Versorgungsordnung zur Minimierung und Beschränkung der Arbeitgeberhaftung

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1.  Versorgungsordnung – Sinn und Zweck

Müsste man eine Versorgungsordnung einfach erklären, würde man sie als die allgemeinen Spielregeln beschreiben, die ein Unternehmen für sich und seine Arbeitnehmer aufstellt, um die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen zu regeln. Geregelt werden sollen die jeweiligen Rechte und Pflichten, um feste Regelungen in bestimmten Situationen zu haben. Der Sinn dahinter ist Klarheit, Sicherheit und letztendlich auch Haftungsbeschränkung des Arbeitgebers, um die weite Spielwiese des Betriebsrentenrechts in den dispositiven Bereichen einzuschränken und verbindlich zu regeln und damit Missverständnisse und vor allem Risiken zu vermeiden.

2. Situationen, in denen eine Versorgungsordnung notwendig und sinnvoll ist

Eine Versorgungsordnung ist in jedem Unternehmen notwendig und sinnvoll, in dem es Arbeitnehmer gibt, die einen Rechtsanspruch auf betriebliche Altersversorgung haben.
Im Ergebnis ist die Schaffung einer verbindlichen arbeitsrechtlichen Grundlage Basis und Voraussetzung bevor überhaupt ein Produkt gewählt werden kann. 

In der Praxis begnügen sich aber viele Arbeitgeber mit der Beratung durch Versicherungsvermittler, die regelmäßig am Produkt ansetzen und einen Fokus auf das Produkt haben und weniger auf die Arbeitgeberinteressen oder Beschränkung von Haftungsrisiken der Arbeitgeber. Vermittlerinteressen nach Umsatz und das Interesse der Arbeitgeber nach Haftungsbeschränkung stehen sich hier regelmäßig konträr gegenüber. Was sich am leichtesten verkaufen lässt an den Mitarbeiter, birgt meist die größten Haftungsrisiken für den Arbeitgeber. Die Meinung, der Versicherungsvermittler kennt sich aus und wird es schon richten, ist regelmäßig schlicht falsch. Siehe hierzu auch meinen Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-dilemma-zwischen-arbeitgeberinteressen-und-kontraeren-versicherungsvermittlerinteressen-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185885.html

Eine Versorgungsordnung ist auch nicht auf arbeitgeberfinanzierte Versorgungswerke beschränkt, sondern mindestens genauso wichtig bei Entgeltumwandlung, da hier oft die größten Fehler passieren (siehe meine Rechtstipps:  https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-20-groessten-irrtuemer-der-arbeitgeber-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185244.html und https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html)

Für eine Versorgungsordnung ist es übrigens nie zu spät. Auch wenn ein Kind schon ein Stück in den Brunnen gefallen ist, lässt sich noch einiges heilen und die Zukunft ist ohnehin regelmäßig sicher gestaltbar.

3. Typische Fehler ohne Versorgungsordnung

Die Fehler und Haftungssituationen ohne Versorgungsordnung sind vielfältig. In diesem Rechtstipp möchte ich mich auf zwei offensichtliche und leicht verständliche Problemfälle für den Arbeitgeber beschränken und hierzu auch auf die entsprechenden gesonderten Rechtstipps verweisen.

Problemfall 1: 

Der Arbeitgeber gibt den Mitarbeitern im Rahmen der Entgeltumwandlung "freie Hand" mit der Folge, dass der Mitarbeiter jeden Versicherungsvertrag für die Entgeltumwandlung bringen kann, den er möchte, mit jedem Anbieter, jedem Vermittler und jedem Inhalt. Ohne an dieser Stelle tiefer einzusteigen liegt es auf der Hand, dass in diesen Fällen ein nicht mehr zu überblickendes oder zu kontrollierendes Durcheinander entsteht und dem Mitarbeiter mit großer Wahrscheinlichkeit das verkauft und empfohlen wird, was sich aus Mitarbeitersicht attraktiv anhört, allerdings ohne Rücksicht auf die daraus entstehende Haftung, die sich nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG für den Arbeitgeber immer ergibt. Jeder Arbeitgeber haftet für seine Zusagen und er gibt immer eine Zusage gegen über dem Mitarbeiter, auch bei Entgeltumwandlung (siehe Rechtstipps: https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-7-arbeitgeberhaftung-in-der-bav-nach-1-abs-1-satz-3-betravg_181273.html und  https://www.anwalt.de/rechtstipps/haftung-des-arbeitgebers-in-der-betrieblichen-altersversorgung-und-minimierungsstrategien_185184.html)

Problemfall 2: 

Ein zweiter häufiger Punkt ist das Thema Berufsunfähigkeit. Auch bei Direktversicherungen ergeben sich hier oft erhebliche Haftungsrisiken, denen sich die Arbeitgeber nicht im Ansatz bewusst sind. Das Auseinanderfallen von arbeitsrechtlicher Verpflichtung und Anspruch gegenüber der Versicherung ist hier ein häufiges Thema. Siehe hierzu meinen gesonderten Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-6-absicherung-des-biometrischen-risikos-berufsunfaehigkeit-in-der-bav_181237.html

4. Inhalt einer Versorgungsordnung

Der Inhalt einer Versorgungsordnung betrifft das gesamte Feld der zu regelnden Bereiche im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung.

• Die Regelungen einer Versorgungsordnung beginnen meist mit dem Durchführungsweg oder den Durchführungswegen, wenn sich ein Unternehmer für zwei Durchführungswege entscheidet und beispielsweise eine Direktversicherung und einen internen Durchführungsweg wie die pauschaldotierte Unterstützungskasse parallel zu lässt. (siehe: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-ein-derzeit-wieder-stark-nachgefragter-durchfuehrungsweg_180957.html)

• Ein weiterer wichtiger Punkt sind die teilnahmeberechtigten Personen.
Hier kann als Vorgabe zum Beispiel gelten, dass sich der Mitarbeiter, um teilnahmeberechtigt zu sein, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden und die Beendigung der Probezeit bereits erfolgt sein muss für arbeitgeberfinanzierten Leistungen.

• Weiterhin kann in der Versorgungsordnung nach sachlichen Kriterien differenziert werden bei arbeitgeberfinanzierten Leistungen und diese Leistungen in den Grenzen der arbeitsrechtlichen Möglichkeiten den Mitarbeitern in unterschiedlicher Höhe gewährt werden.

• Ebenso wichtig ist die Regelung der Leistung, die der versorgungsberechtigte Mitarbeiter beanspruchen kann, ob er einen Anspruch auf Altersleistung, Hinterbliebenenleistung, Berufsunfähigkeitsleistung haben soll und die Regelung von Leistungsvoraussetzungen.

• Die Handhabung bei vorzeitigem Ausscheiden und auch die Berechnungsmodalitäten von Ansprüchen und natürlich die Definition der Leistungen, Fälligkeiten, Ruhen von Ansprüchen, diverse zu regelnde Sondersituationen, Anrechnung von anderen Leistungen, Erlöschen von Ansprüchen, Insolvenzsicherung und Widerrufsvorbehalte etc. können ebenfalls Inhalt einer Versorgungsordnung sein.

Die Regelungen und Formulierungen in der Versorgungsordnung sollten so klar und eindeutig sein, dass mit hinreichender Sicherheit kein Zweifel oder Auslegungsspielraum möglich ist. Gerade der Bezug auf Versicherungen in einer Versorgungsordnung stellt eine besondere Herausforderung dar, da viele Regelungen in Versicherungen mit dem Betriebsrentengesetz wenig kompatibel sind und per se zu Problemen führen können. Hierauf werde ich in weiteren Rechtstipps noch tiefer eingehen.

5. Empfehlung

Unabhängig davon, wie groß Ihr Unternehmen ist - eine Versorgungsordnung ist nicht nur sinnvoll sondern im Ergebnis unverzichtbar, auch unabhängig davon, ob bereits Versorgungen vorhanden sind oder Sie sich darauf vorbereiten möchten, dass Arbeitnehmer wegen des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung auf Sie zukommen.
Verbindliche arbeitsrechtliche Regelungen als Fundament und Basis sollten idealerweise eigentlich bereits vor dem ersten Vermittlerkontakt vorliegen.
Für die Einführung einer Versorgungsordnung ist es aber nie zu spät!

Gerne erstelle ich für Sie eine entsprechende Versorgungsordnung oder aktualisiere eine bestehende und möglicherweise überalterte Versorgungsordnung.


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Foto(s): AUTHENT

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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