Wann der Versicherer geleistetes Krankentagegeld NICHT zurückfordern darf

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Nach den Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT) darf der Versicherer geleistetes Krankentagegeld zurückfordern, wenn der Versicherte nicht mehr versicherungsfähig oder berufsunfähig geworden ist, und der Versicherer hiervon erst später Kenntnis erlangt (§ 11 MB/KT). Doch was gilt, wenn sich später herausstellt, dass während des Leistungsbezugs gar keine Arbeitsunfähigkeit bestand? Mit dieser Frage hat sich das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 16. Juni 2021 (5 U 57/20) auseinandergesetzt.

Versicherer ging zunächst nur von Berufsunfähigkeit aus 

In dem Fall des OLG Saarbrücken ging es um einen Versicherten, der aufgrund einer Krebserkrankung arbeitsunfähig war. Dies hatten ein Gutachten des Versicherers im Februar 2011 sowie ein weiteres Gutachten im November 2011 bestätigt. Letzteres stellte zugleich den Eintritt von Berufsunfähigkeit fest. In der Folge erklärte der Versicherer, dass das Versicherungsverhältnis - mit Blick auf die „aktuelle Arbeitsunfähigkeit“ des Versicherten nach Ablauf der bedingungsgemäßen Karenzfrist - zum 10. Februar 2012 beendet sei und er die Leistungen ab diesem Zeitpunkt einstellen werde.

In einem Klageverfahren beanspruchte der Versicherte weiteres Krankentagegeld – ohne Erfolg, denn das gerichtlich beauftragte Gutachten bestätigte, dass er berufsunfähig sei, und zwar schon seit dem 05. April 2011. Dies sowie ein weiteres Gutachten nahm der Versicherer zum Anlass, die Ehefrau des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten in Anspruch zu nehmen auf Rückzahlung des im Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 09. Februar 2012 geleisteten Krankentagegeldes. Der Versicherte sei – so die Argumentation des Versicherers – ab dem 15. Februar 2011 in Remission befindlich und deshalb arbeitsfähig und nach Entdeckung eines Lokalrezidivs ab dem 05. April 2011 berufsunfähig gewesen.

Versicherer darf sich nicht im Nachhinein auf fehlende Arbeitsunfähigkeit berufen

In seinem Urteil stellte das OLG Saarbrücken fest, dass der Versicherer grundsätzlich – wolle er Krankentagegeld für den Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 04. April 2011 zurückfordern – das Fehlen von Arbeitsunfähigkeit zu beweisen habe. Unbeschadet dessen scheitere sein Rückforderungsanspruch im hiesigen Fall aber bereits daran, dass er in seinem Schreiben vom 30. November 2011 den Versicherungsfall abgerechnet habe und dabei, sachverständig beraten, erkennbar von Arbeitsunfähigkeit ausgegangen sei. Damit habe er einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der ein späteres Berufen auf fehlende Arbeitsunfähigkeit ausschließe. Die abschließende, ohne jede Einschränkung in Bezug auf die geleisteten Zahlungen verfasste Mitteilung könne der Versicherte nur dahingehend verstehen, dass für vergangene Zeiträume gezahltes Krankentagegeld keiner erneuten Überprüfung hinsichtlich der vertraglichen Leistungsvoraussetzungen unterliegen solle, diese also nicht mehr in Frage gestellt werden würden.

Berufsunfähigkeit führt hingegen zu Rückforderungsanspruch

Demgegenüber sei der auf den Eintritt von Berufsunfähigkeit am 05. April 2011 gestützte Rückforderungsanspruch begründet. Dieser ergebe sich aus den vertraglichen Bestimmungen (§ 11 MB/KT) und führe – unter Berücksichtigung des dreimonatigen Nachleistungszeitraums – zu einer Pflicht zur Rückzahlung des ab dem 05. Juli 2011 geleisteten Krankentagegeldes.

Rückforderungsverlangen unbedingt vom (Fach-) Anwalt überprüfen lassen!

Konstellationen, in denen der Versicherer geleistetes Krankentagegeld zurückfordert, sind erfahrungsgemäß komplex. Ob das Rückforderungsverlangen berechtigt ist, hängt von den vertraglichen Bestimmungen einerseits und der Dokumentation der Krankengeschichte andererseits ab und sollte in jedem Fall von einem erfahrenen Fachanwalt überprüft werden.


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