Versicherte und nicht versicherte Unfälle im Home-Office - Wann zahlt die gesetzliche Unfallversicherung?

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Für was zahlt die gesetzliche Unfallversicherung bei einem Unfall im Home-Office?

Die gesetzliche Unfallversicherung leistet grundsätzlich nur bei Unfällen, die infolge einer versicherten Tätigkeit geschehen sind (§ 8 SGB VII). Das bedeutet, dass Unfälle, die während der Arbeit und auch auf dem unmittelbaren Weg von und zur Arbeit passieren, abgedeckt sind. Die gesetzliche Regelung des § 8 SGB VII wurde ab 2021 auf die Fälle einer Arbeitstätigkeit von zu Hause oder von einem anderen Ort aus erstreckt. Auch bei der Arbeit im Home-Office muss unterschieden werden zwischen einem versicherten Arbeitsunfall und einem nicht versicherten Privatunfall. Dies ist nicht immer einfach.

Gibt es einen Unterschied zwischen Home-Office, Telearbeit und mobiler Arbeit?

Es gibt verschiedene Formen der Arbeit außerhalb des regulären Büros. Homeoffice ist zusammengefasst eine Tätigkeit, die Beschäftigte ganz oder teilweise von ihrem Privatbereich aus ausführen, in den häufigsten Fällen von zuhause aus.  

Telearbeit ist in § 2 Abs. 7 ArbStättV näher definiert und betrifft die Arbeit an einem vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte. Die kann auch das Homeoffice sein.

Mobile Arbeit umfasst die Arbeit an von den Beschäftigten ausgewählten Orten außerhalb der eigentlichen oder einer festen Betriebsstätte. Dies muss zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart sein und kann dann auch an Orten ohne Betriebsstruktur, z.B. in einem Café  oder im Zug ausgeführt werden.

Dieser Rechtstipp befasst sich mit dem gesetzlichen Versicherungsschutz bei einem Unfall im Homeoffice.

Gilt der Unfallversicherungsschutz automatisch im Home-Office?

Nein, der Unfallversicherungsschutz im Home-Office greift nur, wenn eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien besteht, die es den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen erlaubt, im Homeoffice zu arbeiten. Dieses kann schriftlich direkt im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Zusatzvereinbarung vereinbart werden.

Dabei ist es nicht zwingende Voraussetzung, dies schriftlich zu tun. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten, geschlossen werden, zum Beispiel wenn ein Arbeitnehmer regelmäßig Akten mit nach Hause nimmt, um sie dort zu bearbeiten oder zu sichten und wenn der Arbeitgeber dies duldet.

Eine schriftliche Vereinbarung ist aber zu empfehlen, um im Falle des Unfalls den Nachweis, dass im konkreten Homeoffice grundsätzlich gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht, wenn ein Unfall im Rahmen infolge der Arbeitstätigkeit passiert ist, besser und vor allem einfacher führen zu können. 

Wann besteht für einen Unfall im Home-Office gesetzlicher Unfallversicherungsschutz?

Dies zu bewerten kann in der Praxis durchaus kompliziert sein. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall eines Versicherten, d.h. eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin, der sich infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet hat. Ob der Unfall im Rahmen einer versicherten Tätigkeit geschehen ist, bestimmt sich nach der sog. „objektivierten Handlungstendenz“. Er bestimmt sich also danach, ob der/die Beschäftigte bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Arbeitgeber dienende Tätigkeit ausüben wollte. Diese Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt werden. Im Homeoffice ist damit also  jede Tätigkeit versichert, die aus objektiver Sicht dem betrieblichen Zweck dient.

Einfacher gesagt muss unterschieden werden: Erfolgte die Tätigkeit während des Unfalls im nach den objektiven Umständen des Einzelfalles unmittelbaren Betriebsinteresse? Dann liegt ein Arbeitsunfall vor. Es besteht Versicherungsschutz. Oder liegt sie im eigenwirtschaftlichen Interesse des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin?  Dann liegt kein Arbeitsunfall und auch kein Versicherungsschutz vor. Der bloße Wille des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, die vertragliche Beschäftigung zu verfolgen, ist nicht ausreichend. 

Wege im Homeoffice sind ebenfalls gesetzlich unfallversichert, wenn ein Unfall während der Ausführung einer versicherten Tätigkeit passiert. Auch diese Wege müssen dabei eine betriebliche Handlungstendenz haben. Versichert sind z.B. die Wege vom privaten Bereich zur erstmaligen Aufnahme und nach der Beendigung der Arbeitstätigkeit, besipielsweise der Rückweg vom Schreibtisch in den privaten Bereich.

In der Praxis gibt es häufig Mischfälle (Näheres unter Beispiele) und eine Tendenz der gesetzlichen Unfallversicherung, eine Einstandpflicht wegen privaten bzw. eigenwirtschaftlichen Interesses abzulehnen. Hier lohnt es sich, hartnäckig zu bleiben, denn  der betrieblich veranlasste Teil derartiger Mischfälle löst in vielen dieser Fälle Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aus.

Was sind Beispiele für Unfälle im Rahmen versicherter und nicht versicherter Tätigkeiten im Home-Office?

  • Eine Arbeitnehmerin arbeitet von zu Hause aus am Schreibtisch und ihr Stuhl rutscht plötzlich weg. Sie stürzt und verletzt sich am Arm. Dies geschah, während sie im vereinbarten Home-Office vom dienstlich genutzten Laptop an einer dienstlichen E-Mail schrieb.  Da der Unfall während der Ausführung einer versicherten Tätigkeit geschah, wäre dieser Unfall im Home-Office als Arbeitsunfall durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt.
  • Nach der Gesetzesbegründung zur Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung für die Fälle der Arbeitstätigkeit von zu Hause oder von einem anderen Ort aus sind auch die Wege im häuslichen Bereich z.B. zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang etc. ebenfalls versicherte Tätigkeiten.
  • Ebenso löste der auf dem üblichen morgendliche Weg eines Arbeitnehmers vom Bett direkt in das eine Etage tiefer gelegene Homeoffice in seinem Haus auf der Wendeltreppe durch Ausrutschen erlittene Unfall mit Verletzungen im Wirbelbereich den Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus (BSG Urteil vom 9.11.2020, Az. L 17 U 487/19).
  • Mit § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII hat der Gesetzgeber seit 2021 den Wegeunfallversicherungsschutz außerdem auf Fälle ausgeweitet, in denen aus dem Homeoffice heraus (und zurück) Kinder externer Betreuung anvertraut werden. Geschieht auf einem solchen (direkten) Weg ein Unfall, besteht ebenfalls Versicherungsschutz.
  • Kein die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auslösendes Ereignis liegt dagegen bei einem Unfall vor, der sich ereignet, wenn ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit am häuslichen Schreibtisch unterbricht, um dem klingelnden Paketboten zu öffenen und sich auf dem Weg zu Wohnungstür verletzt.
  • Telefoniert ein Arbeitnehmer dienstlich und geht dabei noch einer Hausarbeit nach, wobei der er sich den Finger quetscht, erhält er hierfür keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Würde er aber in derselben Konstellation durch einen unvermuteten schrillen Ton aus dem Headset während des Telefonats am Ohr verletzt werden, hätte er dafür einen Leistungsanspruch.

Was sollte nach einem Unfall im Home-Office getan werden?

Nach einem Unfall sollte der Arbeitgeber umgehend informiert werden, idealerweise nachweisbar, also schriflich oder in Textform. Die genauen Umstände des Unfalls sollten mitgeteilt werden, und im besten Fall sollten Fotos zur Verfügung gestellt oder Zeugen/innen benannt werden, damit der Arbeitgeber umgehend in die Lage versetzt wird, den Unfall der gesetzlichen Unfallversicherung umfassend zu melden.



RAin Anja Schmidt-Bohm

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Südwestkorso 1

12161 Berlin

www.ra-croset.de

Rechtsanwältin Schmidt-Bohm ist seit über 25 Jahren auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und seit 2004 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie berät und vertritt in allen Bereichen des Arbeitsrechts Arbeitnehmer und Arbeitgeber, außerdem die Gremien der Mitbestimmung und im Beamtenrecht Beamtinnen und Beamte sowie öffentliche Dienstgeber.


Foto(s): Kanzlei@croset.de

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