war die Rede davon, dass der Leasingnehmerin ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, wenn aufgrund eines Mangels an der Mietsache Wandlungsklage gegenüber dem Lieferanten erhoben wird und dass die zurückbehaltenen Leasingraten bei der amtsgerichtlichen Hinterlegungsstelle zu „horten“ sind.

Weiter heißt es in den Leasingbedingungen, dass die Leasinggeberin der Leasingnehmerin Nacherfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Lieferantin wegen möglicher Mängel der Leasingsache – leasingtypisch - abtritt. 

Damit wurde der Beklagten die Verpflichtung auferlegt, diese Ansprüche nebst Rücktritts- und Minderungsrechten, unmittelbar – leasingtypisch - gegenüber der Lieferantin geltend zu machen.

Als Kehrseite der Medaille wurde eine Mängelhaftung der Leasinggesellschaft ausgeschlossen.

Ab Mai 2005 stellte die beklagte Leasingnehmerin die Zahlung wegen behaupteter Sachmängel der EDV-Anlage ein und erklärte am 13.05.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Im Klagewege verlangte die Leasingnehmerin im Juli 2005 die Rückabwicklung des Kaufvertrages von der Lieferantin und berief sich darüber hinaus gegenüber der Leasinggesellschaft unter Hinweis auf die AGB darauf, dass aufgrund der gerichtlichen Maßnahmen gegen die Lieferantin ihre Zahlungspflicht derzeit ruhe.

Klageabweisende Entscheidung des OLG Koblenz im Vorprozess der Leasingnehmerin gegen die Lieferantin

Die Rücktrittsklage der Leasingnehmerin gegen die Lieferantin wurde vom Berufungsgericht Oberlandesgericht Koblenz am 09. Oktober 2011 abgewiesen.

Entscheidungen der Instanzengerichte im Verfahren der Leasinggesellschaft gegen die Leasingnehmerin

Nachdem die Leasingnehmerin das Klageverfahren gegen die Lieferantin verlor, verklagte die Leasinggesellschaft am 02. Dezember 2011 auf Zahlung der seit 05/2005 ausstehenden 26 Leasingraten nebst Verzugszinsen. Die Beklagten ( Leasingnehmerin + Bürgin) beriefen sich auf Verjährung. In erster Instanz beim Landgericht Koblenz hatte die Zahlungsklage der Leasinggesellschaft Erfolg, doch das Berufungsgericht wies die Klage ab.

Begründung der Klageabweisung (Zahlungsklage) durch das Berufungsgericht 

Das Berufungsgericht führte aus, dass der Zahlungsanspruch der Leasingraten verjährt sei, da die geltend gemachten Leasingraten zwischen Mai 2005 und Juni 2007 entstanden seien und die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist spätestens mit Ablauf des 31.12.2010 vollendet gewesen sei. Diese Verjährung gelte demnach auch in Bezug auf die Bürgin gegenüber der Leasinggesellschaft.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, wonach die Verjährung der Zahlungsforderung der Leasinggesellschaft gegen die Leasingnehmerin nicht hemmend wirke während der Dauer des Klageverfahrens, welches die Leasingnehmerin gegen die Lieferantin führte mangels entsprechender Abrede zwischen der Leasinggeberin und dem Leasingnehmer. Letzteres u.a. deshalb, da die Leasingnehmerin die ausstehenden Leasingraten nicht hinterlegt hatte bei Gericht obwohl dies in den Leasingbedingungen so geregelt war. Die Leasingnehmerin sei somit weiterhin zahlungspflichtig geblieben.

Zur Entscheidung des BGH

Der BGH hat diese Auffassung des Berufungsgerichts zurückgewiesen u. erstmals (mehr oder weniger bahnbrechend) entschieden, dass der Vorprozess der Leasingnehmerin gegen die Lieferantin sich verjährungshemmend auswirkt auf die Zahlungsforderung der Leasinggeberin gegen die Leasingnehmerin.

Die Verjährung der Leasingraten sei jedenfalls ab Eingang der Klageschrift bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses, den die Leasingnehmerin gegen die Lieferantin führte, gehemmt gewesen.

Die Verjährung sei immer dann gehemmt, wenn der Leasingnehmer aufgrund einer Vereinbarung mit dem Leasinggeber vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt ist.

Eine vertragliche Hinterlegungsverpflichtung des Leasingnehmers lasse das Leistungsverweigerungsrecht des Leasingnehmers hinsichtlich seiner Hauptleistungsverpflichtung, nämlich pünktliche Leistung der Leasingraten, unberührt , urteilte der BGH.


Dass – gemäß den Leasingbedingungen - die Hinterlegung der Leasingraten bei Gericht diese Hemmung hindere, entspreche zudem nicht der leasingtypischen Interessenlage der Beteiligten.

Denn der um die Verjährung seiner Forderung besorgte Leasinggeber, müsse im Hinblick auf die ausstehenden Leasingraten Rechtsverfolgungsmaßnahmen ergreifen, obwohl er noch gar nicht wisse, ob eine Berechtigung zum Rücktritt vom Kaufvertrag bestehe oder nicht. Eine gerichtliche Auseinandersetzung in diesem Stadium wäre also weder sachgerecht noch prozessökomonomisch, entschied der BGH.

Dies, da dem Leasingvertrag von vornherein die Geschäftsgrundlage fehle, wenn sich vor Gericht im Vorprozess der Leasingnehmer erfolgreich gegenüber dem Lieferanten mit dem Rücktritt durchsetze. Dies wiederum habe zur Folge, dass dem Leasinggeber von Anfang an keine Ansprüche auf Leistung der Leasingraten zugestanden habe.

Das Gericht, das eine Zahlungsklage zwischen Leasinggesellschaft und Leasingnehmer verhandelt , sei sogar verpflichtet, das Verfahren auszusetzen sobald bekannt wird, dass zur Zeit parallel ein Gewährleistungsprozess eines Leasingnehmers gegen den Lieferanten stattfinde, entschied der BGH.

Der Leasinggesellschaft sei eine Zahlungsklage gegen den Leasingnehmer -auch nicht zum Zwecke der Verjährungshemmung- zumutbar, wenn er noch gar nicht wisse, ob dieser konkrete Prozess überhaupt Erfolg versprechend ist, solange nicht der (andere) Gewährleistungsprozess rechtskräftig entschieden ist, führte der BGH aus

Zahlungsverzug bei Zurückbehaltung während des Rechtsstreits?

Zudem stellte sich dem BGH die Frage, ob der Leasingnehmer in Verzug und somit zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet ist, wenn er mit dem Lieferanten im Rechtsstreit über die Rückabwicklung des Kaufvertrages stehe und in dieser Zeit die Leistung der Leasingraten zurückbehält. Der BGH hat hierzu bereits in einem anderen Fall entschieden, dass der Leasingnehmerin zwar (vorübergehend) ein Recht zur Einstellung der Leistung der Leasingraten zustand und somit auch ein den Verzug ausschließendes Recht. Dieses stehe und falle allerdings mit dem Ausgang der Klage des Leasingnehmers gegen den Lieferanten.

Ein solches den Verzug ausschließendes Recht besteht im vorliegenden Falle ergo nur dann, wenn der Rücktritt des Leasingnehmers vom Kaufvertrag sachlich begründet ist. 

Da hier aber die Klage der Leasingnehmerin gegen die Lieferantin erfolglos geblieben ist, sei somit das Zurückbehaltungsrecht rückwirkend entfallen. Denn dann stehe fest, dass der Anspruch der Leasinggesellschaft auf Leistung der Leasingraten insgesamt begründet und nicht etwa nur zeitweilig (den Verzug ausschließend) unbegründet war. 

Ausgang der Klage gegen den Bürgen

Zwar kann ein Bürge die Einreden des Hauptschuldners (hier des Leasingnehmers) ebenfalls geltend machen. Entsprechende Rechte standen hier aber nicht mehr der Leasingnehmerin zu wegen des verloren gegangenen Gewährleistungsprozesses gegen die Leasinggeberin. Denn der leasingtypische Verlust der Einrede wirkt auch zu Lasten des Bürgen. Der BGH sprach der Leasinggeberin sowohl den Zahlungsanspruch gegenüber der Leasingnehmerin als auch gegenüber der Bürgin zu.

Wirkung der Verjährung des Zahlungsanspruches der Leasingraten gegenüber dem Bürgen 

Der Bürge, der ebenfalls verklagt wurde im vom BGH entschiedenen Fall, konnte ebenso nicht wirksam die dem Hauptschuldner (auch nicht) zustehende Einrede der Verjährung erheben. Die Verjährung war gehemmt für die Zeit des Gewährleistungsprozesses. Dies gelte dann selbstverständlich auch gegenüber dem Bürgen. Dieser sei auch nicht schutzwürdig, denn er müssse allein schon wegen der leasingtypischen Gegebenheiten mit der Verwirklichung gesetzlicher Hemmungstatbestände rechnen nach überzeugender Ansicht des Bundesgerichtshofes. Somit war auch die Verjährung der Bürgschaftsforderung für den Zeitraum des Rechtsstreits der Leasingnehmerin gegen die Lieferantin gehemmt und der später eingeklagte Anspruch des Leasinggebers gegen den Bürgen nicht verjährt.



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