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Volle Haftung bei unachtsamem Spurenwechsel

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]Bevor man die Fahrspur wechselt, muss man stets in den Rück- und Außenspiegel schauen und den Schulterblick durchführen, um sich davon zu überzeugen, dass die Fahrbahn tatsächlich frei ist.

Oft hat man es eilig und ärgert sich dann besonders über die lange Schlange, die sich an einer Kreuzung bildet. Da kommt es gerade recht, wenn noch eine Fahrbahn zur Verfügung steht. Aber: Vor dem Fahrspurwechsel muss man sein Vorhaben durch Blinken anzeigen und sich vergewissern, dass von hinten kein anderes Kfz angefahren kommt.

„Schulterblick? Kenne ich nicht!"

Ein Mann fuhr ganz rechts auf einer mehrspurigen Straße. Er bemerkte vor einer Kreuzung eine lange Autoschlange auf seiner Fahrbahn und wollte auf die linke Spur wechseln. Er sah kurz in den Rückspiegel und zog das Lenkrad herum. Dabei übersah er ein Kfz, das sich auf der linken Spur genähert hatte, und die beiden Fahrzeuge kollidierten. Der Mann gab an, sein Unfallgegner sei zu schnell gefahren, bei dem Blick in den Rückspiegel habe er ihn noch nicht gesehen. Einen Schulterblick kenne er gar nicht. Sein Unfallgegner erklärte, mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren zu sein; der Fahrspurwechsler hätte ihn also durchaus bemerkt, wenn er seiner Rückschaupflicht nachgekommen wäre. Der Geschädigte verlangte nun gerichtlich Schadensersatz.

Rückschaupflicht verletzt

Das Landgericht (LG) Freiburg war der Ansicht, dass der Fahrspurwechsler den Unfall alleine verursacht hat und daher zu 100 Prozent haften muss. Schließlich hat er gegen § 7 V StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen, als er den Fahrstreifen gewechselt hat, ohne der doppelten Rückschaupflicht nachzukommen. Er hätte also nicht nur blinken, sondern sowohl in den Außen- bzw. Rückspiegel sehen, als auch den Schulterblick durchführen müssen. Dann hätte er den von hinten kommenden Fahrer bemerken können. Er wusste aber gar nicht, was der Schulterblick ist; es ist somit davon auszugehen, dass er nicht über die Schulter nach hinten geschaut hat.

Selbst wenn der Geschädigte zu schnell unterwegs war, ist ihm kein Mitverschulden am Unfall anzulasten. Denn der Fahrspurwechsler hätte beweisen müssen, dass sein Unfallgegner gerast ist, was er aber nicht konnte. Da auch aus technischer Sicht unklar bleibt, wie schnell der Geschädigte tatschlich gefahren ist, kann ein etwaiges Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit nicht zulasten des Geschädigten berücksichtigt werden.

(LG Freiburg, Urteil v. 21.05.2012, Az.: 8 O 21/12)

(VOI)

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