Vorstellungsgespräch – Muss ich Urlaub nehmen?

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald beantwortet in diesem Beitrag die häufig in der anwaltlichen Beratung gestellte Frage, ob ein Arbeitnehmer, der zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, hierfür bei seinem Arbeitgeber Urlaub beantragen muss.

1. Bewerbungsgespräch im laufenden, ungekündigten Arbeitsverhältnis

Der Arbeitnehmer hat im laufenden Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf bezahlte oder unbezahlte Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung eines Vorstellungstermins. Der Arbeitgeber ist weder spezialgesetzlich noch aufgrund allgemeiner Vorschriften, etwa aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei, § 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, zur Gewährung von Arbeitsbefreiung verpflichtet. Ausnahme: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer aufgefordert, er möge sich eine andere Arbeit suchen.

Folglich muss der Arbeitnehmer für die Wahrnehmung solcher Termine auf andere Möglichkeiten der Arbeitsbefreiung wie Urlaub oder Abbau von Freizeitguthaben (sofern dies arbeitsvertraglich ermöglicht ist) ausweichen. Hierfür gelten dann die entsprechenden Regeln. Das heißt, dass der Urlaubswunsch nicht deswegen automatisch gewährt werden muss, weil der Arbeitnehmer den Termin zu einem Vorstellungsgespräch unbedingt benötigt, weil er sonst aus der engeren Auswahl wieder ausscheidet. Mit anderen Worten: Der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung ist nicht zwingend vorrangig vor den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers bezüglich des Urlaubswunsches. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss der Arbeitgeber die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers freilich berücksichtigen und kann nur dann vorrangige betriebliche Belange geltend machen, wenn diese dringlich sind (wie besondere Personalengpässe, die nicht auf einer vom Arbeitgeber selbst verschuldeten Personalunterbesetzung beruhen).

2. Wahrnehmung von Terminen zur Stellensuche im gekündigten Arbeitsverhältnis

Einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung gewährt § 629 des Bürgerlichen Gesetzbuchs allen Arbeitnehmern, wenn sie in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen. Der Anspruch bezieht sich auf eine angemessene Zeitspanne zum „Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses“. Diese etwas altmodische Formulierung ist umfassender gemeint, sie umfasst also nicht nur die Wahrnehmung von Vorstellungsterminen, sondern auch den Termin bei der Arbeitsagentur oder bei privaten Arbeitsvermittlern.

Die Folge ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seine Anfrage („auf Verlangen“) von der Verpflichtung zur Arbeit entbinden muss. Der Arbeitnehmer muss aber vorher erst fragen, er darf sich nicht selbst von der Arbeit befreien.

§ 629 BGB lautet:

„Nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte dem Verpflichteten auf Verlangen angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren.“

Der Arbeitgeber kann aber verlangen, dass der Arbeitnehmer seine Stellensuche möglichst in seine Freizeit legt. Erst wenn dies nicht möglich ist, entsteht der Anspruch auf Arbeitsbefreiung für angemessene Zeit. Wenn der Arbeitnehmer bereits zu einem ganz bestimmten Termin zum Vorstellungsgespräch geladen ist, darf der Arbeitgeber nicht eine andere Zeit für die Arbeitsbefreiung festlegen. Der Arbeitnehmer muss sein Verlangen auf Arbeitsbefreiung möglichst frühzeitig an den Arbeitgeber richten, damit dieser die Einsatzplanung entsprechend vornehmen kann. Er muss natürlich nicht sagen, bei wem er sich beworben hat. Dies ist Privatsache. Er muss allerdings den Grund und die voraussichtliche Dauer angeben.

Für die Zeit der Arbeitsbefreiung gibt es nur unter den Voraussetzungen von § 616 BGB Anspruch auf Vergütung. Danach muss es sich um eine kurzzeitige, vorübergehende Verhinderung an der Arbeitspflicht handeln. Dazu wird vertreten, dass nur ein bis zwei Stunden Arbeitszeit vergütet werden müssen. Nach meiner Auffassung ist dies zu eng, ein halber Tag Abwesenheit sollte unproblematisch sein. Schließlich finden die wenigsten Vorstellungstermine „um die Ecke“ statt. Wenn der Termin bzw. die Abwesenheit, die insgesamt anfällt, allerdings länger dauert, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Termin unter den Voraussetzungen von § 629 BGB zwar ermöglichen, aber nichts bezahlen, auch nicht einen Teil, der einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit im Sinne von § 616 BGB entspräche.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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