Vorfälligkeitsentschädigung meistens zu hoch

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Wer seinen Darlehensvertrag vorzeitig auflösen will, schuldet der Bank in der Regel eine sog. Vorfälligkeitsentschädigung.

Mit der Vorfälligkeitsentschädigung erhält die Bank Schadensersatz für die entgangenen Zinsen.

Die Vorfälligkeitsentschädigung wird von der Bank berechnet und von vielen Bankkunden widerspruchslos akzeptiert. Dabei kann sich eine Überprüfung finanziell lohnen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat berechnet, dass in 82 Prozent der Fälle die Vorfälligkeitsentschädigung von den Banken falsch berechnet wurde, und zwar – wen wundert’s – zu hoch.

Stellschraube Rendite der Wiederanlage

Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nutzen die Banken diverse Stellschrauben. Eine wichtige Stellschraube ist der Wiederanlagezinssatz.

Wiederanlagezinssatz ist der Zinssatz, den die Bank bei der Wiederanlage der vorzeitig freigewordenen Darlehensmittel erzielen kann.

Die Bank erhält ja bei vorzeitiger Auflösung des Darlehensvertrages das ausgereichte Kapital vorzeitig zurück. Sie kann dieses Kapital nicht einfach „herumliegen“ lassen, sondern muss es reinvestieren (Schadensminderungspflicht).

Der Bank stehen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich zwei Wege offen:

  • Aktiv-Aktiv-Methode und
  • Aktiv-Passiv-Methode

Die beiden Berechnungsmethoden können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es ist sogar denkbar, dass nach der einen Methode gar keine Vorfälligkeit zu zahlen ist, nach der anderen sehr wohl. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Darlehen in einer Niedrigzinsphase aufgenommen wurde und der Zinssatz in den nachfolgenden Jahren steigt. Nach der Aktiv-Aktiv-Methode kommt ein Schaden der Bank nicht in Betracht, da die Bank bei einer Neuvergabe des Darlehens höhere Zinsen verlangen kann. Nach der Aktiv-Passiv-Methode darf die Bank sehr wohl eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, da hier die Rendite von ähnlich langlaufenden Hypotheken-Pfandbriefen herangezogen werden muss.

Die Bank kann hier also durch die Wahl der Berechnungsmethode eine Art Schadensmaximierung herbeiführen. Im Schadensersatzrecht gilt allerdings vielmehr eine Schadensminderungspflicht.

Das AG Laufen hat sich in seinem Urteil v. 27.09.2011, Az.: 2 C 25/11, mit diesem Wahlrecht kritisch auseinandergesetzt und führt zutreffend aus:

„Die Rechtsprechung und die herrschende Literaturmeinung rechtfertigen dieses Wahlrecht zwischen zwei völlig unterschiedlicher Berechnungsmethoden damit, dass es einer Bank regelmäßig unmöglich oder unzumutbar sein soll, die vorzeitig zurückerhaltene Valuta laufzeitkongruent in gleichartige Darlehen anzulegen (BGHZ 136, BGHZ Band 136 Seite 161, BGHZ Band 136 170). Letztlich soll damit die Bank freigestellt werden, wie sie mit dem so wiedererlangten Vermögen weiter verfährt. Aus hiesiger Sicht bestehen aber erhebliche Bedenken an dieser Rechtsauffassung. Denn dieses Wahlrecht steht im Schadensrecht, und um nichts anderes handelt es sich letztlich bei der Vorfälligkeitsentschädigung, singulär da. Es verkennt aus hiesiger Sicht auch die Schadensminderungsobliegenheit der kreditgebenden Bank. Denn mit der Zulassung dieser beiden Berechnungsmethoden erlaubt die obergerichtliche Rechtsprechung und die herrschende Literatur der kreditgebenden Bank letztlich eine Schadensmaximierung.“

Selbst wenn der Darlehensnehmer die Vorfälligkeitsentschädigung bereits bezahlt hat, so kann er den zu viel gezahlten Betrag zurückverlangen, vergleiche LG Münster, Urteil vom 06.09.2012, Az.: 14 O 427/09.

Dies gilt selbst dann, wenn der Darlehensnehmer der Vorfälligkeitsentschädigung bereits zugestimmt hat und hierüber eine Vereinbarung getroffen wurde:

Zumindest in den Fällen, in denen ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 490 Abs.2 BGB vorliegt, ist die Bank verpflichtet, der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages gegen angemessene Entschädigung zuzustimmen. Wenn die Bank mehr als eine „angemessene“ Entschädigung verlangt, hat sie gegen diese Rechtspflicht verstoßen.

Stellschraube Risikokosten

Eine weitere Stellschraube sind die Risikokosten. Die Risikokosten sind ein Prozentsatz der Darlehenssumme, den die Bank für das Kreditausfallrisiko einstellt.

Da das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt wird, entfällt das Kreditausfallrisiko für die restliche Vertragslaufzeit. Der Wegfall des Kreditausfallrisikos muss also zu Gunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt werden.

Oft taxieren die Banken das Kreditausfallrisiko zu ihren Gunsten äußerst niedrig - beispielsweise mit 0,06 %. Zum Vergleich: Selbst bei einem der sichersten Schuldner, der Bundesrepublik Deutschland, wird das Kreditausfallrisiko mit 0,14 % - also wesentlich höher - angegeben. 

Stellschraube entfallene Verwaltungskosten

Auch die ersparten Verwaltungskosten muss sich die Bank anrechnen lassen. Diese werden daher tendenziell von der Bank zu niedrig angesetzt.

Stellschraube Sondertilgung

Falls der Kunde ein Recht zur Sondertilgung vereinbart hat, muss dieses ebenfalls bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden. Dies „vergessen“ die Banken oft.

Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist davon auszugehen, dass der Darlehensnehmer sein Sondertilgungsrecht in vollem Umfang ausnutzen würde – er will das Darlehen ja ohnehin loswerden. Dadurch sinkt der Zinsschaden, da der Bank bei einer Sondertilgung Zinsen entgehen. Dies ist auch der Grund, warum manche Banken für ein Sondertilgungsrecht einen Zinsaufschlag verlangen.

Auch das Recht des Darlehensnehmers auf Erhöhung des Tilgungssatzes ist entsprechend zu berücksichtigen.

Übersicht

Vereinfacht gilt folgende Rechnung:

 

Wiederanlageschaden/Zinsschaden

-

ersparte Risikokosten

-

ersparte Verwaltungskosten

-

Sondertilgung

=

Vorfälligkeitsentschädigung

Zusammenfassung

Will die Bank ihre Vorfälligkeitsentschädigung maximieren, so wird sie den Wiederanlageschaden möglichst hoch ansetzen, was sie durch einen niedrigen Wiederanlagezins erreicht.

Weiterhin wird sie das Kreditausfallrisiko möglichst gering ansetzen, da sie dieses dem Darlehensnehmer gutschreiben muss. Ähnliches gilt für die Verwaltungskosten und die Sondertilgungen.

Eine Überprüfung der Vorfälligkeitsentschädigung kann sich finanziell lohnen:

Eine erste rechtliche Einschätzung biete ich Ihnen bereits zu einem Pauschalhonorar von 60,00 € inklusive Umsatzsteuer an. Danach können Sie einschätzen, ob die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung korrekt berechnet hat. 

Robert Nebel, M. A.

Rechtsanwalt

Licenciado en Derecho



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