Wann liegt eine missbräuchliche Abmahnung vor?

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Ihr Onlineshop oder Ihre gewerblichen Angebote bei eBay, Amazon oder ähnlichen Handelsplattformen wurden durch einen Wettbewerber, Verbraucherschutzverband oder Wettbewerbsverein abgemahnt? Sie haben den Verdacht, dass es sich hierbei um eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung handelt?

Gerne können Sie uns anrufen, eine E-Mail schreiben und uns die Abmahnung für eine kostenlose Ersteinschätzung und einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise zusenden. Ein kostenpflichtiges Mandat entsteht erst, wenn Sie uns im Anschluss mit der weiteren Bearbeitung der Abmahnung beauftragen.

Nachfolgend informieren Sie über die wichtigsten Kriterien für rechtsmissbräuchliche Abmahnungen. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den nachfolgenden Informationen lediglich um allgemeine Informationen handelt. Keinesfalls ersetzen die hier angegebenen Informationen eine anwaltliche Beratung im Einzelfall.

Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist eine Abmahnung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung wird insbesondere dann angenommen, wenn die Abmahnung nicht zur Sicherung lauteren Wettbewerbs, sondern überwiegend aus „sachfremden Motiven“ ausgesprochen wird. Alleine eine Vielzahl einschlägiger Abmahnungen genügt in der Regel für sich genommen allerdings noch nicht, um „sachfremde Motive“ und damit einen Rechtsmissbrauch anzunehmen. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung begründen (vgl. Urteil des OLG Frankfurt vom 04.07.2007, Az. 6 W 66/07; Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.04.2010, Az.: I-13 O 261/09).

Sachfremde Motive sind insbesondere folgende:

  • Reines Gebühreninteresse des Abmahnenden (vgl. § 8 Abs. 4 UWG oder Kammergericht Berlin in GRUR-RR 2004, 335)
  • Behinderungs-/Schädigungsabsicht von Konkurrenten (vgl. z.B. BGH GRUR 2001, 78,79; OLG Hamburg, GRUR 1989, 133)

Ob diese sachfremden Motive im Einzelfall tatsächlich vorliegen, wird von den Gerichten in der Praxis aufgrund von Indizien beurteilt. Indizien für einen Rechtsmissbrauch werden insbesondere bei folgenden Sachverhalten angenommen:

1. Umsatz steht in keinem Verhältnis zur Abmahntätigkeit:

Sofern der Umsatz des Abmahnenden in keinem Verhältnis zu einer umfangreichen Abmahntätigkeit steht, wird in der Regel ein reines Gebührenerzielungsinteresse vermutet (Urteil des OLG Hamm vom 24.03.2009 - Az.: 4 U 211/08; Urteil des AG Schleiden vom 01.12.2008, Az. 9 C 158/08). Dies ist auch das wohl stärkste Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung.

2. Deutliche überhöhter Gegenstandswert:

In der Abmahnung wird ein deutlich überhöhter Gegenstandswert angesetzt (LG Bückeburg, Urteil vom 22.04.2008, Az. 2 O 62/08). Im hier entschiedenen Fall wurde in der Abmahnung ein Streitwert von 100.000 EUR für eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung angesetzt.

3. Keine konsequente gerichtliche Weiterverfolgung des Unterlassungsanspruches:

Auf eine Abmahnung hin, wird keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Dennoch verfolgt der Abmahner seinen vermeintlichen Unterlassungsanspruch - durch einstweilige Verfügung oder Unterlassungsklage - nicht weiter, sondern verlangt lediglich noch die Anwaltskosten für die Abmahnung (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 24.03.2009 - Az.: 4 U 211/08).

4. Der abmahnende Anwalt stellt seinen Mandanten von dem Kostenrisiko der Abmahnungen frei:

Der beauftragte Anwalt stellt den Mandanten von dem Kostenrisiko der Abmahnungen vollständig oder zum großen Teil frei (vgl. z.B. OLG Frankfurt a.M.; Urteil vom 14.12.2006; Az.: 6 U 129/06; KG Berlin, Beschluss vom 08.07.2008, Az. 5 W 34/08; LG Gera, Urteil vom 29.04.2010, Az.: 1 HK O 62/10).

Dies gilt auch dann, wenn im Zusammenwirken von Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer dem Mandanten eine kostenfreie Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nebst einer Profitmöglichkeit (hier: aus anfallenden Vertragsstrafen) angeboten wird (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 08.07.2008, Az. 5 W 34/08). Bei einem solchen Modell der Rechtsverfolgung steht zu vermuten, dass die Ansprüche weniger aus Gründen des Wettbewerbs geltend gemacht werden, sondern vielmehr zur Erzielung von Einnahmen des Gläubigers und seines Anwalts.

5. Hohe feste Vertragsstrafe auch für unverschuldete Verstöße gegen die Unterlassungserklärung sowie ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs:

In der vorformulierten Unterlassungserklärung wird eine hohe feste Vertragsstrafe (z.B. 5.100,00 EUR) auch für einen unverschuldeten Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung und ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorgegeben (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 28.07.2011, Az.: I-4 U 55/11).

6. In der vorformulierten Unterlassungserklärung werden zu weitreichende Unterlassungsverpflichtungen verlangt:

Wird die vorgefertigte Unterlassungserklärung so weit formuliert, so dass unter die Unterlassungsverpflichtung auch gänzlich andere Verstöße als die abgemahnten Verstöße fallen können, soll dies ebenfalls für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung sprechen.

7. Verquickung von Fristen:

In der Abmahnung wird zudem für die Abgabe der Unterlassungserklärung und die Zahlung der Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung ein und dieselbe Frist gesetzt (Verquickung von Fristen) und darauf hingewiesen, dass (beide) Fristen nicht verlängert werden

8. Wettbewerber mahnt mehrfach nur einen bestimmten Wettbewerbsverstoß ab.

Hier sah das Gericht gewissermaßen eine Spezialisierung, welche zeige, dass es ihm eben insgesamt nicht um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs geht (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 24.03.2009 - Az.: 4 U 211/08; LG Bielefeld, Urteil vom 02.06.2006, Az. 15 O 53/06; AG Schleiden, Urteil vom 01.12.2008, Az. 9 C 158/08).

9. Anwalt und Abmahner sind miteinander verwandt:

Auch in diesem Fall vermutete das Gericht ein reines Gebührenerzielungsinteresse (Urteil des OLG Hamm vom 24.03.2009 - Az.: 4 U 211/08).

10. Wahl eines entfernten Gerichtsstandes bei einer einstweiligen Verfügung:

Die Annahme von Rechtsmissbrauch i.S. von § 8 Abs. 4 UWG kann nahe liegen, wenn ein Massenabmahner bei fehlender Unterwerfung das Gericht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG nicht nach ihm vorteilhaft erscheinenden Präferenzen, sondern prinzipiell allein so auswählt, dass dieses vom Sitz des Gegners weit entfernt liegt (KG Berlin, Beschluss vom 08.03.2008, Az.: 5 W 34/08).

11. Abmahnung von juristischen Personen und deren gesetzlichen Vertretern in mehreren Abmahnungen:

Wenn Unterlassungsansprüche gegen Juristische Personen und deren gesetzliche Vertreter in unterschiedlichen Verfahren geltend gemacht werden und hierfür kein sachlicher Grund ersichtlich ist (vgl. Urteil des LG Bochum vom 21.04.2014, Az.: I-13 O 261/09).

Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Abmahnungen ausgesprochen werden, die von vornherein hätten gebündelt werden können.

Ergebnis:

Liegen einige der zuvor genannten Kriterien vor, liegt der Verdacht nahe, dass es dem Abmahner nicht um den lauteren Wettbewerb, sondern um die Generierung von Einnahmequellen durch Vertragsstrafen sowie um gezielte Schädigung bzw. Behinderung der Wettbewerber geht. In diesem Fall liegt eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vor.

Welche Gegenmaßnahmen kommen bei einer unberechtigten oder unwirksamen Abmahnung in Betracht?

Bei einer missbräuchlichen Abmahnung kommen folgende Gegenmaßnahmen in Betracht:

Zurückweisung der Abmahnung und negative Feststellungsklage:

Sofern eine missbräuchliche Abmahnung ausgesprochen wird, besteht die Möglichkeit die Abmahnung insgesamt zurückzuweisen oder eine negative Feststellungsklage gegen den Gegner zu erheben. Eine negative Feststellungsklage hat das Ziel gerichtlich feststellen zu lassen, dass der mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch nicht besteht.

Hinterlegung einer Schutzschrift:

In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, eine „Schutzschrift“ bei Gericht zu hinterlegen, um den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zu verhindern.

Gegenabmahnung:

Im Regelfall betreibt der Abmahner selber einen Online-Shop oder verkauft seine Waren über Internethandelsplattformen wie eBay, Amazon oder ähnliche Portale. Oftmals lohnt es sich, die Internetangebote des Gegners nach eigenen Wettbewerbsverstößen hin zu überprüfen. Ist der Gegner angreifbar, besteht die Möglichkeit einer „Gegenabmahnung“. Dies ist zulässig, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass die Gegenabmahnung lediglich zur Aufrechnung der Kosten der Abmahnung dient (vgl. z.B. OLG Bremen 08.08.2008; Az.:2 U 69/08).


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