Zeiterfassung versus Vertrauensarbeitszeit: was gilt?

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verursachte mit seinem Urteil im September vergangenen Jahres geradezu einen Erdrutsch. Es stellte fest, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erfassen (BAG, Urteil v. 13.09.2022, Az.: 1 ABR 22/21). Das führte bei Unternehmen zu großer Unsicherheit, wenn nicht sogar zu Unmut. Moderne Arbeitszeitmodelle, die Grundlage für New Work, Mobile Office und vieles mehr, schienen plötzlich mit einem Schlag vernichtet.

Ist das aber wirklich so? Oder können Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit nebeneinander existieren?

Welche Arbeitszeitmodelle gibt es?

Vertrauensarbeitszeit ist nur ein Arbeitszeitmodell unter mehreren. Das krasseste Gegenmodell ist wohl die Schichtarbeit, in der (meist) die Arbeitszeiten fest vereinbart sind. In der Mitte liegen die Gleitzeitmodelle, bei denen nur die Kernarbeitszeit definiert ist, Beginn und Ende der Arbeitszeit – wie der Name schon sagt – aber „gleitend“ sind.

Wesen der Vertrauensarbeitszeit ist, dass nicht die Dauer und der Zeitpunkt der geleisteten Arbeit entscheidend sind. Vielmehr geht es darum, dass alle anfallenden Aufgaben erledigt werden. Wann und in welchem Zeitraum Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dafür sorgen, ist ihnen überlassen. Messlatte ist dabei der Arbeitserfolg. Es ist zwar möglich, auch in der Vertrauensarbeitszeit eine Kernarbeitszeit zu definieren. Die Regel ist das aber nicht. Stellt sich also die Frage, was nach dem BAG überhaupt gemessen werden soll, wenn es keine festgelegte Arbeitszeit gibt.

Achtung! Arbeitgeber sind – unabhängig vom gelebten Arbeitszeitmodell – verpflichtet, ihren Betrieb so einzurichten, dass die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht verletzt werden. Das heißt z.B., dass die zulässigen Arbeitshöchstgrenzen zu beachten sind. Ob ein Unternehmen diese Anforderungen einhält, muss jederzeit anhand von Dokumentationen kontrollierbar sein.

BAG: Arbeitgeber müssen Arbeitszeit erfassen!

Nach Auffassung des BAG sind Arbeitgeber verpflichtet, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einzuführen, „mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“.

Damit bestätigt das Gericht eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019. Der EuGH hatte damals festgestellt, dass eine Pflicht von Arbeitgebern bestehe, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lückenlos zu erfassen und zu dokumentieren. Es wäre im Nachgang zu dieser Entscheidung Aufgabe der EU-Staaten gewesen, entsprechende gesetzliche Vorgaben zu definieren – das hat der deutsche Gesetzgeber bisher versäumt. Nach dem Urteil des BAG kam allerdings jetzt Bewegung in die Sache. Noch im Jahr 2023 soll jetzt eine gesetzliche Regelung verabschiedet werden.

Diese Aussicht hilft in der aktuellen Situation jedoch nicht weiter. Ja, nach dem BAG gibt es eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Wie diese aber ausgestaltet sein soll, ist derzeit noch völlig offen. Kein Wunder, dass Unternehmen gerade nicht so recht wissen, wie sie damit – und mit den bestehenden Vertrauensarbeitszeitverhältnissen – umgehen sollen.

Ist Vertrauensarbeitszeit ein Auslaufmodell?

Es gibt aktuell kein gesetzliches Verbot von Vertrauensarbeitszeit, denn eine gesetzliche Grundlage, wonach die Arbeitszeit verpflichtend erfasst werden muss, existiert (noch) nicht. Auch ist unklar, wie diese Verpflichtung zur Erfassung ausgestaltet sein wird. Bis der Gesetzgeber tätig wird, bleibt Vertrauensarbeitszeit wohl – im rechtlichen Graubereich – möglich.

Wie geht es jetzt weiter?

Dennoch sollten sich Arbeitgeber, aber auch Angestellte aktiv mit dem Thema befassen, um nicht völlig überrascht zu werden, wenn eine gesetzliche Regelung kommt. Wer vorbereitet ist, hat jedenfalls weniger Stress bei der Umsetzung geforderter Maßnahmen.

Sie möchten die Arbeitszeit in Ihrem Unternehmen rechtskonform gestalten? Oder haben Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer Fragen dazu, ob und wie Ihre Arbeitszeit erfasst werden muss? Sprechen Sie mich gerne an! Ich berate Sie rund um das Thema Arbeitszeit. Sie erreichen mich auch unter 040/ 413 46 98 97 oder info@cs-ra.de. 


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