Was der "Tatort: Pyramide" mit dem Grauen Kapitalmarkt zu tun hat und was davon kommt wirklich so vor?
- 8 Minuten Lesezeit
Sonntagabend, 20.15 Uhr - Tatortzeit - für manche ein Ritual zum Sonntag, für manche nervig. Aktuelle Themen werden dort regelmäßig angesprochen. So ging es diesmal um Betrug im Bereich des Grauen Kapitalmarktes. Manches kam mir bekannt vor, manches war reine Fiktion. Wer den Tatort gesehen hat oder noch sehen möchte, kann hier nachlesen, was so oder ähnlich wirklich schon passiert ist und was eher reine Fiktion ist.
1. "Tatort: Pyramide" - worum ging es?
Ein toter Anwalt für "Verbraucherschutz" und eine entführte junge Frau - so beginnt diese Folge des Tatortes. Im Laufe der Folge wird dem Zuschauer bzw. der Zuschauerin eine fiktive Firma namens Concreta vorgestellt. Diese hat einen charismatischen und dynamischen Chef und eine Reihe von Angestellten. Geschäftsfeld dieser Firma ist es, AnlegerInnen am Telefon Kapitalanlagen zu verkaufen. Das ganze erfolgt natürlich gegen Provision, die wohl nicht ganz unerheblich ist. So überwindet dann auch der frisch eingestiegene Protagonist seine Zweifel bei der Kaltakquise von Kunden und verkauft diesen - anfangs zögerlich, später mit mehr Erfolg - Anlageprodukte.
Motiviert wird er natürlich durch die Verdienstmöglichkeiten. Weil er anfangs bei der Akquise von Kunden nicht so erfolgreich ist, bringt er Mitglieder seiner Familie dazu, zu investieren. Mantra-artig wiederholt er zu sich selbst, dass man keine ETF´s und auch keine Kryptowährungen verkaufe, sondern man biete reale Invests in reale Firmen mit realen Gewinnen und das sei eine ganz "stabile Nummer".
Das das eventuell nicht ganz so stimmt, wird dem Zuschauer/der Zuschauerin klar, als in der Firma plötzlich gedrückte Stimmung herrscht, weil eine Firma in die Insolvenz gegangen sei. Für die Mitarbeiter der Firma, die die Produkte nicht nur vermittelt, sondern auch selbst gekauft hatten, natürlich ein herber Schlag.
Im Laufe der Handlung erfährt man nebenbei, dass man den AnlegerInnen wohl Nachrangdarlehen verkauft hat.
Auch der extra beauftragte Anwalt für Verbraucherschutz, der die Erfolgsaussichten einer Sammelklage prüfen sollte und später tot aufgefunden wird, kann da nicht helfen.
Um nicht das Ende der Folge und die Lösung vorwegzunehmen, muss das an dieser Stelle für die Handlung genügen. Den Rest muss man sich selbst anschauen.
2. Was davon kommt so oder so ähnlich wirklich vor?
a) Den "Grauen" Kapitalmarkt gibt es
Den sog. Grauen Kapitalmarkt gibt es wirklich. Es ist aber keine genaue Abgrenzung der diesem Begriff unterfallenden Anlageprodukte. Vereinfacht ausgedrückt ist dies ein Markt, der Produkte umfasst, die entweder gar keiner oder nur einer eingeschränkten Aufsicht und/oder Kontrolle der Finanzmarktraufsicht unterliegen und deren Produkte keine oder nur sehr geringe gesetzlichen Anforderungen und Vorgaben beachten müssen. Eine genaue Zuordnung von Produkten ist nicht immer ganz einfach, da der Gesetzgeber die Anforderungen an Produkte des Kapitalmarktes regelmäßig anpasst.
b) Was sind Nachrangdarlehen?
Auch die in der Folge angesprochenen Nachrangdarlehen gibt es wirklich. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei im Darlehen, die der Anleger oder die Anlegerin einer Firma in Form eines Darlehens zur Verfügung stellt. Diese investiert diese Beträge dann entweder selbst oder gibt diese in Form von weiteren Darlehen an andere Firmen weiter, damit diese dann investieren. Hierüber soll dann ein Gewinn erwirtschaftet werden, der die Rückzahlung des Darlehens und eine Verzinsung ermöglicht.
Solche Produkte sind verbreitet und in der Regel (je nach Ausgestaltung) gibt es hierzu entweder ausführliche Prospekte oder aber nur kurze Informationen. Allen gemein ist aber a) die Vereinbarung eines sog. Nachranges und b) meist die Tatsache, dass der Anleger/die Anlegerin meist nicht im Rahmen der Investitionen ein Mitspracherecht haben. Manchmal gibt es nicht einmal in Informationsrecht.
Diese Kombination ist schwierig. Auf einen Seite ist man bildlich gesprochen der der letzte in der Reihe der Geldgeber, der vielleicht irgendwann sein Geld zurückbekommt. Zum anderen hat man meist weder eine Absicherung des Darlehens noch irgendeine Informationsmöglichkeit.
Das führt dazu, dass dann, wenn die Firma, der man das Darlehen gegeben hat, in drohende oder gar tatsächliche Insolvenz gerät, der Anleger/die Anlegerin mit seinem/ihrem Darlehen ausfällt und unter Umständen leer ausgeht.
AnlegerInnen sollten sich darüber im klaren sein, dass es sich bei Nachrangdarlehen um sehr risikoreiche Anlagen handelt, bei denen das Risiko eines Totalverlustes nicht ausgeschlossen ist.
c) Ist ein Nachrangdarlehen eine reale Firmenbeteiligung?
Eine klassische Firmenbeteiligung ist ein Nachrangdarlehen sicher nicht, denn eine solche Beteiligung setzt in der Regel ein Mitspracherecht voraus. Man ist nicht mehr, als ein Kapitalgeber, der letztlich sogar hinter den klassischen Finanzierern, wie z.B. Banken steht. Rein begrifflich würde ich das nicht unter Firmenbeteiligung zusammenfassen, da man schlicht keinen Anteil an der Firma hat.
Daher ist das oben zitierte Mantra, dass es sich um reale Beteiligungen handele, so sicher zumindest missverständlich.
Die Firmen, in die man ein Nachrangdarlehen gibt, existieren in der Regel auch tatsächlich. Ich selbst habe noch keinen Fall gesehen, wo die Firma nicht existierte.
Ob die Firma aber tatsächlich "reale Gewinne" macht, das ist meist nur schwer herauszubekommen. Hilfreich kann es sein, sich die Bilanzen anzuschauen. Wenn es sich aber um ein verschachteltes Firmenkonstrukt handelt und die Darlehen ein oder zweimal weitergegeben werden, ist es sehr schwer zu erkennen, ob die Firma tatsächlich "reale Gewinne" erwirtschaftet. Das kann man als AnlegerIn im Grunde nur bedingt prüfen und muss dem Anlagerberater vertrauen.
d) Werden Finanzprodukte mit falschen Aussagen an den Mann gebracht?
Das ist nicht die Regel, aber so etwas kommt vor. Die Pflichten der Anlageberater und auch der Anlagevermittler sind definiert. Wenn diese Pflichten verletzt werden, hat der Anleger/die Anlegerin einen Anspruch auf Schadensersatz. Ich selbst habe schon Fälle erlebt, wo dem Anleger versprochen wurde, dass man nicht verlieren könne, dass das Totalverlustrisiko rein "theoretischer" Natur sei und dass die Anlage so sicher sei, wie "ein Sparbuch". Das alles passte in den dortigen Fällen nicht zum Produkt und hat einen Schadensersatzanspruch nach sich gezogen.
Wenn sich z.B. der Satz, dass man real Firmenbeteiligungen verkaufe, so beweisen ließe, könnte man zumindest mal darüber nachdenken, ob der jeweilige Berater hier nicht eine unzutreffende Behauptung aufgestellt hat. Maßgeblich ist aber immer, was man beweisen kann. Deshalb ist es immer sinnvoll, zu zweit zu einer solchen Beratung zu gehen.
e) Gibt es eine "Sammelklage" in Deutschland?
Eine klassische "Sammelklage" gibt es in Deutschland nicht. Es gibt die Möglichkeit, nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz ein sog. KapMuG-Verfahren durchzuführen. Dabei führt ein Kläger ein Verfahren gegen einen Anbieter von Kapitalanlagen wegen eines fehlerhaften Prospektes und/oder fehlerhafter Kapitalmarktinformationen. Dessen Ergebnisse sind dann für Klageverfahren, die die anderen AnlegerInnen dann noch anstrengen müssen binden.
Ferner gibt es die sog. Musterfeststellungsklage, in denen für Verbraucher gebündelt bestimmte Fragen mit Bindungswirkung für alle betroffenen Verbraucher festgestellt werden können. Hier sind aber nur Verbraucherverbände klagebefugt, sodass ein einzelner so ein Verfahren nicht anstrengen kann.
Schließlich gibt es noch die aktive Streitgenossenschaft - also mehrere Kläger schließen sich zusammen und verklagen einen oder mehrere Gegner gleichzeitig. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ansprüche im wesentlichen gleichartig sind.
Für den Fall in der Folge dürfte sich keine der Varianten wirklich anbieten. Sofern die geschädigten Kunden angeben, falsch beraten worden zu sein, kann dies nicht als Sammelklage geschehen, da die Beratungen immer unterschiedlich waren. Ein KapMuG-Verfahren scheidet auch aus, da es nicht um fehlerhafte Kapitalmarktinformation des Emittenten geht, sondern gegebenenfalls Falschberatung. Und für eine Musterfeststellungsklage fehlt die Klagebefugnis.
Die "Sammelklage" im Film wäre wohl eher in der genannten Konstellation nicht möglich gewesen.
e) Läuft der Vertrieb wirklich so ab?
Die Darstellung des Vertriebes in der Folge ist sicher überspitzt. Tatsache ist jedoch, dass der Vertrieb von Kapitalanlagen in den meisten Fällen provisionsbasiert läuft. Das sind teilweise erhebliche Summen. Man sollte als AnlegerIn ruhig in die Verkaufsunterlagen schauen und nach den Vertriebs- oder Vermittlungskosten suchen. Gern kann man auch den Anlageberater/-vermittler seines Vertrauens danach fragen und dann mal die Reaktion abwarten.
Hohe Provisionen verleiten natürlich zum verkaufen: ein vierstelliger Provisionsbetrag für manchmal nicht einmal eine halbe Stunde Beratung erscheint vielen erstrebenswert. Leider gibt es dann aber - wie im Grunde überall - ein paar wenige schwarze Schafe, die das ausnutzen.
d) Verbraucheranwälte werden nicht umgebracht
Der getötete Verbraucheranwalt in der Folge ist sicher übertrieben. Angriffe auf Anwälte habe ich noch nicht gesehen. Wenn man sich als Anwalt zu weit aus dem Fenster lehnt und dabei die Grenzen des rechtlich zulässigen überschreitet, wird eher die juristische Auseinandersetzung in Form von Unterlassungserklärungen und Klagen gesucht.
Das in der Folge vom dortigen Anwalt an den Tag gelegte Verhalten im Übrigen (wer wissen will, was der Anwalt noch getan hat, muss sich in der Mediathek die Folge anschauen), ist eher ausgedacht. Ein solcher Fall ist mir bisher noch nicht bekannt geworden.
3. Zusammenfassung: Gut gemachter "Tatort" mit realem Hintergrund und künstlerischen Freiheiten
Insgesamt handelt es sich um eine Tatort-Folge mit einem im Grunde realen Hintergrund, bei dem manche Aspekte sicher überspitzt wurden. Im Kern ist aber etwas Wahres an dem Thema dran und als AnlegerIn sollte man sich immer fragen:
"Verstehe ich das, in das sich investiere, wirklich und was sagt mein Bauchgefühl dazu?"
Damit kommt man schon relativ weit. Wenn Sie wissen wollen, ob Sie zu Ihrer konkreten Kapitalanlage richtig beraten wurden und ob Sie das gekauft haben, was Sie dachten, dass Sie gekauft haben, dann können Sie mich gern im Rahmen einer kostenlosen Erstbewertung kontaktieren. Sie können das unten stehende Kontaktformular nutzen, Sie können mich anrufen oder Sie schreiben eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de .
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