Völkermordfall Gaza - IGH lehnt Eilantrag gegen Deutschland derzeit ab

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Am heutigen Tag, dem 30. April 2024, hat der Internationale Gerichtshof die von Nicaragua beantragten vorläufigen Maßnahmen gegen Deutschland aus den folgenden Gründen abgelehnt:

 1. Deutschland ist durch ein dichtes Geflecht von internationalen  Rechtsvorschriften wie etwa den Vertrag über den Waffenhandel von 2013 sowie von internen Regelungen einschließlich restriktiver Vorschriften für den Export von Waffen in seinen Waffenlieferungen an Israel stark eingeschränkt.

2. Nach den Darlegungen Deutschlands hat der Wert von Exportlizenzen nach Israel signifikant abgenommen, teilweise sei der Bitte Israels nach weiteren Lizenzen nicht nachgekommen worden und 98 Prozent der seit 7. Oktober 2023 gewährten Lizenzen betraf zudem nicht "Kriegswaffen" im engeren Sinn.

3. Die Finanzierung von UNRWA sei freiwillig und Deutschland habe mitgeteilt, UNRWA anderweitig und andere Hilfsorganisationen verstärkt zu unterstützen. (Bemerkenswerterweise erwähnt das Gericht gar nicht, dass Deutschland inzwischen die Suspendierung seiner Finanzierung von UNRWA zurückgenommen hat.)

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass

"zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und rechtlichen Argumente keine Umstände vorliegen, welche die Ausübung seiner Kompetenz  unter Art. 41 des Statuts, vorläufige Maßnahmen auszusprechen, notwendig machen."

Die Entscheidung dürfte dennoch bei der deutschen Regierung keine ungeteilte Freude auslösen:

1. Das Gericht lehnt den Antrag Deutschlands, den gesamten Fall (also einschließlich der Hauptsache) von der "Liste" des Gerichts zu streichen, ab, weil kein Fall der "offensichtlichen Unzuständigkeit" vorliege. Die Sache bleibt also weiter - möglicherweise mehrere Jahre lang - in der Hauptsache anhängig. Während dieser Anhängigkeit - dies hat das Gericht bei der mündlichen Verkündung ausdrücklich betont - können jederzeit neue Tatsachen vorgebracht werden, die das Gericht doch noch zu vorläufigen Maßnahmen veranlassen könnten.

2. Das Gericht verweist ausdrücklich auf seine Warnungen  im Parallelfall Südafrika gegen Israel hin im Hinblick auf die große Anzahl der Opfer und den Umfang der Zerstörungen im Gazastreifen, die gewaltsame Vertreibung des Großteils der Bevölkerung, betont, dass es "zutiefst besorgt" sei im Hinblick auf die "katastrophalen Lebensbedingungen der Palästinenser im Gazastreifen, insbesondere unter Berücksichtigung des lang anhaltenden und verbreiteten Entzuges von Nahrung und anderen grundlegenden Lebensnotwendigkeiten" und erinnert daran, dass

"nach Artikel 1 der Genfer Konventionen alle Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Konventionen 'unter allen Umständen' nicht nur einzuhalten, sondern auch 'ihre Einhaltung zu sichern'";

dasselbe gelte für die Völkermordkonvention. Ferner erinnert das Gericht Deutschland ausdrücklich an seine Verpflichtung, zu verhindern, dass an Parteien eines bewaffneten Konfliktes gelieferte Waffen die genannten Konventionen verletzen.

Deutschland bleibt also - trotz der wieder aufgenommen Finanzierung von UNRWA und der starken Einschränkung der Waffenlieferungen an Israel - weiter unter Beobachtung. Sollten sich die gegenwärtig hartnäckig haltenden Gerüchte bewahrheiten und der Internationale Strafgerichtshof tatsächlich Haftbefehle gegen amtierende Regierungsmitglieder Israels erlassen und/oder das Israelische Militär in Rafah einfallen, dürfte die politische und militärische Unterstützung Deutschlands für Israel auch ohne zukünftige Eilmaßnahmen des Internationalen Gerichtshofs gegen Null sinken.




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