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Weltkrebstag: Kein Behandlungsfehler trotz spätem Brustkrebsbefund?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Alle Frauen fürchten sie: die Diagnose Brustkrebs. Nicht umsonst gehen sie regelmäßig zur Brustkrebsvorsorge; einerseits, um sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist und andererseits, um im schlimmsten Fall den Krebs so frühzeitig wie möglich entdecken und bekämpfen zu können. Leider gibt es dennoch einige Fälle, in denen das Mammakarzinom zu spät erkannt wird, was häufig nicht nur zu einer Chemotherapie und Bestrahlung, sondern auch noch zu einer Brustamputation bzw. Mastektomie führen kann. Da stellt sich doch die Frage, ob der Arzt nicht einen Fehler bei der Untersuchung gemacht und den Knoten schlicht und einfach übersehen hat. Mit einem solchen Problem hatte sich kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu beschäftigen.

Zunächst kein auffälliger Tast- und Ultraschallbefund

Seit August 2006 ließ eine Frau bei demselben Frauenarzt die Brustkrebsvorsorge durchführen. Im Jahr 2007 wurde sie zweimal bei ihm vorstellig, am 05.07.2007 und am 28.11.2007. Bei den Terminen tastete der Arzt die Brust ab und machte eine Sonografie, bei der er nichts Auffälliges entdecken konnte. Im März 2008 erschien die Frau erneut beim Gynäkologen, um ihre Brust untersuchen zu lassen. Nun war sowohl beim Abtasten als auch bei der Ultraschalluntersuchung eine Verhärtung zu erkennen, die sich nach einer Mammografie als Brustkrebs herausstellte. Die Patientin musste sich daraufhin nicht nur einer Chemotherapie unterziehen, sondern auch eine Mastektomie durchführen und Bestrahlungen über sich ergehen lassen.

Patientin verlangt Schadensersatz

Die Brustkrebs-Patientin gab unter anderem an, ihren Arzt bereits bei der Brustkrebsvorsorge am 05.07.2007 auf einen Knoten in ihrer Brust aufmerksam gemacht zu haben, den sie selbst beim Abtasten ihrer Brust bemerkt hatte. Dennoch schickte sie der Gynäkologe nicht zur Mammografie, obwohl er von ihrer panischen Angst vor einer Brustkrebserkrankung genau gewusst habe. Allein ihre Karzinophobie sei daher Grund genug für weitere Untersuchungen und Befunderhebungen gewesen. Ferner sei sie eine Risikopatientin, weil sie rauche und Familienangehörige bereits an Krebs erkrankt seien. Der Arzt habe daher einen Behandlungsfehler gemacht; schließlich wäre die Krebstherapie weniger belastend gewesen, wenn der Arzt das Karzinom sofort erkannt hätte. Sie verlangte deshalb gerichtlich von ihm Schadensersatz.

Daraufhin erwiderte der Mediziner, er habe im Rahmen der Krebsvorsorge keine Auffälligkeiten bemerkt und daher keinen Anlass für eine weitere Untersuchung gesehen. Denn es war bei der Frau unlängst eine sog. Mastopathie diagnostiziert worden, bei der sich zwar das Drüsengewebe der Brust verändert - die Veränderungen aber in der Regel gutartig sind. Er habe sie daher nicht als Tumor angesehen. Außerdem habe ihm die Frau vor dem Termin im März 2008 nichts von einem Eigenbefund erzählt.

Kein Behandlungsfehler ersichtlich

Das OLG Hamm wies sämtliche Ansprüche der Patientin mangels eines nachgewiesenen Behandlungsfehlers des Arztes zurück. Ein Sachverständiger gab vor Gericht an, dass nicht mit Sicherheit feststeht, dass bereits am 05.07.2007 ein Karzinom vorgelegen hat, das der Arzt hätte erkennen müssen. Schließlich kann sich ein Tumor je nach den individuellen Gegebenheiten unterschiedlich schnell entwickeln, sodass unklar blieb, ob sich das Karzinom gemessen an seiner Größe erst nach der Untersuchung im Juli 2007 entwickeln konnte. Sofern aber derartige Unklarheiten bestehen, darf ein Behandlungsfehler nicht einfach bejaht werden. Selbst wenn die Frau am 05.07.2007 bereits an Brustkrebs gelitten haben sollte, war die Diagnose, dass die Veränderungen des Brustgewebes auf die bereits diagnostizierten Mastopathie zurückzuführen sind, dennoch vertretbar und stellte somit keinen schadensersatzbegründenden Diagnosefehler dar.

Im Übrigen bestätigte ein Sachverständiger die Ansicht des Arztes, dass die Frau keine Risikopatientin war. Denn das Risiko einer Brustkrebserkrankung bei der Patientin wurde nicht dadurch erhöht, dass sie Raucherin ist und einige ihrer Familienangehörigen bereits an Krebs erkrankt sind. Ferner konnte die Frau nicht nachweisen, dass sie den Arzt bereits am 05.07.2007 auf einen Knoten in der Brust hingewiesen hat. Denn in der Krankenakte stand nichts über einen Eigenbefund der Patientin. Außerdem hat der Arzt die Patientin am 05.07.2007 und am 28.11.2007 selbst noch einmal abgetastet. Da für ihn keine Auffälligkeiten, die für eine Krebserkrankung gesprochen hätten, erkennbar waren, musste er somit auch keine weiteren Untersuchungen - wie eine Mammografie - veranlassen. Daran ändere auch die panische Angst vor einer Krebserkrankung nichts.

Krebstherapie war in jedem Fall erforderlich

Letztendlich konnte das Gericht nicht eindeutig feststellen, dass der Eingriff weniger belastend und weniger gravierend gewesen wäre, selbst wenn das Karzinom früher festgestellt worden wäre. Ein medizinischer Gutachter gab sogar an, dass in jedem Fall sowohl eine Operation als auch eine Chemotherapie bzw. Hormontherapie sowie eine Nachbehandlung erforderlich geworden wäre - unabhängig vom Zeitpunkt der Diagnosestellung. Selbst wenn also der Arzt doch einen Behandlungsfehler gemacht haben sollte, weil er das Karzinom übersehen hat, wäre er nicht ursächlich für die aufgrund der Krebstherapie erlittenen Beschwerden der Patientin gewesen.

Zwar hat ein anderer Senat des OLG Hamm einer an Brustkrebs erkrankten Frau am 12.08.2013 Schadensersatz zugesprochen. In dem Fall wurde aber ein grober Behandlungsfehler des Arztes bejaht, weil er seiner Patientin zunächst ein Medikament verschrieben hat, das im Verdacht der Erhöhung des Krebsrisikos steht, sie über die Nebenwirkungen nicht aufgeklärt und ihr dann auch noch zu spät zu einer Mammografie geraten hat. In diesem Fall war somit zugunsten der Frau davon auszugehen, dass eine frühere Behandlung zu einer weniger belastenden Krebstherapie geführt hätte (OLG Hamm, Urteil v. 12.08.2013, Az.: 3 U 57/13). Die beiden Urteile vom 12.08. und vom 17.09. waren daher nicht vergleichbar, weil vorliegend noch nicht einmal ein Behandlungsfehler, geschweige denn ein grober Behandlungsfehler des Arztes erkennbar gewesen ist.

(OLG Hamm, Urteil v. 17.09.2013, Az.: 26 U 88/12)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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